Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite



Gemüth, und zünden oft erst spät; aber verloren
gehen sie nicht.

Also am letzten Tage ihres ersten Jahres hat
Jda Dich mit den deutlichen Worten: liebe Mut-
ter! erfreut? Und nun versucht sie auch: Bruder
Woldemar zu sagen und Onkel Wilhelm? Das
mag komisch genug klingen! Bald werde ich kom-
men, und sie Tante Selma sagen lehren. O was
wird die Tante Selma alles mit ihr plaudern! --
Erzähle ihr bis dahin von der Tante. Ehe ein
Monat verläuft, bin ich bei Dir.

Kindisch freue ich mich dieser Reise. Lebe wohl!
Stelle bis dahin häufige Sprechübungen mit un-
serm Liebling an. Jch bin sehr begierig, zu er-
fahren, wie viel und wie deutlich sie am Ende ih-
res funfzehnten Monats wird sprechen können.
Wenn sie auch noch gar nicht in ordentlich artiku-
lirten Tönen spräche; es dürfte Dir darum nicht
bange seyn. Es gibt Kinder, die vor Ablauf ih-
res zweiten Jahres nicht sprechen, und die doch
alle Sprachwerkzeuge haben, bei denen sich aber



Gemüth, und zünden oft erſt ſpät; aber verloren
gehen ſie nicht.

Alſo am letzten Tage ihres erſten Jahres hat
Jda Dich mit den deutlichen Worten: liebe Mut-
ter! erfreut? Und nun verſucht ſie auch: Bruder
Woldemar zu ſagen und Onkel Wilhelm? Das
mag komiſch genug klingen! Bald werde ich kom-
men, und ſie Tante Selma ſagen lehren. O was
wird die Tante Selma alles mit ihr plaudern! —
Erzähle ihr bis dahin von der Tante. Ehe ein
Monat verläuft, bin ich bei Dir.

Kindiſch freue ich mich dieſer Reiſe. Lebe wohl!
Stelle bis dahin häufige Sprechübungen mit un-
ſerm Liebling an. Jch bin ſehr begierig, zu er-
fahren, wie viel und wie deutlich ſie am Ende ih-
res funfzehnten Monats wird ſprechen können.
Wenn ſie auch noch gar nicht in ordentlich artiku-
lirten Tönen ſpräche; es dürfte Dir darum nicht
bange ſeyn. Es gibt Kinder, die vor Ablauf ih-
res zweiten Jahres nicht ſprechen, und die doch
alle Sprachwerkzeuge haben, bei denen ſich aber

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0061" n="47"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Gemüth, und zünden oft er&#x017F;t &#x017F;pät; aber verloren<lb/>
gehen &#x017F;ie nicht.</p><lb/>
          <p>Al&#x017F;o am letzten Tage ihres er&#x017F;ten Jahres hat<lb/>
Jda Dich mit den deutlichen Worten: liebe Mut-<lb/>
ter! erfreut? Und nun ver&#x017F;ucht &#x017F;ie auch: Bruder<lb/>
Woldemar zu &#x017F;agen und Onkel Wilhelm? Das<lb/>
mag komi&#x017F;ch genug klingen! Bald werde ich kom-<lb/>
men, und &#x017F;ie Tante Selma &#x017F;agen lehren. O was<lb/>
wird die Tante Selma alles mit ihr plaudern! &#x2014;<lb/>
Erzähle ihr bis dahin von der Tante. Ehe ein<lb/>
Monat verläuft, bin ich bei Dir.</p><lb/>
          <p>Kindi&#x017F;ch freue ich mich die&#x017F;er Rei&#x017F;e. Lebe wohl!<lb/>
Stelle bis dahin häufige Sprechübungen mit un-<lb/>
&#x017F;erm Liebling an. Jch bin &#x017F;ehr begierig, zu er-<lb/>
fahren, wie viel und wie deutlich &#x017F;ie am Ende ih-<lb/>
res funfzehnten Monats wird &#x017F;prechen können.<lb/>
Wenn &#x017F;ie auch noch gar nicht in ordentlich artiku-<lb/>
lirten Tönen &#x017F;präche; es dürfte Dir darum nicht<lb/>
bange &#x017F;eyn. Es gibt Kinder, die vor Ablauf ih-<lb/>
res zweiten Jahres nicht &#x017F;prechen, und die doch<lb/>
alle Sprachwerkzeuge haben, bei denen &#x017F;ich aber<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0061] Gemüth, und zünden oft erſt ſpät; aber verloren gehen ſie nicht. Alſo am letzten Tage ihres erſten Jahres hat Jda Dich mit den deutlichen Worten: liebe Mut- ter! erfreut? Und nun verſucht ſie auch: Bruder Woldemar zu ſagen und Onkel Wilhelm? Das mag komiſch genug klingen! Bald werde ich kom- men, und ſie Tante Selma ſagen lehren. O was wird die Tante Selma alles mit ihr plaudern! — Erzähle ihr bis dahin von der Tante. Ehe ein Monat verläuft, bin ich bei Dir. Kindiſch freue ich mich dieſer Reiſe. Lebe wohl! Stelle bis dahin häufige Sprechübungen mit un- ſerm Liebling an. Jch bin ſehr begierig, zu er- fahren, wie viel und wie deutlich ſie am Ende ih- res funfzehnten Monats wird ſprechen können. Wenn ſie auch noch gar nicht in ordentlich artiku- lirten Tönen ſpräche; es dürfte Dir darum nicht bange ſeyn. Es gibt Kinder, die vor Ablauf ih- res zweiten Jahres nicht ſprechen, und die doch alle Sprachwerkzeuge haben, bei denen ſich aber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/61
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/61>, abgerufen am 21.11.2024.