Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.wie der Kleine auf mich zueilte, die unverkennbar kindliche Zärtlichkeit, mit der er mir um den Hals fiel, und sonst fast niemand im Zimmer bemerkte, fiel P. stark auf. Sein Blick war fest auf den Kleinen geheftet. Und als Woldemar nun anfing von Dir zu erzählen, und von Jda, und wie das Schwesterchen ihn gar nicht habe lassen wollen, und wie seine Augen bei der Erinnerung überflos- sen, sagte Hr. von P. leise zu mir: Noch nie sah' ich ein Kind, das so auf mich gewirkt hätte! Ei- ne sehr edle Natur ist seinem Wesen sichtbar auf- geprägt. Wie kam es, daß Sie mir von diesem Sohn Jhrer Freundin nicht mehr und bisher fast gar nichts Bestimmtes sagten? Jch lächelte und schwieg. Es ward nun von al- wie der Kleine auf mich zueilte, die unverkennbar kindliche Zärtlichkeit, mit der er mir um den Hals fiel, und ſonſt faſt niemand im Zimmer bemerkte, fiel P. ſtark auf. Sein Blick war feſt auf den Kleinen geheftet. Und als Woldemar nun anfing von Dir zu erzählen, und von Jda, und wie das Schweſterchen ihn gar nicht habe laſſen wollen, und wie ſeine Augen bei der Erinnerung überfloſ- ſen, ſagte Hr. von P. leiſe zu mir: Noch nie ſah’ ich ein Kind, das ſo auf mich gewirkt hätte! Ei- ne ſehr edle Natur iſt ſeinem Weſen ſichtbar auf- geprägt. Wie kam es, daß Sie mir von dieſem Sohn Jhrer Freundin nicht mehr und bisher faſt gar nichts Beſtimmtes ſagten? Jch lächelte und ſchwieg. Es ward nun von al- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0130" n="116"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> wie der Kleine auf mich zueilte, die unverkennbar<lb/> kindliche Zärtlichkeit, mit der er mir um den Hals<lb/> fiel, und ſonſt faſt niemand im Zimmer bemerkte,<lb/> fiel P. ſtark auf. Sein Blick war feſt auf den<lb/> Kleinen geheftet. Und als Woldemar nun anfing<lb/> von Dir zu erzählen, und von Jda, und wie das<lb/> Schweſterchen ihn gar nicht habe laſſen wollen,<lb/> und wie ſeine Augen bei der Erinnerung überfloſ-<lb/> ſen, ſagte Hr. von P. leiſe zu mir: Noch nie ſah’<lb/> ich ein Kind, das ſo auf mich gewirkt hätte! Ei-<lb/> ne ſehr edle Natur iſt ſeinem Weſen ſichtbar auf-<lb/> geprägt. Wie kam es, daß Sie mir von dieſem<lb/> Sohn Jhrer Freundin nicht mehr und bisher faſt<lb/> gar nichts Beſtimmtes ſagten?</p><lb/> <p>Jch lächelte und ſchwieg. Es ward nun von al-<lb/> lerlei andern Dingen geſprochen. Woldemar hat-<lb/> te den fremden Herrn ein paarmal flüchtig betrach-<lb/> tet. Sein großer Blick und ſeine freundliche Mie-<lb/> ne machten Furcht und Vertrauen in dem Knaben<lb/> wechſeln. Faſt getraute er ſich nicht mehr hin-<lb/> zublicken, und doch konnt’ er es nicht laſſen, und<lb/> meinen Freund ergötzte dieſer Kampf in dem Ge-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0130]
wie der Kleine auf mich zueilte, die unverkennbar
kindliche Zärtlichkeit, mit der er mir um den Hals
fiel, und ſonſt faſt niemand im Zimmer bemerkte,
fiel P. ſtark auf. Sein Blick war feſt auf den
Kleinen geheftet. Und als Woldemar nun anfing
von Dir zu erzählen, und von Jda, und wie das
Schweſterchen ihn gar nicht habe laſſen wollen,
und wie ſeine Augen bei der Erinnerung überfloſ-
ſen, ſagte Hr. von P. leiſe zu mir: Noch nie ſah’
ich ein Kind, das ſo auf mich gewirkt hätte! Ei-
ne ſehr edle Natur iſt ſeinem Weſen ſichtbar auf-
geprägt. Wie kam es, daß Sie mir von dieſem
Sohn Jhrer Freundin nicht mehr und bisher faſt
gar nichts Beſtimmtes ſagten?
Jch lächelte und ſchwieg. Es ward nun von al-
lerlei andern Dingen geſprochen. Woldemar hat-
te den fremden Herrn ein paarmal flüchtig betrach-
tet. Sein großer Blick und ſeine freundliche Mie-
ne machten Furcht und Vertrauen in dem Knaben
wechſeln. Faſt getraute er ſich nicht mehr hin-
zublicken, und doch konnt’ er es nicht laſſen, und
meinen Freund ergötzte dieſer Kampf in dem Ge-
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