welches übrigens allen Blättern einer solchen Buche ohne Ausnahme zukommt.
Wenn schon eine eichenblättrige Buche, die man in den Parkanlagen nur selten findet, einen von der normalen Form sehr verschiedenen Eindruck macht, so ist dies in noch viel höherem Grade bei der farren- blättrigen Buche, F. s. var. asplenifolia, (3.) der Fall. Die obersten Blätter der Triebe sind einfach-lanzettlich oder unten mit einem oder einigen spitzen Zipfeln versehen, wodurch sie den Wedeln mancher Farrenkräuter (Asplenium) ähnlich werden. Die tiefer am Triebe stehenden haben weniger tiefe Einschnitte und sind der Normalform zu- weilen noch ziemlich nahe. Diese Abart entfernt sich am weitesten von der Stammform und man kann sagen, daß bei ihr hinsichtlich der Blatt- gestaltung eine vollkommene Anarchie herrscht. Im Tharandter Forstgarten steht ein etwa 20 Fuß hohes, buschiges Exemplar dieser sonderbaren Abart, welche Niemand für eine Buche hält. Die langen schmalen Blätter der Triebspitzen geben ihrer Krone ein durchsichtiges, dürftiges, an keinen andern deutschen Baum erinnerndes Ansehen.
Endlich kommt wie bei vielen anderen Laubbäumen, sogar bei der Eiche, eine Abart mit trauerweidenartig hängenden Zweigen vor, die Hänge- oder Trauerbuche, F. s. var. pendula, und eine mit rost- braunen Blättern, F. s. var. ferruginea, die rostbraune oder Blut- Buche, vor. Jene hat wie diese normal gestaltete Blätter, nur daß bei jenen an den außerordentlich langen hängenden Langtrieben die oberen Blätter meist etwas länger und schmaler sind.
Mit Ausnahme der Blutbuche, welche wenigstens zum Theil aus dem Samen wiederkehrt, werden bisher alle diese Varietäten nur durch Pfropfen vermehrt. Wo sie zuerst gefunden worden seien, mag wohl Einzelnen bekannt sein, ist aber wenigstens nicht zur Kunde der Garten- und Forstbotanik gekommen. Höchst wahrscheinlich war es der Zufall, der im Walde oder einem Forstgarten das erste Exemplar fand, nachdem es durch eine, uns völlig unbekannte Störung des gesunden Lebensvor- gangs hervorgerufen worden war. Die Gartenindustrie beutete den glücklichen Fund durch Verkauf von Pfropfreisern aus, denn die Garten- kunst sucht und liebt ja das Ungewöhnliche und Seltene, und am meisten, je bizarrer es ist. Für den Wald hat keine dieser Abarten Bedeutung.
welches übrigens allen Blättern einer ſolchen Buche ohne Ausnahme zukommt.
Wenn ſchon eine eichenblättrige Buche, die man in den Parkanlagen nur ſelten findet, einen von der normalen Form ſehr verſchiedenen Eindruck macht, ſo iſt dies in noch viel höherem Grade bei der farren- blättrigen Buche, F. s. var. asplenifolia, (3.) der Fall. Die oberſten Blätter der Triebe ſind einfach-lanzettlich oder unten mit einem oder einigen ſpitzen Zipfeln verſehen, wodurch ſie den Wedeln mancher Farrenkräuter (Asplenium) ähnlich werden. Die tiefer am Triebe ſtehenden haben weniger tiefe Einſchnitte und ſind der Normalform zu- weilen noch ziemlich nahe. Dieſe Abart entfernt ſich am weiteſten von der Stammform und man kann ſagen, daß bei ihr hinſichtlich der Blatt- geſtaltung eine vollkommene Anarchie herrſcht. Im Tharandter Forſtgarten ſteht ein etwa 20 Fuß hohes, buſchiges Exemplar dieſer ſonderbaren Abart, welche Niemand für eine Buche hält. Die langen ſchmalen Blätter der Triebſpitzen geben ihrer Krone ein durchſichtiges, dürftiges, an keinen andern deutſchen Baum erinnerndes Anſehen.
Endlich kommt wie bei vielen anderen Laubbäumen, ſogar bei der Eiche, eine Abart mit trauerweidenartig hängenden Zweigen vor, die Hänge- oder Trauerbuche, F. s. var. pendula, und eine mit roſt- braunen Blättern, F. s. var. ferruginea, die roſtbraune oder Blut- Buche, vor. Jene hat wie dieſe normal geſtaltete Blätter, nur daß bei jenen an den außerordentlich langen hängenden Langtrieben die oberen Blätter meiſt etwas länger und ſchmaler ſind.
Mit Ausnahme der Blutbuche, welche wenigſtens zum Theil aus dem Samen wiederkehrt, werden bisher alle dieſe Varietäten nur durch Pfropfen vermehrt. Wo ſie zuerſt gefunden worden ſeien, mag wohl Einzelnen bekannt ſein, iſt aber wenigſtens nicht zur Kunde der Garten- und Forſtbotanik gekommen. Höchſt wahrſcheinlich war es der Zufall, der im Walde oder einem Forſtgarten das erſte Exemplar fand, nachdem es durch eine, uns völlig unbekannte Störung des geſunden Lebensvor- gangs hervorgerufen worden war. Die Garteninduſtrie beutete den glücklichen Fund durch Verkauf von Pfropfreiſern aus, denn die Garten- kunſt ſucht und liebt ja das Ungewöhnliche und Seltene, und am meiſten, je bizarrer es iſt. Für den Wald hat keine dieſer Abarten Bedeutung.
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welches übrigens allen Blättern einer ſolchen Buche ohne Ausnahme
zukommt.
Wenn ſchon eine eichenblättrige Buche, die man in den Parkanlagen
nur ſelten findet, einen von der normalen Form ſehr verſchiedenen
Eindruck macht, ſo iſt dies in noch viel höherem Grade bei der farren-
blättrigen Buche, F. s. var. asplenifolia, (3.) der Fall. Die
oberſten Blätter der Triebe ſind einfach-lanzettlich oder unten mit einem
oder einigen ſpitzen Zipfeln verſehen, wodurch ſie den Wedeln mancher
Farrenkräuter (Asplenium) ähnlich werden. Die tiefer am Triebe
ſtehenden haben weniger tiefe Einſchnitte und ſind der Normalform zu-
weilen noch ziemlich nahe. Dieſe Abart entfernt ſich am weiteſten von
der Stammform und man kann ſagen, daß bei ihr hinſichtlich der Blatt-
geſtaltung eine vollkommene Anarchie herrſcht. Im Tharandter Forſtgarten
ſteht ein etwa 20 Fuß hohes, buſchiges Exemplar dieſer ſonderbaren
Abart, welche Niemand für eine Buche hält. Die langen ſchmalen
Blätter der Triebſpitzen geben ihrer Krone ein durchſichtiges, dürftiges,
an keinen andern deutſchen Baum erinnerndes Anſehen.
Endlich kommt wie bei vielen anderen Laubbäumen, ſogar bei der
Eiche, eine Abart mit trauerweidenartig hängenden Zweigen vor, die
Hänge- oder Trauerbuche, F. s. var. pendula, und eine mit roſt-
braunen Blättern, F. s. var. ferruginea, die roſtbraune oder Blut-
Buche, vor. Jene hat wie dieſe normal geſtaltete Blätter, nur daß bei
jenen an den außerordentlich langen hängenden Langtrieben die oberen
Blätter meiſt etwas länger und ſchmaler ſind.
Mit Ausnahme der Blutbuche, welche wenigſtens zum Theil aus dem
Samen wiederkehrt, werden bisher alle dieſe Varietäten nur durch
Pfropfen vermehrt. Wo ſie zuerſt gefunden worden ſeien, mag wohl
Einzelnen bekannt ſein, iſt aber wenigſtens nicht zur Kunde der Garten-
und Forſtbotanik gekommen. Höchſt wahrſcheinlich war es der Zufall,
der im Walde oder einem Forſtgarten das erſte Exemplar fand, nachdem
es durch eine, uns völlig unbekannte Störung des geſunden Lebensvor-
gangs hervorgerufen worden war. Die Garteninduſtrie beutete den
glücklichen Fund durch Verkauf von Pfropfreiſern aus, denn die Garten-
kunſt ſucht und liebt ja das Ungewöhnliche und Seltene, und am meiſten,
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/408>, abgerufen am 23.12.2024.
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