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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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grau und dicht und kurz behaart sind, daß an ihnen die Nadeln flach
aufsitzen und also bei dem Abfallen nur eine flache kreisrunde Blattstiel-
narbe hinterlassen (XLVIII. 7.), während die Fichtentriebe lebhaft rostgelb,
kahl und mit deutlichen Höckern versehen sind, auf denen die Nadeln
stehen und nach deren Abfall der Rinde des Triebes eine rauhe, scharf
höckerige und gefurchte Oberfläche verleihen. An dem den Stamm
bildenden Herztriebe stehen die Nadeln fast horizontal ab, während
sie hier bei der Fichte emporgerichtet und fast an den Trieb ange-
drückt sind.

Die Tannennadeln bleiben unter allen Nadelhölzern am längsten
sitzen, indem man an jungen Stangenhölzern am acht-, zuweilen selbst
noch an den elfjährigen Trieben des Stammes wenigstens zum Theil
noch Nadeln findet.

Die Keimpflanze der Tanne (XLVII. 12.) hat gewöhnlich 5--7 den
übrigen Nadeln sehr ähnliche, nur bedeutend größere Keimnadeln. Das
Stämmchen der Keimpflanze ist sehr saftig und muß bei der Erziehung
von Saatpflanzen sorgfältig vor Austrocknen und Sonnenbrand gehütet
werden, was einigermaaßen die Erziehung von Tannensaaten erschwert.

Der Stamm der Tanne ist in jedem, namentlich im mittleren und
höheren Alter der Walzenform viel näher kommend als der Fichtenstamm,
er ist also vollholziger und zwar ohngefähr in dem Verhältniß von
5 zu 4, das heißt 4 Tannenstämme enthalten ohngefähr so viel Holz-
masse als 5 Fichtenstämme von derselben Länge und demselben Durch-
messer auf dem unteren Abschnitt. In gesunden Tannenbeständen zeigt
sich die Rinde glatt, hell silbergrau; im Vergleich zu der Fichte, von
welcher sich in gemischten Beständen hierdurch die Tanne sehr leicht
unterscheidet, fast weiß. Hierdurch und durch die helle Unterseite der
Nadeln sind die Volksbenennungen: Weißtanne und Silbertanne
veranlaßt worden. Die Tannenrinde ist ohngefähr von gleicher Dicke
wie die Fichtenrinde, enthält viele kleine Harzgallen, aber so wenig
Gerbstoff, daß sie nicht wie jene zur Gerberei benutzt wird. Eine Borken-
schicht ist bei der Tannenrinde sehr wenig entwickelt und diese daher
selbst an alten Bäumen sehr wenig rissig. Gewöhnlich ist sie sehr stark
mit sogenannten Krustenflechten besetzt, was bei der Fichte sehr wenig
der Fall ist.

grau und dicht und kurz behaart ſind, daß an ihnen die Nadeln flach
aufſitzen und alſo bei dem Abfallen nur eine flache kreisrunde Blattſtiel-
narbe hinterlaſſen (XLVIII. 7.), während die Fichtentriebe lebhaft roſtgelb,
kahl und mit deutlichen Höckern verſehen ſind, auf denen die Nadeln
ſtehen und nach deren Abfall der Rinde des Triebes eine rauhe, ſcharf
höckerige und gefurchte Oberfläche verleihen. An dem den Stamm
bildenden Herztriebe ſtehen die Nadeln faſt horizontal ab, während
ſie hier bei der Fichte emporgerichtet und faſt an den Trieb ange-
drückt ſind.

Die Tannennadeln bleiben unter allen Nadelhölzern am längſten
ſitzen, indem man an jungen Stangenhölzern am acht-, zuweilen ſelbſt
noch an den elfjährigen Trieben des Stammes wenigſtens zum Theil
noch Nadeln findet.

Die Keimpflanze der Tanne (XLVII. 12.) hat gewöhnlich 5—7 den
übrigen Nadeln ſehr ähnliche, nur bedeutend größere Keimnadeln. Das
Stämmchen der Keimpflanze iſt ſehr ſaftig und muß bei der Erziehung
von Saatpflanzen ſorgfältig vor Austrocknen und Sonnenbrand gehütet
werden, was einigermaaßen die Erziehung von Tannenſaaten erſchwert.

Der Stamm der Tanne iſt in jedem, namentlich im mittleren und
höheren Alter der Walzenform viel näher kommend als der Fichtenſtamm,
er iſt alſo vollholziger und zwar ohngefähr in dem Verhältniß von
5 zu 4, das heißt 4 Tannenſtämme enthalten ohngefähr ſo viel Holz-
maſſe als 5 Fichtenſtämme von derſelben Länge und demſelben Durch-
meſſer auf dem unteren Abſchnitt. In geſunden Tannenbeſtänden zeigt
ſich die Rinde glatt, hell ſilbergrau; im Vergleich zu der Fichte, von
welcher ſich in gemiſchten Beſtänden hierdurch die Tanne ſehr leicht
unterſcheidet, faſt weiß. Hierdurch und durch die helle Unterſeite der
Nadeln ſind die Volksbenennungen: Weißtanne und Silbertanne
veranlaßt worden. Die Tannenrinde iſt ohngefähr von gleicher Dicke
wie die Fichtenrinde, enthält viele kleine Harzgallen, aber ſo wenig
Gerbſtoff, daß ſie nicht wie jene zur Gerberei benutzt wird. Eine Borken-
ſchicht iſt bei der Tannenrinde ſehr wenig entwickelt und dieſe daher
ſelbſt an alten Bäumen ſehr wenig riſſig. Gewöhnlich iſt ſie ſehr ſtark
mit ſogenannten Kruſtenflechten beſetzt, was bei der Fichte ſehr wenig
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[329/0359] grau und dicht und kurz behaart ſind, daß an ihnen die Nadeln flach aufſitzen und alſo bei dem Abfallen nur eine flache kreisrunde Blattſtiel- narbe hinterlaſſen (XLVIII. 7.), während die Fichtentriebe lebhaft roſtgelb, kahl und mit deutlichen Höckern verſehen ſind, auf denen die Nadeln ſtehen und nach deren Abfall der Rinde des Triebes eine rauhe, ſcharf höckerige und gefurchte Oberfläche verleihen. An dem den Stamm bildenden Herztriebe ſtehen die Nadeln faſt horizontal ab, während ſie hier bei der Fichte emporgerichtet und faſt an den Trieb ange- drückt ſind. Die Tannennadeln bleiben unter allen Nadelhölzern am längſten ſitzen, indem man an jungen Stangenhölzern am acht-, zuweilen ſelbſt noch an den elfjährigen Trieben des Stammes wenigſtens zum Theil noch Nadeln findet. Die Keimpflanze der Tanne (XLVII. 12.) hat gewöhnlich 5—7 den übrigen Nadeln ſehr ähnliche, nur bedeutend größere Keimnadeln. Das Stämmchen der Keimpflanze iſt ſehr ſaftig und muß bei der Erziehung von Saatpflanzen ſorgfältig vor Austrocknen und Sonnenbrand gehütet werden, was einigermaaßen die Erziehung von Tannenſaaten erſchwert. Der Stamm der Tanne iſt in jedem, namentlich im mittleren und höheren Alter der Walzenform viel näher kommend als der Fichtenſtamm, er iſt alſo vollholziger und zwar ohngefähr in dem Verhältniß von 5 zu 4, das heißt 4 Tannenſtämme enthalten ohngefähr ſo viel Holz- maſſe als 5 Fichtenſtämme von derſelben Länge und demſelben Durch- meſſer auf dem unteren Abſchnitt. In geſunden Tannenbeſtänden zeigt ſich die Rinde glatt, hell ſilbergrau; im Vergleich zu der Fichte, von welcher ſich in gemiſchten Beſtänden hierdurch die Tanne ſehr leicht unterſcheidet, faſt weiß. Hierdurch und durch die helle Unterſeite der Nadeln ſind die Volksbenennungen: Weißtanne und Silbertanne veranlaßt worden. Die Tannenrinde iſt ohngefähr von gleicher Dicke wie die Fichtenrinde, enthält viele kleine Harzgallen, aber ſo wenig Gerbſtoff, daß ſie nicht wie jene zur Gerberei benutzt wird. Eine Borken- ſchicht iſt bei der Tannenrinde ſehr wenig entwickelt und dieſe daher ſelbſt an alten Bäumen ſehr wenig riſſig. Gewöhnlich iſt ſie ſehr ſtark mit ſogenannten Kruſtenflechten beſetzt, was bei der Fichte ſehr wenig der Fall iſt.

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/359>, abgerufen am 17.06.2024.