Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
verbunden. Es geht daraus hervor, dass selbst für jugendliche,
noch wachsende Muskeln der functionelle Reiz zur normalen
Entwickelung nöthig ist, dass die Entwickelung nicht rein durch
vererbte Eigenschaften der Theile stattfindet.

Ferner giebt es eine ganz entsprechende Affection bei Er-
wachsenen, welche gleichfalls mit atrophischen Lähmun-
gen
nach Eichhorst1) und Leyden2) einhergeht; wie denn
überhaupt bei Affection des Rückenmarks die zugehörigen Mus-
keln der Atrophie verfallen.

Wir schliessen wohl mit Recht aus den vorstehend mitge-
theilten experimentellen und pathologischen Beobachtungen, in
welchen bei Muskeln und Drüsen nach dem Ausfall des func-
tionellen Reizes Entartung und Schwund eintritt, dass der func-
tionelle Reiz in diesen Organen nicht blos den Stoffverbrauch,
die Dissimilation bewirkt, sondern auch zur Wiederanbildung,
zur Assimilation unerlässlich nöthig ist. Und eine ähnliche
aber für sich allein zur Erhaltung im Stoffwechsel nicht aus-
reichende Wirkung muss dem functionellen Reize auch für die
Nerven selber zuerkannt werden. Der grössere Antheil an
der Erhaltung muss hier aber, wie wir sahen, einem von den
Ganglienzellen ausgehenden Reize zukommen.

Eine derartige Wirkung der Reize ist, wie erwähnt, bereits
von Hering in neuerer Zeit angenommen und zur Erklärung
der Erscheinungen beim Sehen und bei der Wärmeempfindung
verwendet worden; nur lässt er in diesen Organen die Assi-
milation und die Dissimilation jede durch besondere Reize an-
geregt werden.

Ausserdem aber sind trophische, die Ernährung der Theile
stärkende Wirkungen von Reizen, welche zur normalen Er-

1) Eichhorst, Virchow's Archiv. Bd. 69. 1876. p. 265.
2) Leyden, Beiträge zur acuten und chronischen Myelitis. Frerichs
und Leyden, Zeitschr. f. klin. Medicin. Bd. 1. p. 404.

III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
verbunden. Es geht daraus hervor, dass selbst für jugendliche,
noch wachsende Muskeln der functionelle Reiz zur normalen
Entwickelung nöthig ist, dass die Entwickelung nicht rein durch
vererbte Eigenschaften der Theile stattfindet.

Ferner giebt es eine ganz entsprechende Affection bei Er-
wachsenen, welche gleichfalls mit atrophischen Lähmun-
gen
nach Eichhorst1) und Leyden2) einhergeht; wie denn
überhaupt bei Affection des Rückenmarks die zugehörigen Mus-
keln der Atrophie verfallen.

Wir schliessen wohl mit Recht aus den vorstehend mitge-
theilten experimentellen und pathologischen Beobachtungen, in
welchen bei Muskeln und Drüsen nach dem Ausfall des func-
tionellen Reizes Entartung und Schwund eintritt, dass der func-
tionelle Reiz in diesen Organen nicht blos den Stoffverbrauch,
die Dissimilation bewirkt, sondern auch zur Wiederanbildung,
zur Assimilation unerlässlich nöthig ist. Und eine ähnliche
aber für sich allein zur Erhaltung im Stoffwechsel nicht aus-
reichende Wirkung muss dem functionellen Reize auch für die
Nerven selber zuerkannt werden. Der grössere Antheil an
der Erhaltung muss hier aber, wie wir sahen, einem von den
Ganglienzellen ausgehenden Reize zukommen.

Eine derartige Wirkung der Reize ist, wie erwähnt, bereits
von Hering in neuerer Zeit angenommen und zur Erklärung
der Erscheinungen beim Sehen und bei der Wärmeempfindung
verwendet worden; nur lässt er in diesen Organen die Assi-
milation und die Dissimilation jede durch besondere Reize an-
geregt werden.

Ausserdem aber sind trophische, die Ernährung der Theile
stärkende Wirkungen von Reizen, welche zur normalen Er-

1) Eichhorst, Virchow’s Archiv. Bd. 69. 1876. p. 265.
2) Leyden, Beiträge zur acuten und chronischen Myelitis. Frerichs
und Leyden, Zeitschr. f. klin. Medicin. Bd. 1. p. 404.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0138" n="124"/><fw place="top" type="header">III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.</fw><lb/>
verbunden. Es geht daraus hervor, dass selbst für jugendliche,<lb/>
noch wachsende Muskeln der functionelle Reiz zur normalen<lb/>
Entwickelung nöthig ist, dass die Entwickelung nicht rein durch<lb/>
vererbte Eigenschaften der Theile stattfindet.</p><lb/>
        <p>Ferner giebt es eine ganz entsprechende Affection bei Er-<lb/>
wachsenen, welche gleichfalls mit <hi rendition="#g">atrophischen Lähmun-<lb/>
gen</hi> nach <hi rendition="#g">Eichhorst</hi><note place="foot" n="1)">Eichhorst, Virchow&#x2019;s Archiv. Bd. 69. 1876. p. 265.</note> und <hi rendition="#g">Leyden</hi><note place="foot" n="2)">Leyden, Beiträge zur acuten und chronischen Myelitis. Frerichs<lb/>
und Leyden, Zeitschr. f. klin. Medicin. Bd. 1. p. 404.</note> einhergeht; wie denn<lb/>
überhaupt bei Affection des Rückenmarks die zugehörigen Mus-<lb/>
keln der Atrophie verfallen.</p><lb/>
        <p>Wir schliessen wohl mit Recht aus den vorstehend mitge-<lb/>
theilten experimentellen und pathologischen Beobachtungen, in<lb/>
welchen bei Muskeln und Drüsen nach dem Ausfall des func-<lb/>
tionellen Reizes Entartung und Schwund eintritt, dass der func-<lb/>
tionelle Reiz in diesen Organen nicht blos den Stoffverbrauch,<lb/>
die Dissimilation bewirkt, sondern auch zur Wiederanbildung,<lb/>
zur Assimilation unerlässlich nöthig ist. Und eine ähnliche<lb/>
aber für sich allein zur Erhaltung im Stoffwechsel nicht aus-<lb/>
reichende Wirkung muss dem functionellen Reize auch für die<lb/>
Nerven selber zuerkannt werden. Der grössere Antheil an<lb/>
der Erhaltung muss hier aber, wie wir sahen, einem von den<lb/>
Ganglienzellen ausgehenden Reize zukommen.</p><lb/>
        <p>Eine derartige Wirkung der Reize ist, wie erwähnt, bereits<lb/>
von <hi rendition="#g">Hering</hi> in neuerer Zeit angenommen und zur Erklärung<lb/>
der Erscheinungen beim Sehen und bei der Wärmeempfindung<lb/>
verwendet worden; nur lässt er in diesen Organen die Assi-<lb/>
milation und die Dissimilation jede durch besondere Reize an-<lb/>
geregt werden.</p><lb/>
        <p>Ausserdem aber sind trophische, die Ernährung der Theile<lb/>
stärkende Wirkungen von Reizen, welche zur normalen Er-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0138] III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize. verbunden. Es geht daraus hervor, dass selbst für jugendliche, noch wachsende Muskeln der functionelle Reiz zur normalen Entwickelung nöthig ist, dass die Entwickelung nicht rein durch vererbte Eigenschaften der Theile stattfindet. Ferner giebt es eine ganz entsprechende Affection bei Er- wachsenen, welche gleichfalls mit atrophischen Lähmun- gen nach Eichhorst 1) und Leyden 2) einhergeht; wie denn überhaupt bei Affection des Rückenmarks die zugehörigen Mus- keln der Atrophie verfallen. Wir schliessen wohl mit Recht aus den vorstehend mitge- theilten experimentellen und pathologischen Beobachtungen, in welchen bei Muskeln und Drüsen nach dem Ausfall des func- tionellen Reizes Entartung und Schwund eintritt, dass der func- tionelle Reiz in diesen Organen nicht blos den Stoffverbrauch, die Dissimilation bewirkt, sondern auch zur Wiederanbildung, zur Assimilation unerlässlich nöthig ist. Und eine ähnliche aber für sich allein zur Erhaltung im Stoffwechsel nicht aus- reichende Wirkung muss dem functionellen Reize auch für die Nerven selber zuerkannt werden. Der grössere Antheil an der Erhaltung muss hier aber, wie wir sahen, einem von den Ganglienzellen ausgehenden Reize zukommen. Eine derartige Wirkung der Reize ist, wie erwähnt, bereits von Hering in neuerer Zeit angenommen und zur Erklärung der Erscheinungen beim Sehen und bei der Wärmeempfindung verwendet worden; nur lässt er in diesen Organen die Assi- milation und die Dissimilation jede durch besondere Reize an- geregt werden. Ausserdem aber sind trophische, die Ernährung der Theile stärkende Wirkungen von Reizen, welche zur normalen Er- 1) Eichhorst, Virchow’s Archiv. Bd. 69. 1876. p. 265. 2) Leyden, Beiträge zur acuten und chronischen Myelitis. Frerichs und Leyden, Zeitschr. f. klin. Medicin. Bd. 1. p. 404.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/138
Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/138>, abgerufen am 21.11.2024.