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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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ter Tausenden der rechte scheint. Daß er auch
menschliche Schwächen hat, versteht sich; sie sind
aber nicht der Art, daß Woldemar sie jetzt schon zu
bemerken vermöchte, und die ihn hindern könn-
ten, an ihn, wie an ein hohes Jdeal, hinauf zu
schauen. Und würden sie dem Kleinen früher sicht-
bar, als wir vermuthen, so sind diese Schwächen
durch die herrlichsten Vorzüge stark überglänzt,
und können der Achtung für ihn nur wenig Ab-
bruch thun.



Vierzehnter Brief.

Mit Ungeduld siehest Du dem verheißenen Bilde
des künftigen Mentors Deines Woldemar entge-
gen? Wohlan denn! Er ist ein junger Mann von
acht und zwanzig Jahren, hat einige Jahre die
Rechte und die Staatswirthschaft studirt, und war
von seinen Verwandten für eine glänzende Lauf-
bahn bestimmt, fühlte aber eine so starke Abnei-
gung gegen diese Bestimmung, oder vielmehr ge-
gen die gewöhnlichen Wege zu diesem Ziele der



ter Tauſenden der rechte ſcheint. Daß er auch
menſchliche Schwächen hat, verſteht ſich; ſie ſind
aber nicht der Art, daß Woldemar ſie jetzt ſchon zu
bemerken vermöchte, und die ihn hindern könn-
ten, an ihn, wie an ein hohes Jdeal, hinauf zu
ſchauen. Und würden ſie dem Kleinen früher ſicht-
bar, als wir vermuthen, ſo ſind dieſe Schwächen
durch die herrlichſten Vorzüge ſtark überglänzt,
und können der Achtung für ihn nur wenig Ab-
bruch thun.



Vierzehnter Brief.

Mit Ungeduld ſieheſt Du dem verheißenen Bilde
des künftigen Mentors Deines Woldemar entge-
gen? Wohlan denn! Er iſt ein junger Mann von
acht und zwanzig Jahren, hat einige Jahre die
Rechte und die Staatswirthſchaft ſtudirt, und war
von ſeinen Verwandten für eine glänzende Lauf-
bahn beſtimmt, fühlte aber eine ſo ſtarke Abnei-
gung gegen dieſe Beſtimmung, oder vielmehr ge-
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[108/0122] ter Tauſenden der rechte ſcheint. Daß er auch menſchliche Schwächen hat, verſteht ſich; ſie ſind aber nicht der Art, daß Woldemar ſie jetzt ſchon zu bemerken vermöchte, und die ihn hindern könn- ten, an ihn, wie an ein hohes Jdeal, hinauf zu ſchauen. Und würden ſie dem Kleinen früher ſicht- bar, als wir vermuthen, ſo ſind dieſe Schwächen durch die herrlichſten Vorzüge ſtark überglänzt, und können der Achtung für ihn nur wenig Ab- bruch thun. Vierzehnter Brief. Mit Ungeduld ſieheſt Du dem verheißenen Bilde des künftigen Mentors Deines Woldemar entge- gen? Wohlan denn! Er iſt ein junger Mann von acht und zwanzig Jahren, hat einige Jahre die Rechte und die Staatswirthſchaft ſtudirt, und war von ſeinen Verwandten für eine glänzende Lauf- bahn beſtimmt, fühlte aber eine ſo ſtarke Abnei- gung gegen dieſe Beſtimmung, oder vielmehr ge- gen die gewöhnlichen Wege zu dieſem Ziele der

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/122>, abgerufen am 24.11.2024.