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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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A. Leistungen derselben.
mit Erhaltung annähernd der normalen Formen und besonders ganz
normaler, entzündliche Knochenbildung ausschliessender glatter
Oberfläche, verdickt. Die Köpfe des Knochens waren weniger
verdickt, aber so geformt, dass sie vermittelst ausgebildeter,
sehr starker Bindegewebszüge zwischen ihnen und jedem zu-
gehörigen Ende des Schienbeines den neuen Functionen der
Uebertragung des Druckes vom oberen Ende des Schienbeins
auf das untere zu genügen vermochten. Derartige Beispiele der
Activitätshypertrophie der Knochen und des Bindegewebes wer-
den sich wohl in jeder pathologischen Sammlung vorfinden.

Pflüger erwähnt ganz allgemein 1): "Es ist aber eine
Thatsache, dass bei grösserem Verlust in Folge verstärkter Ar-
beit solche Bedingungen entstehen, denen zufolge immer etwas
mehr wiedergewonnen wird, als verloren ging, denn der anhal-
tende stärkere Gebrauch des Organes lässt dasselbe an Masse
und Kraft zunehmen.

Mit der Ausdehnung der umgestaltenden Wirkung der func-
tionellen Anpassung auf alle Organe ist implicite auch ausge-
sprochen, dass alle Gewebe des Körpers, also Ganglienzellen,
Nerven, Sinneszellen, Muskel-, Drüsen-, Epithel-, Binde-,
Knorpel- und Knochen-Gewebe davon betroffen werden.

Um so weniger ist die Art der Wirkung berücksichtigt
worden. Darwin und alle anderen Autoren erwähnen blos,
dass vermehrter Gebrauch die Organe vergrössert, verminderter
sie verkleinert.

Es scheint mir indessen lohnend, die Wirkungsweise an
den einzelnen Organen zu untersuchen. Es ergiebt sich schon
bei blosser Prüfung des gegenwärtig Bekannten ohne besondere
daraufhin angestellte Beobachtungen mit grosser Wahrschein-
lichkeit das folgende morphologische Gesetz der func-
tionellen Anpassung:

1) Pflüger's Archiv. Bd. 15. p. 84.

A. Leistungen derselben.
mit Erhaltung annähernd der normalen Formen und besonders ganz
normaler, entzündliche Knochenbildung ausschliessender glatter
Oberfläche, verdickt. Die Köpfe des Knochens waren weniger
verdickt, aber so geformt, dass sie vermittelst ausgebildeter,
sehr starker Bindegewebszüge zwischen ihnen und jedem zu-
gehörigen Ende des Schienbeines den neuen Functionen der
Uebertragung des Druckes vom oberen Ende des Schienbeins
auf das untere zu genügen vermochten. Derartige Beispiele der
Activitätshypertrophie der Knochen und des Bindegewebes wer-
den sich wohl in jeder pathologischen Sammlung vorfinden.

Pflüger erwähnt ganz allgemein 1): »Es ist aber eine
Thatsache, dass bei grösserem Verlust in Folge verstärkter Ar-
beit solche Bedingungen entstehen, denen zufolge immer etwas
mehr wiedergewonnen wird, als verloren ging, denn der anhal-
tende stärkere Gebrauch des Organes lässt dasselbe an Masse
und Kraft zunehmen.

Mit der Ausdehnung der umgestaltenden Wirkung der func-
tionellen Anpassung auf alle Organe ist implicite auch ausge-
sprochen, dass alle Gewebe des Körpers, also Ganglienzellen,
Nerven, Sinneszellen, Muskel-, Drüsen-, Epithel-, Binde-,
Knorpel- und Knochen-Gewebe davon betroffen werden.

Um so weniger ist die Art der Wirkung berücksichtigt
worden. Darwin und alle anderen Autoren erwähnen blos,
dass vermehrter Gebrauch die Organe vergrössert, verminderter
sie verkleinert.

Es scheint mir indessen lohnend, die Wirkungsweise an
den einzelnen Organen zu untersuchen. Es ergiebt sich schon
bei blosser Prüfung des gegenwärtig Bekannten ohne besondere
daraufhin angestellte Beobachtungen mit grosser Wahrschein-
lichkeit das folgende morphologische Gesetz der func-
tionellen Anpassung:

1) Pflüger’s Archiv. Bd. 15. p. 84.
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[15/0029] A. Leistungen derselben. mit Erhaltung annähernd der normalen Formen und besonders ganz normaler, entzündliche Knochenbildung ausschliessender glatter Oberfläche, verdickt. Die Köpfe des Knochens waren weniger verdickt, aber so geformt, dass sie vermittelst ausgebildeter, sehr starker Bindegewebszüge zwischen ihnen und jedem zu- gehörigen Ende des Schienbeines den neuen Functionen der Uebertragung des Druckes vom oberen Ende des Schienbeins auf das untere zu genügen vermochten. Derartige Beispiele der Activitätshypertrophie der Knochen und des Bindegewebes wer- den sich wohl in jeder pathologischen Sammlung vorfinden. Pflüger erwähnt ganz allgemein 1): »Es ist aber eine Thatsache, dass bei grösserem Verlust in Folge verstärkter Ar- beit solche Bedingungen entstehen, denen zufolge immer etwas mehr wiedergewonnen wird, als verloren ging, denn der anhal- tende stärkere Gebrauch des Organes lässt dasselbe an Masse und Kraft zunehmen. Mit der Ausdehnung der umgestaltenden Wirkung der func- tionellen Anpassung auf alle Organe ist implicite auch ausge- sprochen, dass alle Gewebe des Körpers, also Ganglienzellen, Nerven, Sinneszellen, Muskel-, Drüsen-, Epithel-, Binde-, Knorpel- und Knochen-Gewebe davon betroffen werden. Um so weniger ist die Art der Wirkung berücksichtigt worden. Darwin und alle anderen Autoren erwähnen blos, dass vermehrter Gebrauch die Organe vergrössert, verminderter sie verkleinert. Es scheint mir indessen lohnend, die Wirkungsweise an den einzelnen Organen zu untersuchen. Es ergiebt sich schon bei blosser Prüfung des gegenwärtig Bekannten ohne besondere daraufhin angestellte Beobachtungen mit grosser Wahrschein- lichkeit das folgende morphologische Gesetz der func- tionellen Anpassung: 1) Pflüger’s Archiv. Bd. 15. p. 84.

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/29>, abgerufen am 21.11.2024.