Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Agens die Gallenbildung einleitet. Die Gestalt- und Stoffverhältnisse
der Gallen sind außerordentlich manchfaltig. Zur Seite der bekannten
kleinen apfelförmigen Gallen auf den Blättern stehen ganz absonderliche
Gebilde; einerseits eine so stark mit langen Haarzellen bedeckte Galle, daß
sie einem Bäuschchen Baumwolle täuschend ähnlich sieht; andererseits kleine
flache Gallen, welche man leicht für seideübersponnene Hemdenknöpfchen
halten könnte.

Bekannt ist, daß einige dieser Eichengallen ganz besonders reich an
Gerbstoff, Gallussäure, sind, welcher mit Eisenvitriol (schwefelsaurem Eisen-
oxydul) zum Schwarzfärben und zur Tintebereitung oder zum Gerben
benutzt wird. Die vorzugsweise sogenannten Galläpfel kommen von der
Färber-Gallwespe, Cynips tinctoria L., welche in Kleinasien auf der
Gallen-Eiche, Quercus infectoria, lebt. Die Knoppern sind die
zackigknolligen Gallen auf den Schüsselchen der gemeinen Eichen und der
Zerreiche, Quercus Cerris L., in Ungarn und werden durch den Stich
der Knoppern-Gallwespe, Cynips calicis L., hervorgebracht. Ich fand
in Ungarn eine auf einem kleinen Hügel im Walde freistehende Steineiche,
unter welcher der Boden dicht mit abgefallenen Knoppern bedeckt war.

Neben diesem Nutzen üben die Gallwespen einen schädlichen Einfluß
auf die Eichen nicht aus.

Noch ist ein schädliches Insekt, der Eichen-Werftkäfer, Lymexylon
navale L.,
zu nennen, welcher nicht an stehenden Eichen, sondern an
Eichenholz, namentlich auf den Schiffswerften zuweilen großen Schaden
anrichtet, in welchem er als Larve Gänge frißt und es dadurch unbrauchbar
zum Schiffsbau macht.

Ueber die Größe der forstlichen Bedeutung kann kein Zweifel
sein, da das Eichenholz zu sehr vielen Benutzungen durch kein anderes
Holz ersetzt werden kann. Es wird daher auf die forstliche Behand-
lung
überall, wo sie erzogen wird, eine ganz besondere Sorgfalt verwendet.

Aus dem uns bekannten Leben und Bedürfnissen der Sommereiche
geht hervor, daß der forstlichen Behandlung derselben mancherlei Schwierig-
keiten dadurch bereitet werden müssen; und wenn gleich uns beinahe auf
jeder Bodenart Eichen begegnen, so kann man doch nicht überall Eichen-
waldungen erziehen und ist dabei immer mehr auf Frische, Humusgehalt
und Tiefgründigkeit, als auf einen gewissen mineralischen Bestandtheil des

Agens die Gallenbildung einleitet. Die Geſtalt- und Stoffverhältniſſe
der Gallen ſind außerordentlich manchfaltig. Zur Seite der bekannten
kleinen apfelförmigen Gallen auf den Blättern ſtehen ganz abſonderliche
Gebilde; einerſeits eine ſo ſtark mit langen Haarzellen bedeckte Galle, daß
ſie einem Bäuſchchen Baumwolle täuſchend ähnlich ſieht; andererſeits kleine
flache Gallen, welche man leicht für ſeideüberſponnene Hemdenknöpfchen
halten könnte.

Bekannt iſt, daß einige dieſer Eichengallen ganz beſonders reich an
Gerbſtoff, Gallusſäure, ſind, welcher mit Eiſenvitriol (ſchwefelſaurem Eiſen-
oxydul) zum Schwarzfärben und zur Tintebereitung oder zum Gerben
benutzt wird. Die vorzugsweiſe ſogenannten Galläpfel kommen von der
Färber-Gallwespe, Cynips tinctoria L., welche in Kleinaſien auf der
Gallen-Eiche, Quercus infectoria, lebt. Die Knoppern ſind die
zackigknolligen Gallen auf den Schüſſelchen der gemeinen Eichen und der
Zerreiche, Quercus Cerris L., in Ungarn und werden durch den Stich
der Knoppern-Gallwespe, Cynips calicis L., hervorgebracht. Ich fand
in Ungarn eine auf einem kleinen Hügel im Walde freiſtehende Steineiche,
unter welcher der Boden dicht mit abgefallenen Knoppern bedeckt war.

Neben dieſem Nutzen üben die Gallwespen einen ſchädlichen Einfluß
auf die Eichen nicht aus.

Noch iſt ein ſchädliches Inſekt, der Eichen-Werftkäfer, Lymexylon
navale L.,
zu nennen, welcher nicht an ſtehenden Eichen, ſondern an
Eichenholz, namentlich auf den Schiffswerften zuweilen großen Schaden
anrichtet, in welchem er als Larve Gänge frißt und es dadurch unbrauchbar
zum Schiffsbau macht.

Ueber die Größe der forſtlichen Bedeutung kann kein Zweifel
ſein, da das Eichenholz zu ſehr vielen Benutzungen durch kein anderes
Holz erſetzt werden kann. Es wird daher auf die forſtliche Behand-
lung
überall, wo ſie erzogen wird, eine ganz beſondere Sorgfalt verwendet.

Aus dem uns bekannten Leben und Bedürfniſſen der Sommereiche
geht hervor, daß der forſtlichen Behandlung derſelben mancherlei Schwierig-
keiten dadurch bereitet werden müſſen; und wenn gleich uns beinahe auf
jeder Bodenart Eichen begegnen, ſo kann man doch nicht überall Eichen-
waldungen erziehen und iſt dabei immer mehr auf Friſche, Humusgehalt
und Tiefgründigkeit, als auf einen gewiſſen mineraliſchen Beſtandtheil des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0433" n="395"/>
Agens die Gallenbildung einleitet. Die Ge&#x017F;talt- und Stoffverhältni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
der Gallen &#x017F;ind außerordentlich manchfaltig. Zur Seite der bekannten<lb/>
kleinen apfelförmigen Gallen auf den Blättern &#x017F;tehen ganz ab&#x017F;onderliche<lb/>
Gebilde; einer&#x017F;eits eine &#x017F;o &#x017F;tark mit langen Haarzellen bedeckte Galle, daß<lb/>
&#x017F;ie einem Bäu&#x017F;chchen Baumwolle täu&#x017F;chend ähnlich &#x017F;ieht; anderer&#x017F;eits kleine<lb/>
flache Gallen, welche man leicht für &#x017F;eideüber&#x017F;ponnene Hemdenknöpfchen<lb/>
halten könnte.</p><lb/>
              <p>Bekannt i&#x017F;t, daß einige die&#x017F;er Eichengallen ganz be&#x017F;onders reich an<lb/>
Gerb&#x017F;toff, Gallus&#x017F;äure, &#x017F;ind, welcher mit Ei&#x017F;envitriol (&#x017F;chwefel&#x017F;aurem Ei&#x017F;en-<lb/>
oxydul) zum Schwarzfärben und zur Tintebereitung oder zum Gerben<lb/>
benutzt wird. Die vorzugswei&#x017F;e &#x017F;ogenannten <hi rendition="#g">Galläpfel</hi> kommen von der<lb/><hi rendition="#g">Färber-Gallwespe,</hi> <hi rendition="#aq">Cynips tinctoria L.,</hi> welche in Kleina&#x017F;ien auf der<lb/><hi rendition="#g">Gallen-Eiche,</hi> <hi rendition="#aq">Quercus infectoria,</hi> lebt. Die <hi rendition="#g">Knoppern</hi> &#x017F;ind die<lb/>
zackigknolligen Gallen auf den Schü&#x017F;&#x017F;elchen der gemeinen Eichen und der<lb/><hi rendition="#g">Zerreiche,</hi> <hi rendition="#aq">Quercus Cerris L.,</hi> in Ungarn und werden durch den Stich<lb/>
der <hi rendition="#g">Knoppern-Gallwespe,</hi> <hi rendition="#aq">Cynips calicis L.,</hi> hervorgebracht. Ich fand<lb/>
in Ungarn eine auf einem kleinen Hügel im Walde frei&#x017F;tehende Steineiche,<lb/>
unter welcher der Boden dicht mit abgefallenen Knoppern bedeckt war.</p><lb/>
              <p>Neben die&#x017F;em Nutzen üben die Gallwespen einen &#x017F;chädlichen Einfluß<lb/>
auf die Eichen nicht aus.</p><lb/>
              <p>Noch i&#x017F;t ein &#x017F;chädliches In&#x017F;ekt, der <hi rendition="#g">Eichen-Werftkäfer,</hi> <hi rendition="#aq">Lymexylon<lb/>
navale L.,</hi> zu nennen, welcher nicht an &#x017F;tehenden Eichen, &#x017F;ondern an<lb/>
Eichenholz, namentlich auf den Schiffswerften zuweilen großen Schaden<lb/>
anrichtet, in welchem er als Larve Gänge frißt und es dadurch unbrauchbar<lb/>
zum Schiffsbau macht.</p><lb/>
              <p>Ueber die Größe der <hi rendition="#g">for&#x017F;tlichen Bedeutung</hi> kann kein Zweifel<lb/>
&#x017F;ein, da das Eichenholz zu &#x017F;ehr vielen Benutzungen durch kein anderes<lb/>
Holz er&#x017F;etzt werden kann. Es wird daher auf die <hi rendition="#g">for&#x017F;tliche Behand-<lb/>
lung</hi> überall, wo &#x017F;ie erzogen wird, eine ganz be&#x017F;ondere Sorgfalt verwendet.</p><lb/>
              <p>Aus dem uns bekannten Leben und Bedürfni&#x017F;&#x017F;en der Sommereiche<lb/>
geht hervor, daß der for&#x017F;tlichen Behandlung der&#x017F;elben mancherlei Schwierig-<lb/>
keiten dadurch bereitet werden mü&#x017F;&#x017F;en; und wenn gleich uns beinahe auf<lb/>
jeder Bodenart Eichen begegnen, &#x017F;o kann man doch nicht überall Eichen-<lb/>
waldungen erziehen und i&#x017F;t dabei immer mehr auf Fri&#x017F;che, Humusgehalt<lb/>
und Tiefgründigkeit, als auf einen gewi&#x017F;&#x017F;en minerali&#x017F;chen Be&#x017F;tandtheil des<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[395/0433] Agens die Gallenbildung einleitet. Die Geſtalt- und Stoffverhältniſſe der Gallen ſind außerordentlich manchfaltig. Zur Seite der bekannten kleinen apfelförmigen Gallen auf den Blättern ſtehen ganz abſonderliche Gebilde; einerſeits eine ſo ſtark mit langen Haarzellen bedeckte Galle, daß ſie einem Bäuſchchen Baumwolle täuſchend ähnlich ſieht; andererſeits kleine flache Gallen, welche man leicht für ſeideüberſponnene Hemdenknöpfchen halten könnte. Bekannt iſt, daß einige dieſer Eichengallen ganz beſonders reich an Gerbſtoff, Gallusſäure, ſind, welcher mit Eiſenvitriol (ſchwefelſaurem Eiſen- oxydul) zum Schwarzfärben und zur Tintebereitung oder zum Gerben benutzt wird. Die vorzugsweiſe ſogenannten Galläpfel kommen von der Färber-Gallwespe, Cynips tinctoria L., welche in Kleinaſien auf der Gallen-Eiche, Quercus infectoria, lebt. Die Knoppern ſind die zackigknolligen Gallen auf den Schüſſelchen der gemeinen Eichen und der Zerreiche, Quercus Cerris L., in Ungarn und werden durch den Stich der Knoppern-Gallwespe, Cynips calicis L., hervorgebracht. Ich fand in Ungarn eine auf einem kleinen Hügel im Walde freiſtehende Steineiche, unter welcher der Boden dicht mit abgefallenen Knoppern bedeckt war. Neben dieſem Nutzen üben die Gallwespen einen ſchädlichen Einfluß auf die Eichen nicht aus. Noch iſt ein ſchädliches Inſekt, der Eichen-Werftkäfer, Lymexylon navale L., zu nennen, welcher nicht an ſtehenden Eichen, ſondern an Eichenholz, namentlich auf den Schiffswerften zuweilen großen Schaden anrichtet, in welchem er als Larve Gänge frißt und es dadurch unbrauchbar zum Schiffsbau macht. Ueber die Größe der forſtlichen Bedeutung kann kein Zweifel ſein, da das Eichenholz zu ſehr vielen Benutzungen durch kein anderes Holz erſetzt werden kann. Es wird daher auf die forſtliche Behand- lung überall, wo ſie erzogen wird, eine ganz beſondere Sorgfalt verwendet. Aus dem uns bekannten Leben und Bedürfniſſen der Sommereiche geht hervor, daß der forſtlichen Behandlung derſelben mancherlei Schwierig- keiten dadurch bereitet werden müſſen; und wenn gleich uns beinahe auf jeder Bodenart Eichen begegnen, ſo kann man doch nicht überall Eichen- waldungen erziehen und iſt dabei immer mehr auf Friſche, Humusgehalt und Tiefgründigkeit, als auf einen gewiſſen mineraliſchen Beſtandtheil des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/433
Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/433>, abgerufen am 23.12.2024.