Rubens, Heinrich: Gedächtnisrede auf Friedrich Kohlrausch. Berlin, 1910.Gedächtnisrede auf Friedrich Kohlrausch. > bahn führte ihn 1870 als Ordinarius an das Polytechnikum in Zürich, 1871 in gleicher Eigenschaft an die Technische Hochschule in Darmstadt, 1875 endlich als Nachfolger August Kundts an die Universität in Würzburg, an welcher er 13 Jahre hindurch eine glückliche Lehr- und Forschertätig- keit entfaltete. Diese Zeit seiner Würzburger Professur ist in wissenschaft- licher Beziehung die fruchtbarste seines Lebens geworden. Hier hat er seine berühmten Versuche über elektrische Maßbestimmungen und über die Leitfähigkeit der Elektrolyte vollendet; hier ist es ihm zuerst möglich ge- wesen, in dem neuerbauten physikalischen Institut den systematischen La- boratoriumsunterricht in der von ihm angestrebten Weise durchzuführen. Als August Kundt 1888 nach Berlin berufen wurde, gelang es der Straß- burger Fakultät, Kohlrausch zur Annahme der frei gewordenen Professur zu bestimmen, und als sechs Jahre später August Kundt der Wissen- schaft durch einen jähen Tod entrissen wurde, erging wiederum an Kohl- rausch der Ruf, den verwaisten Lehrstuhl an der Berliner Universität zu besetzen. Die Frage, ob er diesem ehrenvollen Ruf folgen solle, ob es für ihn richtig sei, die größere Ruhe und geistige Konzentration, welche die kleinere Universität bietet, gegen die in mancher Beziehung großartigere Lehrtätigkeit an der Riesenuniversität der Reichshauptstadt zu vertauschen, hat ihn lange und intensiv beschäftigt. Aber kaum war Friedrich Kohl- rausch nach reiflicher Uberlegung zu einem ablehnenden Bescheid gelangt, als er von neuem vor diese Frage in etwas veränderter Form gestellt wurde. Wenige Monate nach August Kundts Tod verlor die deutsche Wissenschaft auch denjenigen Mann, welcher neben Galilei und Newton als der größte Meister der Physik angesehen werden muß, Hermann von Helmholtz. Es ergab sich die Notwendigkeit, unter den Physikern Deutschlands nach einem geeigneten Präsidenten der physikalisch-tech- nischen Reichsanstalt Umschau zu halten, und hier konnte die Wahl nicht zweifelhaft sein. Gerade auf dem hier in Betracht kommenden Gebiete der exakten Messungen hatte Kohlrausch in Deutschland nicht seines- gleichen. Als Nachfolger von Helmholtz an die Reichsanstalt berufen, hat er sich der Verpflichtung, sein vielseitiges Wissen und die reichen Schätze seiner Erfahrung in den Dienst dieses wohl einzig in der Welt da- stehenden Forschungsinstituts zu stellen, nicht entziehen mögen. Zehn Jahre hindurch hat er sich mit der ihm eigenen Pflichttreue dem großen Werke gewidmet, und es darf ihm das hohe Lob gespendet werden, daß Gedächtnisrede auf Friedrich Kohlrausch. > bahn führte ihn 1870 als Ordinarius an das Polytechnikum in Zürich, 1871 in gleicher Eigenschaft an die Technische Hochschule in Darmstadt, 1875 endlich als Nachfolger August Kundts an die Universität in Würzburg, an welcher er 13 Jahre hindurch eine glückliche Lehr- und Forschertätig- keit entfaltete. Diese Zeit seiner Würzburger Professur ist in wissenschaft- licher Beziehung die fruchtbarste seines Lebens geworden. Hier hat er seine berühmten Versuche über elektrische Maßbestimmungen und über die Leitfähigkeit der Elektrolyte vollendet; hier ist es ihm zuerst möglich ge- wesen, in dem neuerbauten physikalischen Institut den systematischen La- boratoriumsunterricht in der von ihm angestrebten Weise durchzuführen. Als August Kundt 1888 nach Berlin berufen wurde, gelang es der Straß- burger Fakultät, Kohlrausch zur Annahme der frei gewordenen Professur zu bestimmen, und als sechs Jahre später August Kundt der Wissen- schaft durch einen jähen Tod entrissen wurde, erging wiederum an Kohl- rausch der Ruf, den verwaisten Lehrstuhl an der Berliner Universität zu besetzen. Die Frage, ob er diesem ehrenvollen Ruf folgen solle, ob es für ihn richtig sei, die größere Ruhe und geistige Konzentration, welche die kleinere Universität bietet, gegen die in mancher Beziehung großartigere Lehrtätigkeit an der Riesenuniversität der Reichshauptstadt zu vertauschen, hat ihn lange und intensiv beschäftigt. Aber kaum war Friedrich Kohl- rausch nach reiflicher Ūberlegung zu einem ablehnenden Bescheid gelangt, als er von neuem vor diese Frage in etwas veränderter Form gestellt wurde. Wenige Monate nach August Kundts Tod verlor die deutsche Wissenschaft auch denjenigen Mann, welcher neben Galilei und Newton als der größte Meister der Physik angesehen werden muß, Hermann von Helmholtz. Es ergab sich die Notwendigkeit, unter den Physikern Deutschlands nach einem geeigneten Präsidenten der physikalisch-tech- nischen Reichsanstalt Umschau zu halten, und hier konnte die Wahl nicht zweifelhaft sein. Gerade auf dem hier in Betracht kommenden Gebiete der exakten Messungen hatte Kohlrausch in Deutschland nicht seines- gleichen. Als Nachfolger von Helmholtz an die Reichsanstalt berufen, hat er sich der Verpflichtung, sein vielseitiges Wissen und die reichen Schätze seiner Erfahrung in den Dienst dieses wohl einzig in der Welt da- stehenden Forschungsinstituts zu stellen, nicht entziehen mögen. Zehn Jahre hindurch hat er sich mit der ihm eigenen Pflichttreue dem großen Werke gewidmet, und es darf ihm das hohe Lob gespendet werden, daß <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0007" n="7"/><lb/> <fw type="header" place="top">Gedächtnisrede auf Friedrich Kohlrausch.</fw><fw type="pageNum" place="top">5</fw>><lb/> bahn führte ihn 1870 als Ordinarius an das Polytechnikum in Zürich, 1871<lb/> in gleicher Eigenschaft an die Technische Hochschule in Darmstadt, 1875<lb/> endlich als Nachfolger August Kundts an die Universität in Würzburg,<lb/> an welcher er 13 Jahre hindurch eine glückliche Lehr- und Forschertätig-<lb/> keit entfaltete. Diese Zeit seiner Würzburger Professur ist in wissenschaft-<lb/> licher Beziehung die fruchtbarste seines Lebens geworden. Hier hat er<lb/> seine berühmten Versuche über elektrische Maßbestimmungen und über die<lb/> Leitfähigkeit der Elektrolyte vollendet; hier ist es ihm zuerst möglich ge-<lb/> wesen, in dem neuerbauten physikalischen Institut den systematischen La-<lb/> boratoriumsunterricht in der von ihm angestrebten Weise durchzuführen.<lb/> Als August Kundt 1888 nach Berlin berufen wurde, gelang es der Straß-<lb/> burger Fakultät, Kohlrausch zur Annahme der frei gewordenen Professur<lb/> zu bestimmen, und als sechs Jahre später August Kundt der Wissen-<lb/> schaft durch einen jähen Tod entrissen wurde, erging wiederum an Kohl-<lb/> rausch der Ruf, den verwaisten Lehrstuhl an der Berliner Universität zu<lb/> besetzen. Die Frage, ob er diesem ehrenvollen Ruf folgen solle, ob es für<lb/> ihn richtig sei, die größere Ruhe und geistige Konzentration, welche die<lb/> kleinere Universität bietet, gegen die in mancher Beziehung großartigere<lb/> Lehrtätigkeit an der Riesenuniversität der Reichshauptstadt zu vertauschen,<lb/> hat ihn lange und intensiv beschäftigt. Aber kaum war Friedrich Kohl-<lb/> rausch nach reiflicher Ūberlegung zu einem ablehnenden Bescheid gelangt,<lb/> als er von neuem vor diese Frage in etwas veränderter Form gestellt<lb/> wurde. Wenige Monate nach August Kundts Tod verlor die deutsche<lb/> Wissenschaft auch denjenigen Mann, welcher neben Galilei und Newton<lb/> als der größte Meister der Physik angesehen werden muß, Hermann von<lb/> Helmholtz. Es ergab sich die Notwendigkeit, unter den Physikern<lb/> Deutschlands nach einem geeigneten Präsidenten der physikalisch-tech-<lb/> nischen Reichsanstalt Umschau zu halten, und hier konnte die Wahl nicht<lb/> zweifelhaft sein. Gerade auf dem hier in Betracht kommenden Gebiete<lb/> der exakten Messungen hatte Kohlrausch in Deutschland nicht seines-<lb/> gleichen. Als Nachfolger von Helmholtz an die Reichsanstalt berufen,<lb/> hat er sich der Verpflichtung, sein vielseitiges Wissen und die reichen<lb/> Schätze seiner Erfahrung in den Dienst dieses wohl einzig in der Welt da-<lb/> stehenden Forschungsinstituts zu stellen, nicht entziehen mögen. Zehn<lb/> Jahre hindurch hat er sich mit der ihm eigenen Pflichttreue dem großen<lb/> Werke gewidmet, und es darf ihm das hohe Lob gespendet werden, daß </p> </body> </text> </TEI> [7/0007]
Gedächtnisrede auf Friedrich Kohlrausch.
5
>
bahn führte ihn 1870 als Ordinarius an das Polytechnikum in Zürich, 1871
in gleicher Eigenschaft an die Technische Hochschule in Darmstadt, 1875
endlich als Nachfolger August Kundts an die Universität in Würzburg,
an welcher er 13 Jahre hindurch eine glückliche Lehr- und Forschertätig-
keit entfaltete. Diese Zeit seiner Würzburger Professur ist in wissenschaft-
licher Beziehung die fruchtbarste seines Lebens geworden. Hier hat er
seine berühmten Versuche über elektrische Maßbestimmungen und über die
Leitfähigkeit der Elektrolyte vollendet; hier ist es ihm zuerst möglich ge-
wesen, in dem neuerbauten physikalischen Institut den systematischen La-
boratoriumsunterricht in der von ihm angestrebten Weise durchzuführen.
Als August Kundt 1888 nach Berlin berufen wurde, gelang es der Straß-
burger Fakultät, Kohlrausch zur Annahme der frei gewordenen Professur
zu bestimmen, und als sechs Jahre später August Kundt der Wissen-
schaft durch einen jähen Tod entrissen wurde, erging wiederum an Kohl-
rausch der Ruf, den verwaisten Lehrstuhl an der Berliner Universität zu
besetzen. Die Frage, ob er diesem ehrenvollen Ruf folgen solle, ob es für
ihn richtig sei, die größere Ruhe und geistige Konzentration, welche die
kleinere Universität bietet, gegen die in mancher Beziehung großartigere
Lehrtätigkeit an der Riesenuniversität der Reichshauptstadt zu vertauschen,
hat ihn lange und intensiv beschäftigt. Aber kaum war Friedrich Kohl-
rausch nach reiflicher Ūberlegung zu einem ablehnenden Bescheid gelangt,
als er von neuem vor diese Frage in etwas veränderter Form gestellt
wurde. Wenige Monate nach August Kundts Tod verlor die deutsche
Wissenschaft auch denjenigen Mann, welcher neben Galilei und Newton
als der größte Meister der Physik angesehen werden muß, Hermann von
Helmholtz. Es ergab sich die Notwendigkeit, unter den Physikern
Deutschlands nach einem geeigneten Präsidenten der physikalisch-tech-
nischen Reichsanstalt Umschau zu halten, und hier konnte die Wahl nicht
zweifelhaft sein. Gerade auf dem hier in Betracht kommenden Gebiete
der exakten Messungen hatte Kohlrausch in Deutschland nicht seines-
gleichen. Als Nachfolger von Helmholtz an die Reichsanstalt berufen,
hat er sich der Verpflichtung, sein vielseitiges Wissen und die reichen
Schätze seiner Erfahrung in den Dienst dieses wohl einzig in der Welt da-
stehenden Forschungsinstituts zu stellen, nicht entziehen mögen. Zehn
Jahre hindurch hat er sich mit der ihm eigenen Pflichttreue dem großen
Werke gewidmet, und es darf ihm das hohe Lob gespendet werden, daß
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Matthias Boenig, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademiebibliothek: Bereitstellung der Digitalisate und OCR.
(2020-03-03T12:13:05Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, OCR-D: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2020-03-04T12:13:05Z)
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |