Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Differenzirende u. gestaltende Wirkungen der function. Reize.
Bindegewebes die Höhlungen der Schleimbeutel und Sehnen-
scheiden. Dagegen ist wohl die Entstehung der Pleuroperitonaeal-
höhle und noch mehr des Subduralraumes auf embryonale
Variation zurückzuführen. Nicht blos der Schwund, sondern
auch überhaupt die quantitative Ausbildung des lockeren Binde-
gewebes, welche allenthalben z. B. zwischen benachbarten
Muskeln genau dem Grade der vorkommenden Dislocation gegen-
einander entspricht, kann als durch functionelle Selbstgestaltung
hervorgebracht aufgefasst werden, da sie sich stets genau den
individuellen Verhältnissen, wie sie durch Berufsthätigkeit etc.
bedingt sind, angepasst zeigen. Sie brauchen und können
daher nicht als durch beliebige Variation und Auslese des Zweck-
mässigen nach Darwin entstanden angenommen werden.

Als Wirkung gestaltenden Reizes muss ferner die Ge-
staltung des Lumens der Blutgefässe
aufgefasst werden,
welche, wie ich beschrieben habe, die Gestalt eines frei aus
der runden seitlichen Oeffnung eines durchflossenen Rohres aus-
springenden Flüssigkeitsstrahles darstellt. Ich zeigte, dass diese
fein characterisirten Bildungen nur entstehen können, wenn die
Blutgefässwandung, insbesondere die Intima (die innerste Haut),
-- welche ja keine Gefässe hat, so dass also schon aus diesem
Grunde die ernährenden Gefässe bei der Entstehung dieser
Einrichtungen gar nicht hätten mitwirken können -- wenn die
Intima die wunderbare Fähigkeit hat, allein dem kräftigen
Seitendruck der Flüssigkeit Widerstand zu leisten, dagegen
jedem Anprall von Flüssigkeitsstrahlen, auch den unmessbar
feinsten, also jedem einseitig wirkenden Druck, vollkommen
nachzugeben. Von einer mechanischen Selbstgestaltung
durch den Flüssigkeitsstrahl kann hier nicht die Rede sein, da
es unmöglich ist, dass eine Substanz, welche in gewissen Rich-
tungen einen Druck von mehreren hundert Gramm, ohne im
geringsten nachzugeben, auszuhalten vermag, in der dazu senk-

IV. Differenzirende u. gestaltende Wirkungen der function. Reize.
Bindegewebes die Höhlungen der Schleimbeutel und Sehnen-
scheiden. Dagegen ist wohl die Entstehung der Pleuroperitonaeal-
höhle und noch mehr des Subduralraumes auf embryonale
Variation zurückzuführen. Nicht blos der Schwund, sondern
auch überhaupt die quantitative Ausbildung des lockeren Binde-
gewebes, welche allenthalben z. B. zwischen benachbarten
Muskeln genau dem Grade der vorkommenden Dislocation gegen-
einander entspricht, kann als durch functionelle Selbstgestaltung
hervorgebracht aufgefasst werden, da sie sich stets genau den
individuellen Verhältnissen, wie sie durch Berufsthätigkeit etc.
bedingt sind, angepasst zeigen. Sie brauchen und können
daher nicht als durch beliebige Variation und Auslese des Zweck-
mässigen nach Darwin entstanden angenommen werden.

Als Wirkung gestaltenden Reizes muss ferner die Ge-
staltung des Lumens der Blutgefässe
aufgefasst werden,
welche, wie ich beschrieben habe, die Gestalt eines frei aus
der runden seitlichen Oeffnung eines durchflossenen Rohres aus-
springenden Flüssigkeitsstrahles darstellt. Ich zeigte, dass diese
fein characterisirten Bildungen nur entstehen können, wenn die
Blutgefässwandung, insbesondere die Intima (die innerste Haut),
— welche ja keine Gefässe hat, so dass also schon aus diesem
Grunde die ernährenden Gefässe bei der Entstehung dieser
Einrichtungen gar nicht hätten mitwirken können — wenn die
Intima die wunderbare Fähigkeit hat, allein dem kräftigen
Seitendruck der Flüssigkeit Widerstand zu leisten, dagegen
jedem Anprall von Flüssigkeitsstrahlen, auch den unmessbar
feinsten, also jedem einseitig wirkenden Druck, vollkommen
nachzugeben. Von einer mechanischen Selbstgestaltung
durch den Flüssigkeitsstrahl kann hier nicht die Rede sein, da
es unmöglich ist, dass eine Substanz, welche in gewissen Rich-
tungen einen Druck von mehreren hundert Gramm, ohne im
geringsten nachzugeben, auszuhalten vermag, in der dazu senk-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0208" n="194"/><fw place="top" type="header">IV. Differenzirende u. gestaltende Wirkungen der function. Reize.</fw><lb/>
Bindegewebes die Höhlungen der Schleimbeutel und Sehnen-<lb/>
scheiden. Dagegen ist wohl die Entstehung der Pleuroperitonaeal-<lb/>
höhle und noch mehr des Subduralraumes auf embryonale<lb/>
Variation zurückzuführen. Nicht blos der Schwund, sondern<lb/>
auch überhaupt die quantitative Ausbildung des lockeren Binde-<lb/>
gewebes, welche allenthalben z. B. zwischen benachbarten<lb/>
Muskeln genau dem Grade der vorkommenden Dislocation gegen-<lb/>
einander entspricht, kann als durch functionelle Selbstgestaltung<lb/>
hervorgebracht aufgefasst werden, da sie sich stets genau den<lb/>
individuellen Verhältnissen, wie sie durch Berufsthätigkeit etc.<lb/>
bedingt sind, angepasst zeigen. Sie brauchen und können<lb/>
daher nicht als durch beliebige Variation und Auslese des Zweck-<lb/>
mässigen nach <hi rendition="#g">Darwin</hi> entstanden angenommen werden.</p><lb/>
        <p>Als Wirkung gestaltenden Reizes muss ferner die <hi rendition="#g">Ge-<lb/>
staltung des Lumens der Blutgefässe</hi> aufgefasst werden,<lb/>
welche, wie ich beschrieben habe, die Gestalt eines frei aus<lb/>
der runden seitlichen Oeffnung eines durchflossenen Rohres aus-<lb/>
springenden Flüssigkeitsstrahles darstellt. Ich zeigte, dass diese<lb/>
fein characterisirten Bildungen nur entstehen können, wenn die<lb/>
Blutgefässwandung, insbesondere die Intima (die innerste Haut),<lb/>
&#x2014; welche ja keine Gefässe hat, so dass also schon aus diesem<lb/>
Grunde die ernährenden Gefässe bei der Entstehung dieser<lb/>
Einrichtungen gar nicht hätten mitwirken können &#x2014; wenn die<lb/>
Intima die wunderbare Fähigkeit hat, allein dem kräftigen<lb/>
Seitendruck der Flüssigkeit Widerstand zu leisten, dagegen<lb/>
jedem Anprall von Flüssigkeitsstrahlen, auch den unmessbar<lb/>
feinsten, also jedem einseitig wirkenden Druck, vollkommen<lb/>
nachzugeben. Von einer <hi rendition="#g">mechanischen</hi> Selbstgestaltung<lb/>
durch den Flüssigkeitsstrahl kann hier nicht die Rede sein, da<lb/>
es unmöglich ist, dass eine Substanz, welche in gewissen Rich-<lb/>
tungen einen Druck von mehreren hundert Gramm, ohne im<lb/>
geringsten nachzugeben, auszuhalten vermag, in der dazu senk-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0208] IV. Differenzirende u. gestaltende Wirkungen der function. Reize. Bindegewebes die Höhlungen der Schleimbeutel und Sehnen- scheiden. Dagegen ist wohl die Entstehung der Pleuroperitonaeal- höhle und noch mehr des Subduralraumes auf embryonale Variation zurückzuführen. Nicht blos der Schwund, sondern auch überhaupt die quantitative Ausbildung des lockeren Binde- gewebes, welche allenthalben z. B. zwischen benachbarten Muskeln genau dem Grade der vorkommenden Dislocation gegen- einander entspricht, kann als durch functionelle Selbstgestaltung hervorgebracht aufgefasst werden, da sie sich stets genau den individuellen Verhältnissen, wie sie durch Berufsthätigkeit etc. bedingt sind, angepasst zeigen. Sie brauchen und können daher nicht als durch beliebige Variation und Auslese des Zweck- mässigen nach Darwin entstanden angenommen werden. Als Wirkung gestaltenden Reizes muss ferner die Ge- staltung des Lumens der Blutgefässe aufgefasst werden, welche, wie ich beschrieben habe, die Gestalt eines frei aus der runden seitlichen Oeffnung eines durchflossenen Rohres aus- springenden Flüssigkeitsstrahles darstellt. Ich zeigte, dass diese fein characterisirten Bildungen nur entstehen können, wenn die Blutgefässwandung, insbesondere die Intima (die innerste Haut), — welche ja keine Gefässe hat, so dass also schon aus diesem Grunde die ernährenden Gefässe bei der Entstehung dieser Einrichtungen gar nicht hätten mitwirken können — wenn die Intima die wunderbare Fähigkeit hat, allein dem kräftigen Seitendruck der Flüssigkeit Widerstand zu leisten, dagegen jedem Anprall von Flüssigkeitsstrahlen, auch den unmessbar feinsten, also jedem einseitig wirkenden Druck, vollkommen nachzugeben. Von einer mechanischen Selbstgestaltung durch den Flüssigkeitsstrahl kann hier nicht die Rede sein, da es unmöglich ist, dass eine Substanz, welche in gewissen Rich- tungen einen Druck von mehreren hundert Gramm, ohne im geringsten nachzugeben, auszuhalten vermag, in der dazu senk-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/208
Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/208>, abgerufen am 23.11.2024.