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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
aber noch nicht in Contractionsvorgängen äussern, und beim
Nerven ist es sogar wahrscheinlich, dass er Erregungsvorgänge
besitzt, die zur Hervorrufung einer Muskelcontraction nicht aus-
reichen."

Es ist noch von Durchschneidungsversuchen zu erwähnen,
dass nach Magendie1) in Folge der Durchschneidung des
Sehnerven nicht blos das periphere, sondern auch das centrale
Stück degenerirt, worüber Hermann bemerkt, dass viel-
leicht der Umstand, dass dieser Nerv keine Ranvier'schen
Einschnürungen habe, die Ursache sein könne.

Heilen durchschnittene Nerven wieder zusammen, was stets
durch Sprossung von dem centralen Stumpfe aus stattfindet, so
wird dann auch der inzwischen in fettiger Entartung begriffene
periphere Stumpf rasch wieder normal, indem die Fettkörnchen
verschwinden und er wieder normal erregbar und leitungs-
fähig wird. Durch den gewohnten Reiz werden also wohl die
specifischen Processe gekräftigt, so dass sie sich wieder stärker
insubstantiiren und die anderen Vorgänge zum Schwunde ge-
bracht werden.

Ausser diesen wichtigen experimentellen Thatsachen seien
noch einige von den zahlreichen bezüglichen pathologischen
Vorkommnissen
angeführt, welche gleichfalls die Folgen
der Abhaltung des functionellen Reizes vor Augen führen.

Die sogenannte spinale Kinderlähmung, eine Krankheit des
Nervensystems, welche hauptsächlich in der Zerstörung der
motorischen Ganglienzellen des Rückenmarks besteht, gelegent-
lich aber auch mit einer Erkrankung der peripheren Nerven
beginnt und eine Fernhaltung des functionellen Reizes von den
Muskeln zur Folge hat, ist mit hochgradiger Atrophie der den
betroffenen Ganglienzellen oder Nerven zugehörigen Muskeln

1) Hermann, Handbuch d. Physiologie. Bd. II. Abth. I. p. 136.

III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
aber noch nicht in Contractionsvorgängen äussern, und beim
Nerven ist es sogar wahrscheinlich, dass er Erregungsvorgänge
besitzt, die zur Hervorrufung einer Muskelcontraction nicht aus-
reichen.«

Es ist noch von Durchschneidungsversuchen zu erwähnen,
dass nach Magendie1) in Folge der Durchschneidung des
Sehnerven nicht blos das periphere, sondern auch das centrale
Stück degenerirt, worüber Hermann bemerkt, dass viel-
leicht der Umstand, dass dieser Nerv keine Ranvier’schen
Einschnürungen habe, die Ursache sein könne.

Heilen durchschnittene Nerven wieder zusammen, was stets
durch Sprossung von dem centralen Stumpfe aus stattfindet, so
wird dann auch der inzwischen in fettiger Entartung begriffene
periphere Stumpf rasch wieder normal, indem die Fettkörnchen
verschwinden und er wieder normal erregbar und leitungs-
fähig wird. Durch den gewohnten Reiz werden also wohl die
specifischen Processe gekräftigt, so dass sie sich wieder stärker
insubstantiiren und die anderen Vorgänge zum Schwunde ge-
bracht werden.

Ausser diesen wichtigen experimentellen Thatsachen seien
noch einige von den zahlreichen bezüglichen pathologischen
Vorkommnissen
angeführt, welche gleichfalls die Folgen
der Abhaltung des functionellen Reizes vor Augen führen.

Die sogenannte spinale Kinderlähmung, eine Krankheit des
Nervensystems, welche hauptsächlich in der Zerstörung der
motorischen Ganglienzellen des Rückenmarks besteht, gelegent-
lich aber auch mit einer Erkrankung der peripheren Nerven
beginnt und eine Fernhaltung des functionellen Reizes von den
Muskeln zur Folge hat, ist mit hochgradiger Atrophie der den
betroffenen Ganglienzellen oder Nerven zugehörigen Muskeln

1) Hermann, Handbuch d. Physiologie. Bd. II. Abth. I. p. 136.
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[123/0137] III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize. aber noch nicht in Contractionsvorgängen äussern, und beim Nerven ist es sogar wahrscheinlich, dass er Erregungsvorgänge besitzt, die zur Hervorrufung einer Muskelcontraction nicht aus- reichen.« Es ist noch von Durchschneidungsversuchen zu erwähnen, dass nach Magendie 1) in Folge der Durchschneidung des Sehnerven nicht blos das periphere, sondern auch das centrale Stück degenerirt, worüber Hermann bemerkt, dass viel- leicht der Umstand, dass dieser Nerv keine Ranvier’schen Einschnürungen habe, die Ursache sein könne. Heilen durchschnittene Nerven wieder zusammen, was stets durch Sprossung von dem centralen Stumpfe aus stattfindet, so wird dann auch der inzwischen in fettiger Entartung begriffene periphere Stumpf rasch wieder normal, indem die Fettkörnchen verschwinden und er wieder normal erregbar und leitungs- fähig wird. Durch den gewohnten Reiz werden also wohl die specifischen Processe gekräftigt, so dass sie sich wieder stärker insubstantiiren und die anderen Vorgänge zum Schwunde ge- bracht werden. Ausser diesen wichtigen experimentellen Thatsachen seien noch einige von den zahlreichen bezüglichen pathologischen Vorkommnissen angeführt, welche gleichfalls die Folgen der Abhaltung des functionellen Reizes vor Augen führen. Die sogenannte spinale Kinderlähmung, eine Krankheit des Nervensystems, welche hauptsächlich in der Zerstörung der motorischen Ganglienzellen des Rückenmarks besteht, gelegent- lich aber auch mit einer Erkrankung der peripheren Nerven beginnt und eine Fernhaltung des functionellen Reizes von den Muskeln zur Folge hat, ist mit hochgradiger Atrophie der den betroffenen Ganglienzellen oder Nerven zugehörigen Muskeln 1) Hermann, Handbuch d. Physiologie. Bd. II. Abth. I. p. 136.

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/137>, abgerufen am 21.11.2024.