Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

selbst wenig durch natürlichen Aufschlag, der meist vertrocknet und ver-
dämmt wird, sondern am allgemeinsten durch Pflanzung 2--5 jähriger
Pflänzlinge erzogen, welche gewöhnlich nicht in Saatgärten erzogen, sondern
aus den Schlägen genommen werden, wo sie aus Anflug von selbst
erwuchsen.

Die Benutzung der Birke, vom Besen und der züchtigenden Ruthe
bis zum Kleiderschrank und zur Schlittenkufe, ist eine sehr manchfache und
es ist an ihr Alles nutzbar. Namentlich das dichte, feine und sehr zähe
Holz findet die verschiedenste Verwendung: zu Leiterbäumen, Felgen und
Deichseln der Wirthschaftswagen, zu Radzähnen, Drillingen und Getrieben
in Mühlen, zu Mulden u. s. w. Als Möbelholz ist namentlich das
wimmerig gewachsene Birkenholz und zu Gewehrschäften, Pfeifenköpfen
und anderen kleinen Gegenständen der Birkenmaser sehr gesucht. Sowohl
das Holz wie die Kohle giebt eine helle, starke und wenig dampfende
Flamme. Die Rinde, namentlich die dicke aufgerissene des Stammendes,
dient als fast unverweslich an steinarmen Orten als Unterlage für Schwellen
im Feuchten. Allein oder mit Porst, Ledum palustre, destillirt giebt die
alte Birkenrinde das Rußöl oder den Birkentheer (Dagget), welcher zur
Juchtenbereitung dient.

Aus der Rindenhaut werden in Rußland Tabaksdosen und selbst große
Schachteln und Hohlmaaße gemacht; jedoch scheint es nicht die gemeine
Birke zu sein, welche hierzu die auch nicht kreideartig weiße und abfärbende
lederartige Rinde liefert.

Aus der Birke fließt im Mai ein zuckerhaltiges Wasser, wenn man
an der Südseite des Stammes 1--2 Zoll tiefe Löcher bohrt und eine
Federkiel oder ein ähnliches Röhrchen hineinsteckt. Aus diesem Saft wird
durch verschiedene Behandlung und Zusätze ein honig- oder meth-artiges
oder weiniges Getränk bereitet. Nach Beendigung dieses Saftflusses muß
man die ganzen Löcher mit Baumwachs wieder zustreichen.

Was die beiden anderen deutschen Birkenarten -- außer zwei nachher
noch zu erwähnenden weiteren strauchartigen -- die flaumhaarige
oder Ruchbirke, Betula pubescens Ehrh. (B. odorata Bechst.) oder die
klebrige B., B. glutinosa Wallroth betrifft, so sind die Meinungen über
ihre Artgültigkeit noch sehr getheilt, weil sie gegenüber der gemeinen Birke
auf sehr unsicheren und geringfügigen Unterscheidungskennzeichen beruhen.

ſelbſt wenig durch natürlichen Aufſchlag, der meiſt vertrocknet und ver-
dämmt wird, ſondern am allgemeinſten durch Pflanzung 2—5 jähriger
Pflänzlinge erzogen, welche gewöhnlich nicht in Saatgärten erzogen, ſondern
aus den Schlägen genommen werden, wo ſie aus Anflug von ſelbſt
erwuchſen.

Die Benutzung der Birke, vom Beſen und der züchtigenden Ruthe
bis zum Kleiderſchrank und zur Schlittenkufe, iſt eine ſehr manchfache und
es iſt an ihr Alles nutzbar. Namentlich das dichte, feine und ſehr zähe
Holz findet die verſchiedenſte Verwendung: zu Leiterbäumen, Felgen und
Deichſeln der Wirthſchaftswagen, zu Radzähnen, Drillingen und Getrieben
in Mühlen, zu Mulden u. ſ. w. Als Möbelholz iſt namentlich das
wimmerig gewachſene Birkenholz und zu Gewehrſchäften, Pfeifenköpfen
und anderen kleinen Gegenſtänden der Birkenmaſer ſehr geſucht. Sowohl
das Holz wie die Kohle giebt eine helle, ſtarke und wenig dampfende
Flamme. Die Rinde, namentlich die dicke aufgeriſſene des Stammendes,
dient als faſt unverweslich an ſteinarmen Orten als Unterlage für Schwellen
im Feuchten. Allein oder mit Porſt, Ledum palustre, deſtillirt giebt die
alte Birkenrinde das Rußöl oder den Birkentheer (Dagget), welcher zur
Juchtenbereitung dient.

Aus der Rindenhaut werden in Rußland Tabaksdoſen und ſelbſt große
Schachteln und Hohlmaaße gemacht; jedoch ſcheint es nicht die gemeine
Birke zu ſein, welche hierzu die auch nicht kreideartig weiße und abfärbende
lederartige Rinde liefert.

Aus der Birke fließt im Mai ein zuckerhaltiges Waſſer, wenn man
an der Südſeite des Stammes 1—2 Zoll tiefe Löcher bohrt und eine
Federkiel oder ein ähnliches Röhrchen hineinſteckt. Aus dieſem Saft wird
durch verſchiedene Behandlung und Zuſätze ein honig- oder meth-artiges
oder weiniges Getränk bereitet. Nach Beendigung dieſes Saftfluſſes muß
man die ganzen Löcher mit Baumwachs wieder zuſtreichen.

Was die beiden anderen deutſchen Birkenarten — außer zwei nachher
noch zu erwähnenden weiteren ſtrauchartigen — die flaumhaarige
oder Ruchbirke, Betula pubescens Ehrh. (B. odorata Bechst.) oder die
klebrige B., B. glutinosa Wallroth betrifft, ſo ſind die Meinungen über
ihre Artgültigkeit noch ſehr getheilt, weil ſie gegenüber der gemeinen Birke
auf ſehr unſicheren und geringfügigen Unterſcheidungskennzeichen beruhen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0480" n="436"/>
&#x017F;elb&#x017F;t wenig durch natürlichen Auf&#x017F;chlag, der mei&#x017F;t vertrocknet und ver-<lb/>
dämmt wird, &#x017F;ondern am allgemein&#x017F;ten durch Pflanzung 2&#x2014;5 jähriger<lb/>
Pflänzlinge erzogen, welche gewöhnlich nicht in Saatgärten erzogen, &#x017F;ondern<lb/>
aus den Schlägen genommen werden, wo &#x017F;ie aus Anflug von &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
erwuch&#x017F;en.</p><lb/>
              <p>Die <hi rendition="#g">Benutzung</hi> der Birke, vom Be&#x017F;en und der züchtigenden Ruthe<lb/>
bis zum Kleider&#x017F;chrank und zur Schlittenkufe, i&#x017F;t eine &#x017F;ehr manchfache und<lb/>
es i&#x017F;t an ihr Alles nutzbar. Namentlich das dichte, feine und &#x017F;ehr zähe<lb/>
Holz findet die ver&#x017F;chieden&#x017F;te Verwendung: zu Leiterbäumen, Felgen und<lb/>
Deich&#x017F;eln der Wirth&#x017F;chaftswagen, zu Radzähnen, Drillingen und Getrieben<lb/>
in Mühlen, zu Mulden u. &#x017F;. w. Als Möbelholz i&#x017F;t namentlich das<lb/>
wimmerig gewach&#x017F;ene Birkenholz und zu Gewehr&#x017F;chäften, Pfeifenköpfen<lb/>
und anderen kleinen Gegen&#x017F;tänden der Birkenma&#x017F;er &#x017F;ehr ge&#x017F;ucht. Sowohl<lb/>
das Holz wie die Kohle giebt eine helle, &#x017F;tarke und wenig dampfende<lb/>
Flamme. Die Rinde, namentlich die dicke aufgeri&#x017F;&#x017F;ene des Stammendes,<lb/>
dient als fa&#x017F;t unverweslich an &#x017F;teinarmen Orten als Unterlage für Schwellen<lb/>
im Feuchten. Allein oder mit Por&#x017F;t, <hi rendition="#aq">Ledum palustre,</hi> de&#x017F;tillirt giebt die<lb/>
alte Birkenrinde das Rußöl oder den Birkentheer (Dagget), welcher zur<lb/>
Juchtenbereitung dient.</p><lb/>
              <p>Aus der Rindenhaut werden in Rußland Tabaksdo&#x017F;en und &#x017F;elb&#x017F;t große<lb/>
Schachteln und Hohlmaaße gemacht; jedoch &#x017F;cheint es nicht die gemeine<lb/>
Birke zu &#x017F;ein, welche hierzu die auch nicht kreideartig weiße und abfärbende<lb/>
lederartige Rinde liefert.</p><lb/>
              <p>Aus der Birke fließt im Mai ein zuckerhaltiges Wa&#x017F;&#x017F;er, wenn man<lb/>
an der Süd&#x017F;eite des Stammes 1&#x2014;2 Zoll tiefe Löcher bohrt und eine<lb/>
Federkiel oder ein ähnliches Röhrchen hinein&#x017F;teckt. Aus die&#x017F;em Saft wird<lb/>
durch ver&#x017F;chiedene Behandlung und Zu&#x017F;ätze ein honig- oder meth-artiges<lb/>
oder weiniges Getränk bereitet. Nach Beendigung die&#x017F;es Saftflu&#x017F;&#x017F;es muß<lb/>
man die ganzen Löcher mit Baumwachs wieder zu&#x017F;treichen.</p><lb/>
              <p>Was die beiden anderen deut&#x017F;chen Birkenarten &#x2014; außer zwei nachher<lb/>
noch zu erwähnenden weiteren &#x017F;trauchartigen &#x2014; die <hi rendition="#g">flaumhaarige</hi><lb/>
oder <hi rendition="#g">Ruchbirke</hi>, <hi rendition="#aq">Betula pubescens Ehrh. (B. odorata Bechst.)</hi> oder die<lb/><hi rendition="#g">klebrige</hi> B., <hi rendition="#aq">B. glutinosa Wallroth</hi> betrifft, &#x017F;o &#x017F;ind die Meinungen über<lb/>
ihre Artgültigkeit noch &#x017F;ehr getheilt, weil &#x017F;ie gegenüber der gemeinen Birke<lb/>
auf &#x017F;ehr un&#x017F;icheren und geringfügigen Unter&#x017F;cheidungskennzeichen beruhen.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[436/0480] ſelbſt wenig durch natürlichen Aufſchlag, der meiſt vertrocknet und ver- dämmt wird, ſondern am allgemeinſten durch Pflanzung 2—5 jähriger Pflänzlinge erzogen, welche gewöhnlich nicht in Saatgärten erzogen, ſondern aus den Schlägen genommen werden, wo ſie aus Anflug von ſelbſt erwuchſen. Die Benutzung der Birke, vom Beſen und der züchtigenden Ruthe bis zum Kleiderſchrank und zur Schlittenkufe, iſt eine ſehr manchfache und es iſt an ihr Alles nutzbar. Namentlich das dichte, feine und ſehr zähe Holz findet die verſchiedenſte Verwendung: zu Leiterbäumen, Felgen und Deichſeln der Wirthſchaftswagen, zu Radzähnen, Drillingen und Getrieben in Mühlen, zu Mulden u. ſ. w. Als Möbelholz iſt namentlich das wimmerig gewachſene Birkenholz und zu Gewehrſchäften, Pfeifenköpfen und anderen kleinen Gegenſtänden der Birkenmaſer ſehr geſucht. Sowohl das Holz wie die Kohle giebt eine helle, ſtarke und wenig dampfende Flamme. Die Rinde, namentlich die dicke aufgeriſſene des Stammendes, dient als faſt unverweslich an ſteinarmen Orten als Unterlage für Schwellen im Feuchten. Allein oder mit Porſt, Ledum palustre, deſtillirt giebt die alte Birkenrinde das Rußöl oder den Birkentheer (Dagget), welcher zur Juchtenbereitung dient. Aus der Rindenhaut werden in Rußland Tabaksdoſen und ſelbſt große Schachteln und Hohlmaaße gemacht; jedoch ſcheint es nicht die gemeine Birke zu ſein, welche hierzu die auch nicht kreideartig weiße und abfärbende lederartige Rinde liefert. Aus der Birke fließt im Mai ein zuckerhaltiges Waſſer, wenn man an der Südſeite des Stammes 1—2 Zoll tiefe Löcher bohrt und eine Federkiel oder ein ähnliches Röhrchen hineinſteckt. Aus dieſem Saft wird durch verſchiedene Behandlung und Zuſätze ein honig- oder meth-artiges oder weiniges Getränk bereitet. Nach Beendigung dieſes Saftfluſſes muß man die ganzen Löcher mit Baumwachs wieder zuſtreichen. Was die beiden anderen deutſchen Birkenarten — außer zwei nachher noch zu erwähnenden weiteren ſtrauchartigen — die flaumhaarige oder Ruchbirke, Betula pubescens Ehrh. (B. odorata Bechst.) oder die klebrige B., B. glutinosa Wallroth betrifft, ſo ſind die Meinungen über ihre Artgültigkeit noch ſehr getheilt, weil ſie gegenüber der gemeinen Birke auf ſehr unſicheren und geringfügigen Unterſcheidungskennzeichen beruhen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/480
Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/480>, abgerufen am 23.12.2024.