Aus dem Character, nach welchem wir den König bereits beschrieben haben, ist leichtlich abzu- nehmen, was für starcke Versuchungen eine Dame von so raren Eigenschafften bey einer Person, die selbsten Esprit und ein gutes Naturell besaß, er- wecket haben muß. Da er nun eine gute Weile gesessen und der Madame Shore liebreitzendes Wesen genau betrachtet hatte, und von der Lieb- lichkeit ihrer bezaubernden Zungen gantz aus sich selbsten gesetzet war, nahm er, wiewohl unwillig, seinen Abschied, und beschlosse bey sich selbsten, die- ses unschätzbare Kleinod, es koste auch was es wol- le, zu erkauffen und den völligen und freyen Besitz darvon zu tragen. Sich demnach bey ihr zu in- sinuiren und sie durch geschickte Lock-Speisen in seine Arme zu ziehen, gieng er mit dem Lord Ha- stings zu Rath, was am besten zu thun sey. Als Se. Gnaden ihres Herrn, des Königs Anliegen ver- spühreten, vermeldeten sie ihm mit einem liebkosen- den Lächeln, sie wollten ihm bald darzu beförderlich seyn. Es war eine Frau, Nahmens Blague, eine Hof-Posamentirerin, die war der Madame Shore Nachbarin und vertraute Freundin; Diese besuchten einander offte, und vertrieben sich Abends die Zeit immer mit einander. Sie war eine sehr durchtriebene Frau, und ihr goldfarbenes Hertze sollte des Geldes wegen nicht nur ihre beste Freun- din, sondern auch ihre eigene Tochter verrathen und
ver-
Johanna Shore,
Aus dem Character, nach welchem wir den Koͤnig bereits beſchrieben haben, iſt leichtlich abzu- nehmen, was fuͤr ſtarcke Verſuchungen eine Dame von ſo raren Eigenſchafften bey einer Perſon, die ſelbſten Eſprit und ein gutes Naturell beſaß, er- wecket haben muß. Da er nun eine gute Weile geſeſſen und der Madame Shore liebreitzendes Weſen genau betrachtet hatte, und von der Lieb- lichkeit ihrer bezaubernden Zungen gantz aus ſich ſelbſten geſetzet war, nahm er, wiewohl unwillig, ſeinen Abſchied, und beſchloſſe bey ſich ſelbſten, die- ſes unſchaͤtzbare Kleinod, es koſte auch was es wol- le, zu erkauffen und den voͤlligen und freyen Beſitz darvon zu tragen. Sich demnach bey ihr zu in- ſinuiren und ſie durch geſchickte Lock-Speiſen in ſeine Arme zu ziehen, gieng er mit dem Lord Ha- ſtings zu Rath, was am beſten zu thun ſey. Als Se. Gnaden ihres Herrn, des Koͤnigs Anliegen ver- ſpuͤhreten, vermeldeten ſie ihm mit einem liebkoſen- den Laͤcheln, ſie wollten ihm bald darzu befoͤrderlich ſeyn. Es war eine Frau, Nahmens Blague, eine Hof-Poſamentirerin, die war der Madame Shore Nachbarin und vertraute Freundin; Dieſe beſuchten einander offte, und vertrieben ſich Abends die Zeit immer mit einander. Sie war eine ſehr durchtriebene Frau, und ihr goldfarbenes Hertze ſollte des Geldes wegen nicht nur ihre beſte Freun- din, ſondern auch ihre eigene Tochter verrathen und
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Johanna Shore,
Aus dem Character, nach welchem wir den
Koͤnig bereits beſchrieben haben, iſt leichtlich abzu-
nehmen, was fuͤr ſtarcke Verſuchungen eine Dame
von ſo raren Eigenſchafften bey einer Perſon, die
ſelbſten Eſprit und ein gutes Naturell beſaß, er-
wecket haben muß. Da er nun eine gute Weile
geſeſſen und der Madame Shore liebreitzendes
Weſen genau betrachtet hatte, und von der Lieb-
lichkeit ihrer bezaubernden Zungen gantz aus ſich
ſelbſten geſetzet war, nahm er, wiewohl unwillig,
ſeinen Abſchied, und beſchloſſe bey ſich ſelbſten, die-
ſes unſchaͤtzbare Kleinod, es koſte auch was es wol-
le, zu erkauffen und den voͤlligen und freyen Beſitz
darvon zu tragen. Sich demnach bey ihr zu in-
ſinuiren und ſie durch geſchickte Lock-Speiſen in
ſeine Arme zu ziehen, gieng er mit dem Lord Ha-
ſtings zu Rath, was am beſten zu thun ſey. Als
Se. Gnaden ihres Herrn, des Koͤnigs Anliegen ver-
ſpuͤhreten, vermeldeten ſie ihm mit einem liebkoſen-
den Laͤcheln, ſie wollten ihm bald darzu befoͤrderlich
ſeyn. Es war eine Frau, Nahmens Blague, eine
Hof-Poſamentirerin, die war der Madame
Shore Nachbarin und vertraute Freundin; Dieſe
beſuchten einander offte, und vertrieben ſich Abends
die Zeit immer mit einander. Sie war eine ſehr
durchtriebene Frau, und ihr goldfarbenes Hertze
ſollte des Geldes wegen nicht nur ihre beſte Freun-
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Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers si… [mehr]
Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers sind fingiert. Die Angaben basieren auf dem Katalogeintrag der Bayerische Staatsbibliothek München sowie Weller (Druckorte), Bd. 1, S. 70. - Bibliogr. Nachweis: BLC to 1975, Bd. 186, S. 449.
Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/62>, abgerufen am 26.11.2024.
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