Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

rathet, damit die fremden Kinder immer in männ-
licher und weiblicher Umgebung zugleich sind,
und immer am warmen Strahl der Familienliebe
sich sonnen.

Pfarrer. Welch ein Jdeal von weiblicher
ausdauernder Energie fodern Sie, meine Freun-
din! Nennen Sie mir ein lebendes Weib unter
allen die Sie kennen, das, wenn es die Aufgabe
seines Lebens schon so ganz gelös't, noch Geistes-
und Gemüthskraft genug hätte, so ein zweites
noch schwereres Tagewerk zu beginnen, und --
zu enden.

Jch. Nun dann muß es freilich die Wittwe
oder Jungfrau seyn, die sich noch in der Blüthe
des Lebens dem Berufe, für Adoptivkinder zu leben,
ganz ausschließend hingebe.

Pfarrer. Und, Witwe oder Jungfrau, muß
sie eines oder das andere freiwillig
seyn, muß sich mit dem Schicksal völ-

lig abgefunden haben, und mit freiem Gei-
ste über Leidenschaft, Wunsch und Hoff-
nung
in dieser Rücksicht sich erheben können.

rathet, damit die fremden Kinder immer in männ-
licher und weiblicher Umgebung zugleich ſind,
und immer am warmen Strahl der Familienliebe
ſich ſonnen.

Pfarrer. Welch ein Jdeal von weiblicher
ausdauernder Energie fodern Sie, meine Freun-
din! Nennen Sie mir ein lebendes Weib unter
allen die Sie kennen, das, wenn es die Aufgabe
ſeines Lebens ſchon ſo ganz gelöſ’t, noch Geiſtes-
und Gemüthskraft genug hätte, ſo ein zweites
noch ſchwereres Tagewerk zu beginnen, und —
zu enden.

Jch. Nun dann muß es freilich die Wittwe
oder Jungfrau ſeyn, die ſich noch in der Blüthe
des Lebens dem Berufe, für Adoptivkinder zu leben,
ganz ausſchließend hingebe.

Pfarrer. Und, Witwe oder Jungfrau, muß
ſie eines oder das andere freiwillig
ſeyn, muß ſich mit dem Schickſal völ-

lig abgefunden haben, und mit freiem Gei-
ſte über Leidenſchaft, Wunſch und Hoff-
nung
in dieſer Rückſicht ſich erheben können.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0317" n="303"/>
rathet, damit die fremden Kinder immer in männ-<lb/>
licher und weiblicher Umgebung zugleich &#x017F;ind,<lb/>
und immer am warmen Strahl der Familienliebe<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;onnen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Pfarrer</hi>. Welch ein Jdeal von weiblicher<lb/>
ausdauernder Energie fodern Sie, meine Freun-<lb/>
din! Nennen Sie mir ein lebendes Weib unter<lb/>
allen die Sie kennen, das, wenn es die Aufgabe<lb/>
&#x017F;eines Lebens &#x017F;chon &#x017F;o ganz gelö&#x017F;&#x2019;t, noch Gei&#x017F;tes-<lb/>
und Gemüthskraft genug hätte, &#x017F;o ein zweites<lb/>
noch &#x017F;chwereres Tagewerk zu beginnen, und &#x2014;<lb/>
zu enden.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Jch</hi>. Nun dann muß es freilich die Wittwe<lb/>
oder Jungfrau &#x017F;eyn, die &#x017F;ich noch in der Blüthe<lb/>
des Lebens dem Berufe, für Adoptivkinder zu leben,<lb/>
ganz aus&#x017F;chließend hingebe.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Pfarrer</hi>. Und, Witwe oder Jungfrau, <hi rendition="#g">muß<lb/>
&#x017F;ie eines oder das andere freiwillig<lb/>
&#x017F;eyn, muß &#x017F;ich mit dem Schick&#x017F;al völ-</hi><lb/>
lig <hi rendition="#g">abgefunden haben,</hi> und mit freiem Gei-<lb/>
&#x017F;te über <hi rendition="#g">Leiden&#x017F;chaft, Wun&#x017F;ch und Hoff-<lb/>
nung</hi> in die&#x017F;er Rück&#x017F;icht &#x017F;ich erheben können.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[303/0317] rathet, damit die fremden Kinder immer in männ- licher und weiblicher Umgebung zugleich ſind, und immer am warmen Strahl der Familienliebe ſich ſonnen. Pfarrer. Welch ein Jdeal von weiblicher ausdauernder Energie fodern Sie, meine Freun- din! Nennen Sie mir ein lebendes Weib unter allen die Sie kennen, das, wenn es die Aufgabe ſeines Lebens ſchon ſo ganz gelöſ’t, noch Geiſtes- und Gemüthskraft genug hätte, ſo ein zweites noch ſchwereres Tagewerk zu beginnen, und — zu enden. Jch. Nun dann muß es freilich die Wittwe oder Jungfrau ſeyn, die ſich noch in der Blüthe des Lebens dem Berufe, für Adoptivkinder zu leben, ganz ausſchließend hingebe. Pfarrer. Und, Witwe oder Jungfrau, muß ſie eines oder das andere freiwillig ſeyn, muß ſich mit dem Schickſal völ- lig abgefunden haben, und mit freiem Gei- ſte über Leidenſchaft, Wunſch und Hoff- nung in dieſer Rückſicht ſich erheben können.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/317
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/317>, abgerufen am 24.11.2024.