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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
ohne weitere Reize sich zu vermehren im Stande
seien
. Ein Gleiches ist auch für Lymphdrüsen, die Milz und
die Niere behauptet worden; da indessen Grund ist, anzunehmen,
dass der Reiz zur specifischen Function für diese Organe im
Blute gelegen ist, so werden sie bei vermehrter Blutzufuhr somit
zu vermehrter Fungirung angeregt und die erfolgende Hyper-
trophie kann daher als eine Activitätshypertrophie aufgefasst
werden.

Das Verhalten der Stützsubstanzen, der passiv fungirenden
Organe ist demnach principiell zu trennen von dem der activ
thätigen, der Arbeitsorgane (Muskeln, Drüsen, Nerven, Ganglien-
zellen und Sinneszellen), welche durch vermehrte Blutzufuhr
allein nicht zur Hypertrophie oder Hyperplasie angeregt werden.

Es könnte daher, wenigstens für die passiv fungirenden
Theile, die Annahme gemacht werden, dass bei ihnen die
functionelle Hypertrophie durch die functionelle Hyperaemie
bedingt sei. Aber gerade für diese Organe ist, wie erwähnt,
die functionelle Hyperaemie mit Ausnahme der Haut nicht nach-
gewiesen und ausserdem zeigen dieselben, wie oben dargelegt,
eine Structur, welche nur von der trophischen Wirkung der
functionellen Reize abgeleitet werden kann.

Sehen wir nun zu, wie weit überhaupt die Annahme
der passiven Ernährung der Zellen
gerechtfertigt ist,
und was ihr widerspricht.

Schon im befruchteten Ei findet nach der Bildung
der Keimblätter vor der Anlage der Blutgefässe, wo also die
Nahrung noch gleichmässig vertheilt ist, ungleichmässiges
Wachsthum statt, welches zur Bildung der Primitivrinne, zur
Bildung des Medullarrohres, des Achsenstranges (der Chorda
dorsalis) und der Urnieren führt. Hier muss also, da die Theile
unter gleichen Ernährungsbedingungen sich befinden, aber spe-
cifische Formen hervorbringend ungleich wachsen, die Nah-

Roux, Kampf der Theile. 10

III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
ohne weitere Reize sich zu vermehren im Stande
seien
. Ein Gleiches ist auch für Lymphdrüsen, die Milz und
die Niere behauptet worden; da indessen Grund ist, anzunehmen,
dass der Reiz zur specifischen Function für diese Organe im
Blute gelegen ist, so werden sie bei vermehrter Blutzufuhr somit
zu vermehrter Fungirung angeregt und die erfolgende Hyper-
trophie kann daher als eine Activitätshypertrophie aufgefasst
werden.

Das Verhalten der Stützsubstanzen, der passiv fungirenden
Organe ist demnach principiell zu trennen von dem der activ
thätigen, der Arbeitsorgane (Muskeln, Drüsen, Nerven, Ganglien-
zellen und Sinneszellen), welche durch vermehrte Blutzufuhr
allein nicht zur Hypertrophie oder Hyperplasie angeregt werden.

Es könnte daher, wenigstens für die passiv fungirenden
Theile, die Annahme gemacht werden, dass bei ihnen die
functionelle Hypertrophie durch die functionelle Hyperaemie
bedingt sei. Aber gerade für diese Organe ist, wie erwähnt,
die functionelle Hyperaemie mit Ausnahme der Haut nicht nach-
gewiesen und ausserdem zeigen dieselben, wie oben dargelegt,
eine Structur, welche nur von der trophischen Wirkung der
functionellen Reize abgeleitet werden kann.

Sehen wir nun zu, wie weit überhaupt die Annahme
der passiven Ernährung der Zellen
gerechtfertigt ist,
und was ihr widerspricht.

Schon im befruchteten Ei findet nach der Bildung
der Keimblätter vor der Anlage der Blutgefässe, wo also die
Nahrung noch gleichmässig vertheilt ist, ungleichmässiges
Wachsthum statt, welches zur Bildung der Primitivrinne, zur
Bildung des Medullarrohres, des Achsenstranges (der Chorda
dorsalis) und der Urnieren führt. Hier muss also, da die Theile
unter gleichen Ernährungsbedingungen sich befinden, aber spe-
cifische Formen hervorbringend ungleich wachsen, die Nah-

Roux, Kampf der Theile. 10
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[145/0159] III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize. ohne weitere Reize sich zu vermehren im Stande seien. Ein Gleiches ist auch für Lymphdrüsen, die Milz und die Niere behauptet worden; da indessen Grund ist, anzunehmen, dass der Reiz zur specifischen Function für diese Organe im Blute gelegen ist, so werden sie bei vermehrter Blutzufuhr somit zu vermehrter Fungirung angeregt und die erfolgende Hyper- trophie kann daher als eine Activitätshypertrophie aufgefasst werden. Das Verhalten der Stützsubstanzen, der passiv fungirenden Organe ist demnach principiell zu trennen von dem der activ thätigen, der Arbeitsorgane (Muskeln, Drüsen, Nerven, Ganglien- zellen und Sinneszellen), welche durch vermehrte Blutzufuhr allein nicht zur Hypertrophie oder Hyperplasie angeregt werden. Es könnte daher, wenigstens für die passiv fungirenden Theile, die Annahme gemacht werden, dass bei ihnen die functionelle Hypertrophie durch die functionelle Hyperaemie bedingt sei. Aber gerade für diese Organe ist, wie erwähnt, die functionelle Hyperaemie mit Ausnahme der Haut nicht nach- gewiesen und ausserdem zeigen dieselben, wie oben dargelegt, eine Structur, welche nur von der trophischen Wirkung der functionellen Reize abgeleitet werden kann. Sehen wir nun zu, wie weit überhaupt die Annahme der passiven Ernährung der Zellen gerechtfertigt ist, und was ihr widerspricht. Schon im befruchteten Ei findet nach der Bildung der Keimblätter vor der Anlage der Blutgefässe, wo also die Nahrung noch gleichmässig vertheilt ist, ungleichmässiges Wachsthum statt, welches zur Bildung der Primitivrinne, zur Bildung des Medullarrohres, des Achsenstranges (der Chorda dorsalis) und der Urnieren führt. Hier muss also, da die Theile unter gleichen Ernährungsbedingungen sich befinden, aber spe- cifische Formen hervorbringend ungleich wachsen, die Nah- Roux, Kampf der Theile. 10

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/159>, abgerufen am 23.11.2024.