Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.sichte des Kleinen königlich. Jch hatte Woldemar zu mir auf den Sopha gezogen, um recht ver- traut mit ihm zu plaudern. Aber immer blickte er halb verstohlen wieder hin nach P. Dieser trat näher an uns, nahm Woldemar's Hand, sah ihn noch liebreicher an, als zuvor, und fragte: Nicht wahr, du fürchtest dich nicht vor mir, lieber Wol- demar? Der Kleine sagte betroffen: Jch fürchte mich niemals; ward aber feuerroth, und wollte hinaus. Bleib bei uns, sagte P. sanft bittend. Der Knabe wagte wieder einen Blick zu ihm hin- auf, und P. sah ihn mit rührender Liebe an. "Nun fürchte ich mich gar nicht mehr, Herr ſichte des Kleinen königlich. Jch hatte Woldemar zu mir auf den Sopha gezogen, um recht ver- traut mit ihm zu plaudern. Aber immer blickte er halb verſtohlen wieder hin nach P. Dieſer trat näher an uns, nahm Woldemar’s Hand, ſah ihn noch liebreicher an, als zuvor, und fragte: Nicht wahr, du fürchteſt dich nicht vor mir, lieber Wol- demar? Der Kleine ſagte betroffen: Jch fürchte mich niemals; ward aber feuerroth, und wollte hinaus. Bleib bei uns, ſagte P. ſanft bittend. Der Knabe wagte wieder einen Blick zu ihm hin- auf, und P. ſah ihn mit rührender Liebe an. „Nun fürchte ich mich gar nicht mehr, Herr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0131" n="117"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ſichte des Kleinen königlich. Jch hatte Woldemar<lb/> zu mir auf den Sopha gezogen, um recht ver-<lb/> traut mit ihm zu plaudern. Aber immer blickte<lb/> er halb verſtohlen wieder hin nach P. Dieſer trat<lb/> näher an uns, nahm Woldemar’s Hand, ſah ihn<lb/> noch liebreicher an, als zuvor, und fragte: Nicht<lb/> wahr, du fürchteſt dich nicht vor mir, lieber Wol-<lb/> demar? Der Kleine ſagte betroffen: Jch fürchte<lb/> mich niemals; ward aber feuerroth, und wollte<lb/> hinaus. Bleib bei uns, ſagte P. ſanft bittend.<lb/> Der Knabe wagte wieder einen Blick zu ihm hin-<lb/> auf, und P. ſah ihn mit rührender Liebe an.</p><lb/> <p>„Nun fürchte ich mich gar nicht mehr, Herr<lb/> von P.‟ — „Nun ſo komm näher und liebe mich.‟<lb/> Und im Nu ſprang der Kleine auf und hing an<lb/> des Mannes Halſe. P.’s Auge glänzte von<lb/> Freude, ein ſolches Kinderherz gewonnen zu ha-<lb/> ben. „Heiß mich Du, und P., und nicht Sie<lb/> und Herr von P.‟ — Das kann ich nicht, gewiß<lb/> ich kann nicht. — „So fürchteſt du dich auch noch.‟<lb/> Jch fürchte mich nicht mehr, aber Sie ſind ſo groß<lb/> und ſind — die Worte fehlten ihm zu dem, was<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [117/0131]
ſichte des Kleinen königlich. Jch hatte Woldemar
zu mir auf den Sopha gezogen, um recht ver-
traut mit ihm zu plaudern. Aber immer blickte
er halb verſtohlen wieder hin nach P. Dieſer trat
näher an uns, nahm Woldemar’s Hand, ſah ihn
noch liebreicher an, als zuvor, und fragte: Nicht
wahr, du fürchteſt dich nicht vor mir, lieber Wol-
demar? Der Kleine ſagte betroffen: Jch fürchte
mich niemals; ward aber feuerroth, und wollte
hinaus. Bleib bei uns, ſagte P. ſanft bittend.
Der Knabe wagte wieder einen Blick zu ihm hin-
auf, und P. ſah ihn mit rührender Liebe an.
„Nun fürchte ich mich gar nicht mehr, Herr
von P.‟ — „Nun ſo komm näher und liebe mich.‟
Und im Nu ſprang der Kleine auf und hing an
des Mannes Halſe. P.’s Auge glänzte von
Freude, ein ſolches Kinderherz gewonnen zu ha-
ben. „Heiß mich Du, und P., und nicht Sie
und Herr von P.‟ — Das kann ich nicht, gewiß
ich kann nicht. — „So fürchteſt du dich auch noch.‟
Jch fürchte mich nicht mehr, aber Sie ſind ſo groß
und ſind — die Worte fehlten ihm zu dem, was
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