Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.bürgt mir alles, was ich in den drei Monaten von Deiner Verfahrungsart gesehen. Jch könnte jetzt vielleicht aufhören, Dir zu schreiben, und doch war Deine Bitte um fernere Leitung so herz- lich, und Dein Vertrauen auf die größere Erfah- rung und Geistesreife Deiner älteren Freundin so innig, daß ich nicht zu widerstehen vermag. Jch fahre also fort, Dir meine Jdeen über Jda's fernere Bildung mitzutheilen. Unbeschreiblich hat mich des Kindes feiner Sinn bürgt mir alles, was ich in den drei Monaten von Deiner Verfahrungsart geſehen. Jch könnte jetzt vielleicht aufhören, Dir zu ſchreiben, und doch war Deine Bitte um fernere Leitung ſo herz- lich, und Dein Vertrauen auf die größere Erfah- rung und Geiſtesreife Deiner älteren Freundin ſo innig, daß ich nicht zu widerſtehen vermag. Jch fahre alſo fort, Dir meine Jdeen über Jda’s fernere Bildung mitzutheilen. Unbeſchreiblich hat mich des Kindes feiner Sinn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0067" n="53"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> bürgt mir alles, was ich in den drei Monaten<lb/> von Deiner Verfahrungsart geſehen. Jch könnte<lb/> jetzt vielleicht aufhören, Dir zu ſchreiben, und<lb/> doch war Deine Bitte um fernere Leitung ſo herz-<lb/> lich, und Dein Vertrauen auf die größere Erfah-<lb/> rung und Geiſtesreife Deiner älteren Freundin<lb/> ſo innig, daß ich nicht zu widerſtehen vermag.<lb/> Jch fahre alſo fort, Dir meine Jdeen über Jda’s<lb/> fernere Bildung mitzutheilen.</p><lb/> <p>Unbeſchreiblich hat mich des Kindes feiner Sinn<lb/> für Reinlichkeit erfreut. Jch habe vergeſſen, Dir<lb/> zu erzählen, wie ſie einmal ſo traurig daſaß, als<lb/> ſie die kleinen Fingerchen beſchmutzt hatte, und<lb/> Du hinaus gerufen wurdeſt, ehe Du ſie reinigen<lb/> konnteſt! Gegen mich war ſie noch blöde; ich<lb/> merkt’ es nicht gleich, was ihr fehlte, bis ich ſie<lb/> ſtill weinen ſah. Als ich nun fragte, was ihr<lb/> fehle, ſah ſie beſchämt auf ihre Hände, und ſtam-<lb/> melte endlich: Liebe Tante, bitt’ abwiſchen. Jch<lb/> wuſch die kleinen Hände und küßte ſie auf die<lb/> Wange, und von dem Augenblick an waren wir<lb/> vertraut. Dieſer Sinn iſt eine der weiblichen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0067]
bürgt mir alles, was ich in den drei Monaten
von Deiner Verfahrungsart geſehen. Jch könnte
jetzt vielleicht aufhören, Dir zu ſchreiben, und
doch war Deine Bitte um fernere Leitung ſo herz-
lich, und Dein Vertrauen auf die größere Erfah-
rung und Geiſtesreife Deiner älteren Freundin
ſo innig, daß ich nicht zu widerſtehen vermag.
Jch fahre alſo fort, Dir meine Jdeen über Jda’s
fernere Bildung mitzutheilen.
Unbeſchreiblich hat mich des Kindes feiner Sinn
für Reinlichkeit erfreut. Jch habe vergeſſen, Dir
zu erzählen, wie ſie einmal ſo traurig daſaß, als
ſie die kleinen Fingerchen beſchmutzt hatte, und
Du hinaus gerufen wurdeſt, ehe Du ſie reinigen
konnteſt! Gegen mich war ſie noch blöde; ich
merkt’ es nicht gleich, was ihr fehlte, bis ich ſie
ſtill weinen ſah. Als ich nun fragte, was ihr
fehle, ſah ſie beſchämt auf ihre Hände, und ſtam-
melte endlich: Liebe Tante, bitt’ abwiſchen. Jch
wuſch die kleinen Hände und küßte ſie auf die
Wange, und von dem Augenblick an waren wir
vertraut. Dieſer Sinn iſt eine der weiblichen
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