Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Es ist bekannt, daß auf dem Querschnitte eines Baumstammes aus
der Zahl der Jahresringe des Baumes Alter zu ersehen ist. Wie aber
ist dies am noch stehenden Baume zu erfahren?

Indem wir uns hiervon unterhalten wollen, müssen wir uns über
die Bedeutung des Wortes Zuwachs verständigen. Es ist ein Kunst-
ausdruck des Forstmannes, womit er die jährliche bleibende Massenzunahme
eines Baumes oder in annähernder Schätzung eines ganzen Bestandes,
bezeichnet, also den Massenantheil der Blätter und Früchte nicht mit be-
rücksichtigt. Es ist für den Forstmann wichtig, zu wissen, ob ein Bestand
in schlechtem oder gutem Zuwachs, wüchsig, sei, weil er danach in
vielen Fällen zu bestimmen hat, ob der Bestand noch länger stehen bleiben
oder geschlagen werden soll. Daß diese Ermittelung keine leichte Aufgabe
sei, können wir leicht begreifen, und es ist auch die "Zuwachsberechnung"
einer der schwierigsten Zweige der Forstwissenschaft.

Wir wollen nicht versuchen, alle die dabei angewendeten Hülfsmittel
kennen zu lernen, sondern wir beschränken uns jetzt darauf, eins dieser
Mittel, welches dem Forstmanne bei seinen Zuwachsberechnungen auch nur
eine blos mittelbare Hülfe leistet, nach Anleitung einer schematisirten Figur
praktisch anzuwenden.

Während es dem Forstmanne lediglich auf den Holzgehalt seiner Re-
viere ankommt, sieht der Waldfreund mehr auf die schattenden Kronen der
Bäume und freut sich, wenn er in diesen ein recht gesundes und üppiges
Gedeihen wahrnimmt.

Diese unsere Freude am Wachsthum einer Baumkrone, besonders
wenn es sich um selbst gepflanzte Bäume handelt, deren Krone noch im
Bereiche unserer Hand ist, entbehrt bis jetzt für die Meisten des kundigen
Bewußtseins, weil wir die sichtbaren Maaße nicht kennen, um welche
jährlich die Krone zunimmt. Das Bäumchen wächst und wächst, und nach
4, 5 Jahren ist seine Krone oben größer und voller, ohne daß wir wissen,
um wie viel. Wir können dies aber für jedes verflossene Jahr daran
ablesen, wie wir aus den am Thürstock gemachten Marken sehen, um
wie viel unser Söhnchen in einem gewissen Zeitraum länger geworden ist.

Wie in so vielen anderen Punkten, so ist auch in den Kennzeichen
des äußeren Zuwachses ein erheblicher Unterschied zwischen Nadelhölzern
und Laubhölzern. Wer ein klein wenig mit Ueberlegung auf die Dinge

Es iſt bekannt, daß auf dem Querſchnitte eines Baumſtammes aus
der Zahl der Jahresringe des Baumes Alter zu erſehen iſt. Wie aber
iſt dies am noch ſtehenden Baume zu erfahren?

Indem wir uns hiervon unterhalten wollen, müſſen wir uns über
die Bedeutung des Wortes Zuwachs verſtändigen. Es iſt ein Kunſt-
ausdruck des Forſtmannes, womit er die jährliche bleibende Maſſenzunahme
eines Baumes oder in annähernder Schätzung eines ganzen Beſtandes,
bezeichnet, alſo den Maſſenantheil der Blätter und Früchte nicht mit be-
rückſichtigt. Es iſt für den Forſtmann wichtig, zu wiſſen, ob ein Beſtand
in ſchlechtem oder gutem Zuwachs, wüchſig, ſei, weil er danach in
vielen Fällen zu beſtimmen hat, ob der Beſtand noch länger ſtehen bleiben
oder geſchlagen werden ſoll. Daß dieſe Ermittelung keine leichte Aufgabe
ſei, können wir leicht begreifen, und es iſt auch die „Zuwachsberechnung“
einer der ſchwierigſten Zweige der Forſtwiſſenſchaft.

Wir wollen nicht verſuchen, alle die dabei angewendeten Hülfsmittel
kennen zu lernen, ſondern wir beſchränken uns jetzt darauf, eins dieſer
Mittel, welches dem Forſtmanne bei ſeinen Zuwachsberechnungen auch nur
eine blos mittelbare Hülfe leiſtet, nach Anleitung einer ſchematiſirten Figur
praktiſch anzuwenden.

Während es dem Forſtmanne lediglich auf den Holzgehalt ſeiner Re-
viere ankommt, ſieht der Waldfreund mehr auf die ſchattenden Kronen der
Bäume und freut ſich, wenn er in dieſen ein recht geſundes und üppiges
Gedeihen wahrnimmt.

Dieſe unſere Freude am Wachsthum einer Baumkrone, beſonders
wenn es ſich um ſelbſt gepflanzte Bäume handelt, deren Krone noch im
Bereiche unſerer Hand iſt, entbehrt bis jetzt für die Meiſten des kundigen
Bewußtſeins, weil wir die ſichtbaren Maaße nicht kennen, um welche
jährlich die Krone zunimmt. Das Bäumchen wächſt und wächſt, und nach
4, 5 Jahren iſt ſeine Krone oben größer und voller, ohne daß wir wiſſen,
um wie viel. Wir können dies aber für jedes verfloſſene Jahr daran
ableſen, wie wir aus den am Thürſtock gemachten Marken ſehen, um
wie viel unſer Söhnchen in einem gewiſſen Zeitraum länger geworden iſt.

Wie in ſo vielen anderen Punkten, ſo iſt auch in den Kennzeichen
des äußeren Zuwachſes ein erheblicher Unterſchied zwiſchen Nadelhölzern
und Laubhölzern. Wer ein klein wenig mit Ueberlegung auf die Dinge

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0093" n="69"/>
            <p>Es i&#x017F;t bekannt, daß auf dem Quer&#x017F;chnitte eines Baum&#x017F;tammes aus<lb/>
der Zahl der Jahresringe des Baumes Alter zu er&#x017F;ehen i&#x017F;t. Wie aber<lb/>
i&#x017F;t dies am noch &#x017F;tehenden Baume zu erfahren?</p><lb/>
            <p>Indem wir uns hiervon unterhalten wollen, mü&#x017F;&#x017F;en wir uns über<lb/>
die Bedeutung des Wortes <hi rendition="#g">Zuwachs</hi> ver&#x017F;tändigen. Es i&#x017F;t ein Kun&#x017F;t-<lb/>
ausdruck des For&#x017F;tmannes, womit er die jährliche <hi rendition="#g">bleibende</hi> Ma&#x017F;&#x017F;enzunahme<lb/>
eines Baumes oder in annähernder Schätzung eines ganzen Be&#x017F;tandes,<lb/>
bezeichnet, al&#x017F;o den Ma&#x017F;&#x017F;enantheil der Blätter und Früchte nicht mit be-<lb/>
rück&#x017F;ichtigt. Es i&#x017F;t für den For&#x017F;tmann wichtig, zu wi&#x017F;&#x017F;en, ob ein Be&#x017F;tand<lb/>
in &#x017F;chlechtem oder gutem Zuwachs, <hi rendition="#g">wüch&#x017F;ig</hi>, &#x017F;ei, weil er danach in<lb/>
vielen Fällen zu be&#x017F;timmen hat, ob der Be&#x017F;tand noch länger &#x017F;tehen bleiben<lb/>
oder ge&#x017F;chlagen werden &#x017F;oll. Daß die&#x017F;e Ermittelung keine leichte Aufgabe<lb/>
&#x017F;ei, können wir leicht begreifen, und es i&#x017F;t auch die &#x201E;Zuwachsberechnung&#x201C;<lb/>
einer der &#x017F;chwierig&#x017F;ten Zweige der For&#x017F;twi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft.</p><lb/>
            <p>Wir wollen nicht ver&#x017F;uchen, alle die dabei angewendeten Hülfsmittel<lb/>
kennen zu lernen, &#x017F;ondern wir be&#x017F;chränken uns jetzt darauf, eins die&#x017F;er<lb/>
Mittel, welches dem For&#x017F;tmanne bei &#x017F;einen Zuwachsberechnungen auch nur<lb/>
eine blos mittelbare Hülfe lei&#x017F;tet, nach Anleitung einer &#x017F;chemati&#x017F;irten Figur<lb/>
prakti&#x017F;ch anzuwenden.</p><lb/>
            <p>Während es dem For&#x017F;tmanne lediglich auf den Holzgehalt &#x017F;einer Re-<lb/>
viere ankommt, &#x017F;ieht der Waldfreund mehr auf die &#x017F;chattenden Kronen der<lb/>
Bäume und freut &#x017F;ich, wenn er in die&#x017F;en ein recht ge&#x017F;undes und üppiges<lb/>
Gedeihen wahrnimmt.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e un&#x017F;ere Freude am Wachsthum einer Baumkrone, be&#x017F;onders<lb/>
wenn es &#x017F;ich um &#x017F;elb&#x017F;t gepflanzte Bäume handelt, deren Krone noch im<lb/>
Bereiche un&#x017F;erer Hand i&#x017F;t, entbehrt bis jetzt für die Mei&#x017F;ten des kundigen<lb/>
Bewußt&#x017F;eins, weil wir die &#x017F;ichtbaren Maaße nicht kennen, um welche<lb/>
jährlich die Krone zunimmt. Das Bäumchen wäch&#x017F;t und wäch&#x017F;t, und nach<lb/>
4, 5 Jahren i&#x017F;t &#x017F;eine Krone oben größer und voller, ohne daß wir wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
um wie viel. Wir können dies aber für jedes verflo&#x017F;&#x017F;ene Jahr daran<lb/>
able&#x017F;en, wie wir aus den am Thür&#x017F;tock gemachten Marken &#x017F;ehen, um<lb/>
wie viel un&#x017F;er Söhnchen in einem gewi&#x017F;&#x017F;en Zeitraum länger geworden i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Wie in &#x017F;o vielen anderen Punkten, &#x017F;o i&#x017F;t auch in den Kennzeichen<lb/>
des äußeren Zuwach&#x017F;es ein erheblicher Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen Nadelhölzern<lb/>
und Laubhölzern. Wer ein klein wenig mit Ueberlegung auf die Dinge<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0093] Es iſt bekannt, daß auf dem Querſchnitte eines Baumſtammes aus der Zahl der Jahresringe des Baumes Alter zu erſehen iſt. Wie aber iſt dies am noch ſtehenden Baume zu erfahren? Indem wir uns hiervon unterhalten wollen, müſſen wir uns über die Bedeutung des Wortes Zuwachs verſtändigen. Es iſt ein Kunſt- ausdruck des Forſtmannes, womit er die jährliche bleibende Maſſenzunahme eines Baumes oder in annähernder Schätzung eines ganzen Beſtandes, bezeichnet, alſo den Maſſenantheil der Blätter und Früchte nicht mit be- rückſichtigt. Es iſt für den Forſtmann wichtig, zu wiſſen, ob ein Beſtand in ſchlechtem oder gutem Zuwachs, wüchſig, ſei, weil er danach in vielen Fällen zu beſtimmen hat, ob der Beſtand noch länger ſtehen bleiben oder geſchlagen werden ſoll. Daß dieſe Ermittelung keine leichte Aufgabe ſei, können wir leicht begreifen, und es iſt auch die „Zuwachsberechnung“ einer der ſchwierigſten Zweige der Forſtwiſſenſchaft. Wir wollen nicht verſuchen, alle die dabei angewendeten Hülfsmittel kennen zu lernen, ſondern wir beſchränken uns jetzt darauf, eins dieſer Mittel, welches dem Forſtmanne bei ſeinen Zuwachsberechnungen auch nur eine blos mittelbare Hülfe leiſtet, nach Anleitung einer ſchematiſirten Figur praktiſch anzuwenden. Während es dem Forſtmanne lediglich auf den Holzgehalt ſeiner Re- viere ankommt, ſieht der Waldfreund mehr auf die ſchattenden Kronen der Bäume und freut ſich, wenn er in dieſen ein recht geſundes und üppiges Gedeihen wahrnimmt. Dieſe unſere Freude am Wachsthum einer Baumkrone, beſonders wenn es ſich um ſelbſt gepflanzte Bäume handelt, deren Krone noch im Bereiche unſerer Hand iſt, entbehrt bis jetzt für die Meiſten des kundigen Bewußtſeins, weil wir die ſichtbaren Maaße nicht kennen, um welche jährlich die Krone zunimmt. Das Bäumchen wächſt und wächſt, und nach 4, 5 Jahren iſt ſeine Krone oben größer und voller, ohne daß wir wiſſen, um wie viel. Wir können dies aber für jedes verfloſſene Jahr daran ableſen, wie wir aus den am Thürſtock gemachten Marken ſehen, um wie viel unſer Söhnchen in einem gewiſſen Zeitraum länger geworden iſt. Wie in ſo vielen anderen Punkten, ſo iſt auch in den Kennzeichen des äußeren Zuwachſes ein erheblicher Unterſchied zwiſchen Nadelhölzern und Laubhölzern. Wer ein klein wenig mit Ueberlegung auf die Dinge

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/93
Zitationshilfe: Roßmäßler, Emil Adolf: Der Wald. Leipzig u. a., 1863, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rossmaessler_wald_1863/93>, abgerufen am 22.12.2024.