Von dem Blatte, der Deckschuppe des Fruchtzäpfchens und der Frucht beider geben uns Fig. 4. und 5. LXVI. ein Bild, nach Exemplaren des Tharander forstbotanischen Herbariums. Man sieht, daß sich die Blatt- form der Ruchbirke -- wegen der dunkeln Rinde der jungen Triebe auch Schwarzbirke genannt -- am weitesten von der der gemeinen Birke entfernt. Th. Hartig, einer der gründlichsten Kenner der Waldbäume, sagt von ihr: sie unterscheidet sich von der gemeinen Birke "ferner durch mehr horizontale Verbreitung der starken Aeste alter Bäume und durch ein grobfaseriges Holz, zeigt sonst dieselbe Stammbildung und Stamm- höhe, wie die weiße Birke, mit der sie an feuchten Stellen fast überall in Deutschland in einzelnen Exemplaren gemengt gefunden wird. Sie verträgt größere Bodennässe und findet sich daher nicht selten in Untermengung mit der Erle, wo jene zurückbleibt; dahingegen nimmt sie nicht mit so trockenem Standorte verlieb. Alles Uebrige hat sie mit der Weißbirke gemein."
Ueberlassen wir es der berufsmäßigen Forschung, in das Dunkel der deutschen Birkenarten entscheidendes Licht zu bringen; für uns verschmelzen sie in den schönen Begriff des eleganten weißschaftigen Baumes, den wir überall wo wir ihm begegnen, mit Wohlgefallen sehen. Wie zur Weih- nachtszeit die Fichte oder einer der beiden anderen unserer drei verbreitetsten Nadelbäume der Gegenstand eines sinnigen Baumkultus ist, so hat "Pfingsten, das liebliche Fest" sich die Birke, von ihm allgemein, aber auch nur von ihm "Maie" genannt, erkoren, um den festlich gesäuberten Wohnräumen durch sie den duftenden Schmuck der nun voll und ganz wiedererwachten Natur zu verleihen, oder, zu beiden Seiten der Hausthür aufgestellt, den Zugang zu den Penaten zu einem einzigen kurzen Schritte aus den Hallen des Waldes zu machen und so die engere Wohnung an die allgemeine und gemeinsame Heimath, die Natur, anzuknüpfen.
Wir haben jedoch noch 2 nichtstreitige deutsche Birken wenigstens kurz zu erwähnen, welche aber niemals zu Bäumen erwachsen, sondern niedere Sträucher sind.
Von dem Blatte, der Deckſchuppe des Fruchtzäpfchens und der Frucht beider geben uns Fig. 4. und 5. LXVI. ein Bild, nach Exemplaren des Tharander forſtbotaniſchen Herbariums. Man ſieht, daß ſich die Blatt- form der Ruchbirke — wegen der dunkeln Rinde der jungen Triebe auch Schwarzbirke genannt — am weiteſten von der der gemeinen Birke entfernt. Th. Hartig, einer der gründlichſten Kenner der Waldbäume, ſagt von ihr: ſie unterſcheidet ſich von der gemeinen Birke „ferner durch mehr horizontale Verbreitung der ſtarken Aeſte alter Bäume und durch ein grobfaſeriges Holz, zeigt ſonſt dieſelbe Stammbildung und Stamm- höhe, wie die weiße Birke, mit der ſie an feuchten Stellen faſt überall in Deutſchland in einzelnen Exemplaren gemengt gefunden wird. Sie verträgt größere Bodennäſſe und findet ſich daher nicht ſelten in Untermengung mit der Erle, wo jene zurückbleibt; dahingegen nimmt ſie nicht mit ſo trockenem Standorte verlieb. Alles Uebrige hat ſie mit der Weißbirke gemein.“
Ueberlaſſen wir es der berufsmäßigen Forſchung, in das Dunkel der deutſchen Birkenarten entſcheidendes Licht zu bringen; für uns verſchmelzen ſie in den ſchönen Begriff des eleganten weißſchaftigen Baumes, den wir überall wo wir ihm begegnen, mit Wohlgefallen ſehen. Wie zur Weih- nachtszeit die Fichte oder einer der beiden anderen unſerer drei verbreitetſten Nadelbäume der Gegenſtand eines ſinnigen Baumkultus iſt, ſo hat „Pfingſten, das liebliche Feſt“ ſich die Birke, von ihm allgemein, aber auch nur von ihm „Maie“ genannt, erkoren, um den feſtlich geſäuberten Wohnräumen durch ſie den duftenden Schmuck der nun voll und ganz wiedererwachten Natur zu verleihen, oder, zu beiden Seiten der Hausthür aufgeſtellt, den Zugang zu den Penaten zu einem einzigen kurzen Schritte aus den Hallen des Waldes zu machen und ſo die engere Wohnung an die allgemeine und gemeinſame Heimath, die Natur, anzuknüpfen.
Wir haben jedoch noch 2 nichtſtreitige deutſche Birken wenigſtens kurz zu erwähnen, welche aber niemals zu Bäumen erwachſen, ſondern niedere Sträucher ſind.
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Von dem Blatte, der Deckſchuppe des Fruchtzäpfchens und der Frucht
beider geben uns Fig. 4. und 5. LXVI. ein Bild, nach Exemplaren des
Tharander forſtbotaniſchen Herbariums. Man ſieht, daß ſich die Blatt-
form der Ruchbirke — wegen der dunkeln Rinde der jungen Triebe auch
Schwarzbirke genannt — am weiteſten von der der gemeinen Birke
entfernt. Th. Hartig, einer der gründlichſten Kenner der Waldbäume,
ſagt von ihr: ſie unterſcheidet ſich von der gemeinen Birke „ferner durch
mehr horizontale Verbreitung der ſtarken Aeſte alter Bäume und durch
ein grobfaſeriges Holz, zeigt ſonſt dieſelbe Stammbildung und Stamm-
höhe, wie die weiße Birke, mit der ſie an feuchten Stellen faſt überall in
Deutſchland in einzelnen Exemplaren gemengt gefunden wird. Sie verträgt
größere Bodennäſſe und findet ſich daher nicht ſelten in Untermengung
mit der Erle, wo jene zurückbleibt; dahingegen nimmt ſie nicht mit ſo
trockenem Standorte verlieb. Alles Uebrige hat ſie mit der Weißbirke
gemein.“
Ueberlaſſen wir es der berufsmäßigen Forſchung, in das Dunkel der
deutſchen Birkenarten entſcheidendes Licht zu bringen; für uns verſchmelzen
ſie in den ſchönen Begriff des eleganten weißſchaftigen Baumes, den wir
überall wo wir ihm begegnen, mit Wohlgefallen ſehen. Wie zur Weih-
nachtszeit die Fichte oder einer der beiden anderen unſerer drei verbreitetſten
Nadelbäume der Gegenſtand eines ſinnigen Baumkultus iſt, ſo hat „Pfingſten,
das liebliche Feſt“ ſich die Birke, von ihm allgemein, aber auch nur von
ihm „Maie“ genannt, erkoren, um den feſtlich geſäuberten Wohnräumen
durch ſie den duftenden Schmuck der nun voll und ganz wiedererwachten
Natur zu verleihen, oder, zu beiden Seiten der Hausthür aufgeſtellt, den
Zugang zu den Penaten zu einem einzigen kurzen Schritte aus den Hallen
des Waldes zu machen und ſo die engere Wohnung an die allgemeine und
gemeinſame Heimath, die Natur, anzuknüpfen.
Wir haben jedoch noch 2 nichtſtreitige deutſche Birken wenigſtens
kurz zu erwähnen, welche aber niemals zu Bäumen erwachſen, ſondern
niedere Sträucher ſind.
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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/481>, abgerufen am 23.12.2024.
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