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Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

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immer gröberem Granitsand bestehend; und an stehenden Gebirgswänden
kann man diesen zerfällenden Einfluß des Wassers, der fast immer auch
mit Verfärbung und Erweichung der einzelnen Bestandtheile verbunden
ist, oft bis in beträchtliche Tiefe verfolgen.

Wenn wir uns nun hierbei an die so höchst manchfaltigen Zusammen-
hangsverhältnisse (Cohäsion) der verschiedenen Gebirgsarten erinnern, vom
harten Basalt an bis zu dem weichen Schieferthon und dem ganz zu-
sammenhangslosen Sande, so ergiebt sich von selbst, wie verschieden schon
nach der Gesteinsbeschaffenheit der Waldboden sein kann. Die eine Ge-
steinsart zerfällt leicht, die andere schwer, die eine zerfällt in dünne
Schieferplatten, eine andere in kleinere oder größere ungestaltete Blöcke,
eine dritte in losen Schotter; die eine löst sich dabei zugleich stark auf,
die andere sehr wenig u. s. w. Dabei ist es zuweilen von dem erheblichsten
Einfluß, ob ein Waldboden bis zu der Tiefe, bis zu welcher überhaupt
die Wurzeln eindringen mögen, von einer und derselben Gebirgsart ge-
bildet wird, oder ob innerhalb der Wurzeltiefe bald eine zweite, vielleicht
ganz anders beschaffene, folgt.

Man sieht zuweilen Eichenbestände, welche an allen Bäumen deutlich
wahrnehmen lassen, daß sie bis zu einem gewissen Alter gesund und
kräftig erwachsen, dann aber sämmtlich wipfeldürr geworden sind. Zählen
wir die Jahresringe einer solchen Eiche, so sehen wir, daß nicht das
Alter am Absterben schuld gewesen sein kann. Der Boden zeigt sich außer-
ordentlich fruchtbar und diese oberflächliche Untersuchung läßt uns die
Sache als ein Räthsel erscheinen. Die Lösung liegt nicht tief, vielleicht
nur einige Fuß tief. Dort liegt nämlich eine undurchlassende feste Kies-
schicht, oder eine Muschelkalkbank, oder selbst nur eine feste Thonschicht,
in welcher die tiefer dringenden Wurzeln nicht weiter können, was ein
Absterben des Wipfel verursacht.

Wie aus diesem Beispiel erhellt, daß schon allein der mechanische
Widerstand des Bodens einen nachtheiligen Einfluß auf das Gedeihen des
Waldes ausübt, so ist überhaupt anzunehmen, daß die physikalischen Eigen-
schaften, wie Erwärmungsfähigkeit, Lockerheit, Wasserhaltigkeit, Tiefgrün-
digkeit, von bedeutenderem Einfluß sind, als die chemischen. Wenn z. B.
auf den Höhen der aus Jurakalk bestehenden schwäbischen Alp ein geringerer
Waldwuchs ist als auf den Gneis- und Granit-Kuppen des Schwarzwaldes,

immer gröberem Granitſand beſtehend; und an ſtehenden Gebirgswänden
kann man dieſen zerfällenden Einfluß des Waſſers, der faſt immer auch
mit Verfärbung und Erweichung der einzelnen Beſtandtheile verbunden
iſt, oft bis in beträchtliche Tiefe verfolgen.

Wenn wir uns nun hierbei an die ſo höchſt manchfaltigen Zuſammen-
hangsverhältniſſe (Cohäſion) der verſchiedenen Gebirgsarten erinnern, vom
harten Baſalt an bis zu dem weichen Schieferthon und dem ganz zu-
ſammenhangsloſen Sande, ſo ergiebt ſich von ſelbſt, wie verſchieden ſchon
nach der Geſteinsbeſchaffenheit der Waldboden ſein kann. Die eine Ge-
ſteinsart zerfällt leicht, die andere ſchwer, die eine zerfällt in dünne
Schieferplatten, eine andere in kleinere oder größere ungeſtaltete Blöcke,
eine dritte in loſen Schotter; die eine löſt ſich dabei zugleich ſtark auf,
die andere ſehr wenig u. ſ. w. Dabei iſt es zuweilen von dem erheblichſten
Einfluß, ob ein Waldboden bis zu der Tiefe, bis zu welcher überhaupt
die Wurzeln eindringen mögen, von einer und derſelben Gebirgsart ge-
bildet wird, oder ob innerhalb der Wurzeltiefe bald eine zweite, vielleicht
ganz anders beſchaffene, folgt.

Man ſieht zuweilen Eichenbeſtände, welche an allen Bäumen deutlich
wahrnehmen laſſen, daß ſie bis zu einem gewiſſen Alter geſund und
kräftig erwachſen, dann aber ſämmtlich wipfeldürr geworden ſind. Zählen
wir die Jahresringe einer ſolchen Eiche, ſo ſehen wir, daß nicht das
Alter am Abſterben ſchuld geweſen ſein kann. Der Boden zeigt ſich außer-
ordentlich fruchtbar und dieſe oberflächliche Unterſuchung läßt uns die
Sache als ein Räthſel erſcheinen. Die Löſung liegt nicht tief, vielleicht
nur einige Fuß tief. Dort liegt nämlich eine undurchlaſſende feſte Kies-
ſchicht, oder eine Muſchelkalkbank, oder ſelbſt nur eine feſte Thonſchicht,
in welcher die tiefer dringenden Wurzeln nicht weiter können, was ein
Abſterben des Wipfel verurſacht.

Wie aus dieſem Beiſpiel erhellt, daß ſchon allein der mechaniſche
Widerſtand des Bodens einen nachtheiligen Einfluß auf das Gedeihen des
Waldes ausübt, ſo iſt überhaupt anzunehmen, daß die phyſikaliſchen Eigen-
ſchaften, wie Erwärmungsfähigkeit, Lockerheit, Waſſerhaltigkeit, Tiefgrün-
digkeit, von bedeutenderem Einfluß ſind, als die chemiſchen. Wenn z. B.
auf den Höhen der aus Jurakalk beſtehenden ſchwäbiſchen Alp ein geringerer
Waldwuchs iſt als auf den Gneis- und Granit-Kuppen des Schwarzwaldes,

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[45/0069] immer gröberem Granitſand beſtehend; und an ſtehenden Gebirgswänden kann man dieſen zerfällenden Einfluß des Waſſers, der faſt immer auch mit Verfärbung und Erweichung der einzelnen Beſtandtheile verbunden iſt, oft bis in beträchtliche Tiefe verfolgen. Wenn wir uns nun hierbei an die ſo höchſt manchfaltigen Zuſammen- hangsverhältniſſe (Cohäſion) der verſchiedenen Gebirgsarten erinnern, vom harten Baſalt an bis zu dem weichen Schieferthon und dem ganz zu- ſammenhangsloſen Sande, ſo ergiebt ſich von ſelbſt, wie verſchieden ſchon nach der Geſteinsbeſchaffenheit der Waldboden ſein kann. Die eine Ge- ſteinsart zerfällt leicht, die andere ſchwer, die eine zerfällt in dünne Schieferplatten, eine andere in kleinere oder größere ungeſtaltete Blöcke, eine dritte in loſen Schotter; die eine löſt ſich dabei zugleich ſtark auf, die andere ſehr wenig u. ſ. w. Dabei iſt es zuweilen von dem erheblichſten Einfluß, ob ein Waldboden bis zu der Tiefe, bis zu welcher überhaupt die Wurzeln eindringen mögen, von einer und derſelben Gebirgsart ge- bildet wird, oder ob innerhalb der Wurzeltiefe bald eine zweite, vielleicht ganz anders beſchaffene, folgt. Man ſieht zuweilen Eichenbeſtände, welche an allen Bäumen deutlich wahrnehmen laſſen, daß ſie bis zu einem gewiſſen Alter geſund und kräftig erwachſen, dann aber ſämmtlich wipfeldürr geworden ſind. Zählen wir die Jahresringe einer ſolchen Eiche, ſo ſehen wir, daß nicht das Alter am Abſterben ſchuld geweſen ſein kann. Der Boden zeigt ſich außer- ordentlich fruchtbar und dieſe oberflächliche Unterſuchung läßt uns die Sache als ein Räthſel erſcheinen. Die Löſung liegt nicht tief, vielleicht nur einige Fuß tief. Dort liegt nämlich eine undurchlaſſende feſte Kies- ſchicht, oder eine Muſchelkalkbank, oder ſelbſt nur eine feſte Thonſchicht, in welcher die tiefer dringenden Wurzeln nicht weiter können, was ein Abſterben des Wipfel verurſacht. Wie aus dieſem Beiſpiel erhellt, daß ſchon allein der mechaniſche Widerſtand des Bodens einen nachtheiligen Einfluß auf das Gedeihen des Waldes ausübt, ſo iſt überhaupt anzunehmen, daß die phyſikaliſchen Eigen- ſchaften, wie Erwärmungsfähigkeit, Lockerheit, Waſſerhaltigkeit, Tiefgrün- digkeit, von bedeutenderem Einfluß ſind, als die chemiſchen. Wenn z. B. auf den Höhen der aus Jurakalk beſtehenden ſchwäbiſchen Alp ein geringerer Waldwuchs iſt als auf den Gneis- und Granit-Kuppen des Schwarzwaldes,

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Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/69>, abgerufen am 22.12.2024.