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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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gentlich veröden, noch an allem verarmen, was
über den menschlichen Begriff hinaus liegt, da sie
das Bessere zu ihm brachten, und in ihn hinein
trugen. Aber das Zeitalter ward immer leichter
und frivoler. Die Apostel des Nichtglaubens er-
hoben ihre Stimme immer lauter. Die Menschen
mit einem glühenden Herzen für das Göttliche zo-
gen sich schweigend zurück. Die junge Generation
verwendete ihr weniges Feuer zur Vertilgung des
Glaubens, ihren Witz, oder vielmehr Persiflage,
zur Verspottung alles dessen, was der kalte Ver-
stand nicht erfassen konnte. Der Strom schwoll
an, und strömte fort: Alles, was nur dem kind-
lichen Glauben des Herzens ähnlich sah, ward mit
weggeschwemmt. Aufklärung war die Loosung!
Aber welche! Man wollte nur einen Gott anbeten,
den man aus der Natur greifen könnte. Man fin-
det ihn auch in der Natur; aber zuerst in der Na-
tur eines heiligen Herzens. Und das Herz war
von der Aufklärung durchkältet. Die meiste Reli-
gion mochte noch in weiblichen Seelen zu finden
seyn; aber auch diese ergriff der Strom. Die
Männer, die ihn hätten eindämmen können, wa-

gentlich veröden, noch an allem verarmen, was
über den menſchlichen Begriff hinaus liegt, da ſie
das Beſſere zu ihm brachten, und in ihn hinein
trugen. Aber das Zeitalter ward immer leichter
und frivoler. Die Apoſtel des Nichtglaubens er-
hoben ihre Stimme immer lauter. Die Menſchen
mit einem glühenden Herzen für das Göttliche zo-
gen ſich ſchweigend zurück. Die junge Generation
verwendete ihr weniges Feuer zur Vertilgung des
Glaubens, ihren Witz, oder vielmehr Perſiflage,
zur Verſpottung alles deſſen, was der kalte Ver-
ſtand nicht erfaſſen konnte. Der Strom ſchwoll
an, und ſtrömte fort: Alles, was nur dem kind-
lichen Glauben des Herzens ähnlich ſah, ward mit
weggeſchwemmt. Aufklärung war die Looſung!
Aber welche! Man wollte nur einen Gott anbeten,
den man aus der Natur greifen könnte. Man fin-
det ihn auch in der Natur; aber zuerſt in der Na-
tur eines heiligen Herzens. Und das Herz war
von der Aufklärung durchkältet. Die meiſte Reli-
gion mochte noch in weiblichen Seelen zu finden
ſeyn; aber auch dieſe ergriff der Strom. Die
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[187/0201] gentlich veröden, noch an allem verarmen, was über den menſchlichen Begriff hinaus liegt, da ſie das Beſſere zu ihm brachten, und in ihn hinein trugen. Aber das Zeitalter ward immer leichter und frivoler. Die Apoſtel des Nichtglaubens er- hoben ihre Stimme immer lauter. Die Menſchen mit einem glühenden Herzen für das Göttliche zo- gen ſich ſchweigend zurück. Die junge Generation verwendete ihr weniges Feuer zur Vertilgung des Glaubens, ihren Witz, oder vielmehr Perſiflage, zur Verſpottung alles deſſen, was der kalte Ver- ſtand nicht erfaſſen konnte. Der Strom ſchwoll an, und ſtrömte fort: Alles, was nur dem kind- lichen Glauben des Herzens ähnlich ſah, ward mit weggeſchwemmt. Aufklärung war die Looſung! Aber welche! Man wollte nur einen Gott anbeten, den man aus der Natur greifen könnte. Man fin- det ihn auch in der Natur; aber zuerſt in der Na- tur eines heiligen Herzens. Und das Herz war von der Aufklärung durchkältet. Die meiſte Reli- gion mochte noch in weiblichen Seelen zu finden ſeyn; aber auch dieſe ergriff der Strom. Die Männer, die ihn hätten eindämmen können, wa-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/201>, abgerufen am 21.11.2024.