Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Madame Needham,
und die Augen mancher jungen Zeloten und ver-
liebter Puritaner an sich zoge. Sie verwandelte
ihren Nahmen in Hanna, und nach einiger Zeit
wurde sowohl ihre Frömmigkeit und Andacht, als
ihre Erbarkeit und Schönheit von Tito Sprag,
einem jungen Bruder und Leinwand-Händler in
Cheap-side, regardiret, der den Schluß ge-
fasset, nicht aus seiner Zunfft zu heyrathen, und nur
ein Weib bedurffte, ihn glückselig zu machen. Sie
beobachtete gar wohl, daß er seine Augen öffters
an ihrer Schönheit kleben liesse: Und ob er wohl
nur Zeichen gab, und in Characteribus, die sonst
niemand verstunde, ihr seine Liebe entdeckte; so
fahe er sie doch so steiff und mit solcher Attention
an, als ob er ihr Bildniß abschiltern wollen. Sei-
ne Complimenten waren aus verliebten und
andächtigen Redens-Arten, wie ein vielfärbigter
Bettlers-Mantel, zusammen geflicket; und Cupi-
do, Knox
und Calvinus stunden, als Colle-
gen,
in einer Reihe: Seine verliebte Discourse
waren mit Fragmentis aus Predigten gespicket;
worbey geistliche Lehren und Nutzen, nebst Anmer-
ckungen aus der Academie der Complimen-
ten unter einander gebrocket: Es war ein solcher
Misch-Masch aus Liebe und Religion, Heyrathen
und Bethen, abgeschmackter Frömmigkeit und un-
züchtiger Erbarkeit, daß Hanna darüber ins
Fäustgen hinein lachen muste, so gravitätisch und

ernst-

Madame Needham,
und die Augen mancher jungen Zeloten und ver-
liebter Puritaner an ſich zoge. Sie verwandelte
ihren Nahmen in Hanna, und nach einiger Zeit
wurde ſowohl ihre Froͤmmigkeit und Andacht, als
ihre Erbarkeit und Schoͤnheit von Tito Sprag,
einem jungen Bruder und Leinwand-Haͤndler in
Cheap-ſide, regardiret, der den Schluß ge-
faſſet, nicht aus ſeiner Zunfft zu heyrathen, und nur
ein Weib bedurffte, ihn gluͤckſelig zu machen. Sie
beobachtete gar wohl, daß er ſeine Augen oͤffters
an ihrer Schoͤnheit kleben lieſſe: Und ob er wohl
nur Zeichen gab, und in Characteribus, die ſonſt
niemand verſtunde, ihr ſeine Liebe entdeckte; ſo
fahe er ſie doch ſo ſteiff und mit ſolcher Attention
an, als ob er ihr Bildniß abſchiltern wollen. Sei-
ne Complimenten waren aus verliebten und
andaͤchtigen Redens-Arten, wie ein vielfaͤrbigter
Bettlers-Mantel, zuſammen geflicket; und Cupi-
do, Knox
und Calvinus ſtunden, als Colle-
gen,
in einer Reihe: Seine verliebte Diſcourſe
waren mit Fragmentis aus Predigten geſpicket;
worbey geiſtliche Lehren und Nutzen, nebſt Anmer-
ckungen aus der Academie der Complimen-
ten unter einander gebrocket: Es war ein ſolcher
Miſch-Maſch aus Liebe und Religion, Heyrathen
und Bethen, abgeſchmackter Froͤmmigkeit und un-
zuͤchtiger Erbarkeit, daß Hanna daruͤber ins
Faͤuſtgen hinein lachen muſte, ſo gravitaͤtiſch und

ernſt-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0240" n="220"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Madame Needham,</hi></hi></fw><lb/>
und die Augen mancher jungen <hi rendition="#aq">Zelot</hi>en und ver-<lb/>
liebter <hi rendition="#aq">Puritan</hi>er an &#x017F;ich zoge. Sie verwandelte<lb/>
ihren Nahmen in <hi rendition="#aq">Hanna,</hi> und nach einiger Zeit<lb/>
wurde &#x017F;owohl ihre Fro&#x0364;mmigkeit und Andacht, als<lb/>
ihre Erbarkeit und Scho&#x0364;nheit von <hi rendition="#aq">Tito Sprag,</hi><lb/>
einem jungen Bruder und Leinwand-Ha&#x0364;ndler in<lb/><hi rendition="#aq">Cheap-&#x017F;ide, regardi</hi>ret, der den Schluß ge-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;et, nicht aus &#x017F;einer Zunfft zu heyrathen, und nur<lb/>
ein Weib bedurffte, ihn glu&#x0364;ck&#x017F;elig zu machen. Sie<lb/>
beobachtete gar wohl, daß er &#x017F;eine Augen o&#x0364;ffters<lb/>
an ihrer Scho&#x0364;nheit kleben lie&#x017F;&#x017F;e: Und ob er wohl<lb/>
nur Zeichen gab, und in <hi rendition="#aq">Characteribus,</hi> die &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
niemand ver&#x017F;tunde, ihr &#x017F;eine Liebe entdeckte; &#x017F;o<lb/>
fahe er &#x017F;ie doch &#x017F;o &#x017F;teiff und mit &#x017F;olcher <hi rendition="#aq">Attention</hi><lb/>
an, als ob er ihr Bildniß ab&#x017F;chiltern wollen. Sei-<lb/>
ne <hi rendition="#aq">Compliment</hi>en waren aus verliebten und<lb/>
anda&#x0364;chtigen Redens-Arten, wie ein vielfa&#x0364;rbigter<lb/>
Bettlers-Mantel, zu&#x017F;ammen geflicket; und <hi rendition="#aq">Cupi-<lb/>
do, Knox</hi> und <hi rendition="#aq">Calvinus</hi> &#x017F;tunden, als <hi rendition="#aq">Colle-<lb/>
gen,</hi> in einer Reihe: Seine verliebte <hi rendition="#aq">Di&#x017F;cour&#x017F;e</hi><lb/>
waren mit <hi rendition="#aq">Fragmentis</hi> aus Predigten ge&#x017F;picket;<lb/>
worbey gei&#x017F;tliche Lehren und Nutzen, neb&#x017F;t Anmer-<lb/>
ckungen aus der <hi rendition="#aq">Academie</hi> der <hi rendition="#aq">Complimen-</hi><lb/>
ten unter einander gebrocket: Es war ein &#x017F;olcher<lb/>
Mi&#x017F;ch-Ma&#x017F;ch aus Liebe und <hi rendition="#aq">Religion,</hi> Heyrathen<lb/>
und Bethen, abge&#x017F;chmackter Fro&#x0364;mmigkeit und un-<lb/>
zu&#x0364;chtiger Erbarkeit, daß <hi rendition="#aq">Hanna</hi> daru&#x0364;ber ins<lb/>
Fa&#x0364;u&#x017F;tgen hinein lachen mu&#x017F;te, &#x017F;o <hi rendition="#aq">gravit</hi>a&#x0364;ti&#x017F;ch und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ern&#x017F;t-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0240] Madame Needham, und die Augen mancher jungen Zeloten und ver- liebter Puritaner an ſich zoge. Sie verwandelte ihren Nahmen in Hanna, und nach einiger Zeit wurde ſowohl ihre Froͤmmigkeit und Andacht, als ihre Erbarkeit und Schoͤnheit von Tito Sprag, einem jungen Bruder und Leinwand-Haͤndler in Cheap-ſide, regardiret, der den Schluß ge- faſſet, nicht aus ſeiner Zunfft zu heyrathen, und nur ein Weib bedurffte, ihn gluͤckſelig zu machen. Sie beobachtete gar wohl, daß er ſeine Augen oͤffters an ihrer Schoͤnheit kleben lieſſe: Und ob er wohl nur Zeichen gab, und in Characteribus, die ſonſt niemand verſtunde, ihr ſeine Liebe entdeckte; ſo fahe er ſie doch ſo ſteiff und mit ſolcher Attention an, als ob er ihr Bildniß abſchiltern wollen. Sei- ne Complimenten waren aus verliebten und andaͤchtigen Redens-Arten, wie ein vielfaͤrbigter Bettlers-Mantel, zuſammen geflicket; und Cupi- do, Knox und Calvinus ſtunden, als Colle- gen, in einer Reihe: Seine verliebte Diſcourſe waren mit Fragmentis aus Predigten geſpicket; worbey geiſtliche Lehren und Nutzen, nebſt Anmer- ckungen aus der Academie der Complimen- ten unter einander gebrocket: Es war ein ſolcher Miſch-Maſch aus Liebe und Religion, Heyrathen und Bethen, abgeſchmackter Froͤmmigkeit und un- zuͤchtiger Erbarkeit, daß Hanna daruͤber ins Faͤuſtgen hinein lachen muſte, ſo gravitaͤtiſch und ernſt-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers si… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/240
Zitationshilfe: Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/240>, abgerufen am 21.11.2024.