Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.Halse. Dies empörte selbst meine sanfte Schwe- ster so, daß sie das Adölfchen beim Arme faßte, und es derb durchklopfte. Jetzt fing die schwache Mutter an zu lamentieren, daß dem Kleinen Un- recht geschehe, da das Shawl ihm gehöre, und er nur sein Eigenthumsrecht geltend mache. Jch überließ meiner Schwester die fernere Gerechtig- keitspflege an dem Kleinen, nahm die Mutter am Arm, ging mit ihr voraus und fragte sie, wie das mit dem Eigenthum des Kleinen gemeynt sey? Sie antwortete, daß sie ihm das Shawl eines Tages, da er sehr darauf bestanden, es zu ha- ben, wirklich geschenkt, und in seine Kleiderkom- mode gethan, wo sie alle seine Sachen, und al- les was er geschenkt bekomme, beisammen ver- wahrt, und ihm oft mit dem Bedeuten gezeigt habe, daß dies alles sein Eigenthum sey, wel- ches ohne seinen Willen niemand anrühren dürfe. Sie glaube, daß es zum Werthhalten und in- Achtnehmen der Sachen viel beitrage, wenn ein Kind früh wisse, was sein sey. Jch mach- te einige Versuche, ihr über diesen Punkt zu an- dern Jdeen zu verhelfen; aber ich merkte bald, Halſe. Dies empörte ſelbſt meine ſanfte Schwe- ſter ſo, daß ſie das Adölfchen beim Arme faßte, und es derb durchklopfte. Jetzt fing die ſchwache Mutter an zu lamentieren, daß dem Kleinen Un- recht geſchehe, da das Shawl ihm gehöre, und er nur ſein Eigenthumsrecht geltend mache. Jch überlièß meiner Schweſter die fernere Gerechtig- keitspflege an dem Kleinen, nahm die Mutter am Arm, ging mit ihr voraus und fragte ſie, wie das mit dem Eigenthum des Kleinen gemeynt ſey? Sie antwortete, daß ſie ihm das Shawl eines Tages, da er ſehr darauf beſtanden, es zu ha- ben, wirklich geſchenkt, und in ſeine Kleiderkom- mode gethan, wo ſie alle ſeine Sachen, und al- les was er geſchenkt bekomme, beiſammen ver- wahrt, und ihm oft mit dem Bedeuten gezeigt habe, daß dies alles ſein Eigenthum ſey, wel- ches ohne ſeinen Willen niemand anrühren dürfe. Sie glaube, daß es zum Werthhalten und in- Achtnehmen der Sachen viel beitrage, wenn ein Kind früh wiſſe, was ſein ſey. Jch mach- te einige Verſuche, ihr über dieſen Punkt zu an- dern Jdeen zu verhelfen; aber ich merkte bald, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0113" n="99"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Halſe. Dies empörte ſelbſt meine ſanfte Schwe-<lb/> ſter ſo, daß ſie das Adölfchen beim Arme faßte,<lb/> und es derb durchklopfte. Jetzt fing die ſchwache<lb/> Mutter an zu lamentieren, daß dem Kleinen Un-<lb/> recht geſchehe, da das Shawl <hi rendition="#g">ihm</hi> gehöre, und<lb/> er nur ſein Eigenthumsrecht geltend mache. Jch<lb/> überlièß meiner Schweſter die fernere Gerechtig-<lb/> keitspflege an dem Kleinen, nahm die Mutter<lb/> am Arm, ging mit ihr voraus und fragte ſie, wie<lb/> das mit dem Eigenthum des Kleinen gemeynt ſey?<lb/> Sie antwortete, daß ſie ihm das Shawl eines<lb/> Tages, da er ſehr darauf beſtanden, es zu ha-<lb/> ben, wirklich geſchenkt, und in ſeine Kleiderkom-<lb/> mode gethan, wo ſie alle ſeine Sachen, und al-<lb/> les was er geſchenkt bekomme, beiſammen ver-<lb/> wahrt, und ihm oft mit dem Bedeuten gezeigt<lb/> habe, daß dies alles ſein Eigenthum ſey, wel-<lb/> ches ohne ſeinen Willen niemand anrühren dürfe.<lb/> Sie glaube, daß es zum Werthhalten und in-<lb/> Achtnehmen der Sachen viel beitrage, wenn ein<lb/> Kind <hi rendition="#g">früh wiſſe, was ſein ſey</hi>. Jch mach-<lb/> te einige Verſuche, ihr über dieſen Punkt zu an-<lb/> dern Jdeen zu verhelfen; aber ich merkte bald,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [99/0113]
Halſe. Dies empörte ſelbſt meine ſanfte Schwe-
ſter ſo, daß ſie das Adölfchen beim Arme faßte,
und es derb durchklopfte. Jetzt fing die ſchwache
Mutter an zu lamentieren, daß dem Kleinen Un-
recht geſchehe, da das Shawl ihm gehöre, und
er nur ſein Eigenthumsrecht geltend mache. Jch
überlièß meiner Schweſter die fernere Gerechtig-
keitspflege an dem Kleinen, nahm die Mutter
am Arm, ging mit ihr voraus und fragte ſie, wie
das mit dem Eigenthum des Kleinen gemeynt ſey?
Sie antwortete, daß ſie ihm das Shawl eines
Tages, da er ſehr darauf beſtanden, es zu ha-
ben, wirklich geſchenkt, und in ſeine Kleiderkom-
mode gethan, wo ſie alle ſeine Sachen, und al-
les was er geſchenkt bekomme, beiſammen ver-
wahrt, und ihm oft mit dem Bedeuten gezeigt
habe, daß dies alles ſein Eigenthum ſey, wel-
ches ohne ſeinen Willen niemand anrühren dürfe.
Sie glaube, daß es zum Werthhalten und in-
Achtnehmen der Sachen viel beitrage, wenn ein
Kind früh wiſſe, was ſein ſey. Jch mach-
te einige Verſuche, ihr über dieſen Punkt zu an-
dern Jdeen zu verhelfen; aber ich merkte bald,
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