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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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Standort und Verbreitung sind bei der Lärche enger begrenzt
als bei den anderen eben genannten Nadelholzarten. Sie liebt einen
steinigen, frischen -- jedoch nicht nassen -- tiefgründigen Boden und der
kalkige Felsboden scheint ihr am meisten zuzusagen. Die Lärche ist
recht eigentlich ein Gebirgsbaum und ist erst in neuerer Zeit in die
Ebene herab verpflanzt worden, wo sie den von ihr gehegten Erwartungen
nicht genügen konnte. Ihre eigentliche Heimath ist die Alpenwelt in
einer Höhenlage zwischen 2500 und 4500 bis 5000 Fuß Seehöhe. Am
liebsten kommt sie hier an schattigen Stellen vor und steigt nicht selten
über die Knieholzregion hinaus. Die ansehnlichsten Lärchenbestände
finden sich in solchen Lagen in Graubünden und in den noch mehr
östlich liegenden Alpen, wo die Lärche mit der Arve und Fichte die
gefeieten "Bannwälder" zum Schutze vor den Lauinen bildet. Namentlich
in Graubünden findet man an besonders geschützten Stellen hoch über
der Baumregion einzeln stehende Riesenlärchen oder kleine Horste solcher,
die den erstaunten Reisenden darüber ungewiß lassen, ob sie Ueberreste
ehemaliger zusammenhängender Bestände oder ob sie hier so vereinzelt
erwachsen seien. Wo wir die Lärche jetzt unter 2000 Fuß Seehöhe
finden, da ist sie, wenn auch bereits in alten Beständen, immer erst
angebaut worden. Bekannt ist es, daß die Lärche selbst in dem frucht-
baren Tieflande Deutschlands, namentlich als Zierde der Baumgärten,
sehr verbreitet ist. Aber hier erreicht sie selten ein hohes Alter.

Die zart aussehende feinbenadelte Lärche zeigt sich in ihrem Leben
gleichwohl als hart und widerstandskräftig; denn sie fordert geradehin
eine rauhe Lage um ihre vollendete Schönheit und Majestät zu entfalten
und verfällt in dem warmen Klima der Ebene einem frühen Tode. Ihr
Wuchs ist außerordentlich auf die Längenausdehnung des Stammes und
der Aeste gerichtet, was sich daraus erklärt, daß die meisten Triebe
Kurztriebe sind und sich die wenigen Längstriebe um so stärker entwickeln
können. Die Quirlstellung der Triebe, der Lärche als echtem Nadelbaume
auch eigen, ist doch nie so scharf hervortretend als bei den übrigen Nadel-
hölzern. Der Gipfeltrieb ist oft außerordentlich lang und hängt, da er
meist auch sehr dünn ist, oben meist etwas über. Im Schlusse, den die
Lärche als Lichtbaum übrigens nicht dicht verträgt, reinigt sie sich bis
hoch hinauf von den Aesten und hat in diesem Stande unter allen Bäumen

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Standort und Verbreitung ſind bei der Lärche enger begrenzt
als bei den anderen eben genannten Nadelholzarten. Sie liebt einen
ſteinigen, friſchen — jedoch nicht naſſen — tiefgründigen Boden und der
kalkige Felsboden ſcheint ihr am meiſten zuzuſagen. Die Lärche iſt
recht eigentlich ein Gebirgsbaum und iſt erſt in neuerer Zeit in die
Ebene herab verpflanzt worden, wo ſie den von ihr gehegten Erwartungen
nicht genügen konnte. Ihre eigentliche Heimath iſt die Alpenwelt in
einer Höhenlage zwiſchen 2500 und 4500 bis 5000 Fuß Seehöhe. Am
liebſten kommt ſie hier an ſchattigen Stellen vor und ſteigt nicht ſelten
über die Knieholzregion hinaus. Die anſehnlichſten Lärchenbeſtände
finden ſich in ſolchen Lagen in Graubünden und in den noch mehr
öſtlich liegenden Alpen, wo die Lärche mit der Arve und Fichte die
gefeieten „Bannwälder“ zum Schutze vor den Lauinen bildet. Namentlich
in Graubünden findet man an beſonders geſchützten Stellen hoch über
der Baumregion einzeln ſtehende Rieſenlärchen oder kleine Horſte ſolcher,
die den erſtaunten Reiſenden darüber ungewiß laſſen, ob ſie Ueberreſte
ehemaliger zuſammenhängender Beſtände oder ob ſie hier ſo vereinzelt
erwachſen ſeien. Wo wir die Lärche jetzt unter 2000 Fuß Seehöhe
finden, da iſt ſie, wenn auch bereits in alten Beſtänden, immer erſt
angebaut worden. Bekannt iſt es, daß die Lärche ſelbſt in dem frucht-
baren Tieflande Deutſchlands, namentlich als Zierde der Baumgärten,
ſehr verbreitet iſt. Aber hier erreicht ſie ſelten ein hohes Alter.

Die zart ausſehende feinbenadelte Lärche zeigt ſich in ihrem Leben
gleichwohl als hart und widerſtandskräftig; denn ſie fordert geradehin
eine rauhe Lage um ihre vollendete Schönheit und Majeſtät zu entfalten
und verfällt in dem warmen Klima der Ebene einem frühen Tode. Ihr
Wuchs iſt außerordentlich auf die Längenausdehnung des Stammes und
der Aeſte gerichtet, was ſich daraus erklärt, daß die meiſten Triebe
Kurztriebe ſind und ſich die wenigen Längstriebe um ſo ſtärker entwickeln
können. Die Quirlſtellung der Triebe, der Lärche als echtem Nadelbaume
auch eigen, iſt doch nie ſo ſcharf hervortretend als bei den übrigen Nadel-
hölzern. Der Gipfeltrieb iſt oft außerordentlich lang und hängt, da er
meiſt auch ſehr dünn iſt, oben meiſt etwas über. Im Schluſſe, den die
Lärche als Lichtbaum übrigens nicht dicht verträgt, reinigt ſie ſich bis
hoch hinauf von den Aeſten und hat in dieſem Stande unter allen Bäumen

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[339/0373] Standort und Verbreitung ſind bei der Lärche enger begrenzt als bei den anderen eben genannten Nadelholzarten. Sie liebt einen ſteinigen, friſchen — jedoch nicht naſſen — tiefgründigen Boden und der kalkige Felsboden ſcheint ihr am meiſten zuzuſagen. Die Lärche iſt recht eigentlich ein Gebirgsbaum und iſt erſt in neuerer Zeit in die Ebene herab verpflanzt worden, wo ſie den von ihr gehegten Erwartungen nicht genügen konnte. Ihre eigentliche Heimath iſt die Alpenwelt in einer Höhenlage zwiſchen 2500 und 4500 bis 5000 Fuß Seehöhe. Am liebſten kommt ſie hier an ſchattigen Stellen vor und ſteigt nicht ſelten über die Knieholzregion hinaus. Die anſehnlichſten Lärchenbeſtände finden ſich in ſolchen Lagen in Graubünden und in den noch mehr öſtlich liegenden Alpen, wo die Lärche mit der Arve und Fichte die gefeieten „Bannwälder“ zum Schutze vor den Lauinen bildet. Namentlich in Graubünden findet man an beſonders geſchützten Stellen hoch über der Baumregion einzeln ſtehende Rieſenlärchen oder kleine Horſte ſolcher, die den erſtaunten Reiſenden darüber ungewiß laſſen, ob ſie Ueberreſte ehemaliger zuſammenhängender Beſtände oder ob ſie hier ſo vereinzelt erwachſen ſeien. Wo wir die Lärche jetzt unter 2000 Fuß Seehöhe finden, da iſt ſie, wenn auch bereits in alten Beſtänden, immer erſt angebaut worden. Bekannt iſt es, daß die Lärche ſelbſt in dem frucht- baren Tieflande Deutſchlands, namentlich als Zierde der Baumgärten, ſehr verbreitet iſt. Aber hier erreicht ſie ſelten ein hohes Alter. Die zart ausſehende feinbenadelte Lärche zeigt ſich in ihrem Leben gleichwohl als hart und widerſtandskräftig; denn ſie fordert geradehin eine rauhe Lage um ihre vollendete Schönheit und Majeſtät zu entfalten und verfällt in dem warmen Klima der Ebene einem frühen Tode. Ihr Wuchs iſt außerordentlich auf die Längenausdehnung des Stammes und der Aeſte gerichtet, was ſich daraus erklärt, daß die meiſten Triebe Kurztriebe ſind und ſich die wenigen Längstriebe um ſo ſtärker entwickeln können. Die Quirlſtellung der Triebe, der Lärche als echtem Nadelbaume auch eigen, iſt doch nie ſo ſcharf hervortretend als bei den übrigen Nadel- hölzern. Der Gipfeltrieb iſt oft außerordentlich lang und hängt, da er meiſt auch ſehr dünn iſt, oben meiſt etwas über. Im Schluſſe, den die Lärche als Lichtbaum übrigens nicht dicht verträgt, reinigt ſie ſich bis hoch hinauf von den Aeſten und hat in dieſem Stande unter allen Bäumen 22*

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/373>, abgerufen am 17.06.2024.