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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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ihren Fehlgriff bereuen! Dina ist keine von den
tiefen Seelen, die um des Gewißwerdens willen
zweifeln, um der Ueberzeugung willen fragen, und
aus Geistesbedürfniß nicht eher ruhen, als bis sie
den Dingen, so weit nur möglich, auf den Grund
kommen. Die flachen Geschöpfe, zu denen Dina
gehört, fragen nicht um der Antwort willen; sie
fragen, um nicht hören zu dürfen, was gesagt
wird, oft auch nur, um ihre eigene Stimme zu
hören. Dina hat sich einen solchen Frag- und
Einwendungs-Mechanismus eigen gemacht, daß
es einem verständigen Menschen fast unmöglich ist,
es länger als ein Paar Minuten mit ihr auszu-
halten, und daß auch die Geduldigsten sich bald
unwillig von ihr wegwenden, weil sie bei aller
Gutmüthigkeit sich der Bemerkung nicht enthalten
können, daß Dina's Fragen und Einwürfe mit
der Sache, von der die Rede ist, fast gar nicht
zusammenhängen. Jetzt ist sie erwachsen: und
war sie als Kind schon widrig, so ist es jetzt eine
wahre Strafe, mit ihr zu seyn. Und woher diese
erbärmliche Geistesverkrüppelung? Daher, weil
die armen Eltern sich an den ersten naseweisen



ihren Fehlgriff bereuen! Dina iſt keine von den
tiefen Seelen, die um des Gewißwerdens willen
zweifeln, um der Ueberzeugung willen fragen, und
aus Geiſtesbedürfniß nicht eher ruhen, als bis ſie
den Dingen, ſo weit nur möglich, auf den Grund
kommen. Die flachen Geſchöpfe, zu denen Dina
gehört, fragen nicht um der Antwort willen; ſie
fragen, um nicht hören zu dürfen, was geſagt
wird, oft auch nur, um ihre eigene Stimme zu
hören. Dina hat ſich einen ſolchen Frag- und
Einwendungs-Mechanismus eigen gemacht, daß
es einem verſtändigen Menſchen faſt unmöglich iſt,
es länger als ein Paar Minuten mit ihr auszu-
halten, und daß auch die Geduldigſten ſich bald
unwillig von ihr wegwenden, weil ſie bei aller
Gutmüthigkeit ſich der Bemerkung nicht enthalten
können, daß Dina’s Fragen und Einwürfe mit
der Sache, von der die Rede iſt, faſt gar nicht
zuſammenhängen. Jetzt iſt ſie erwachſen: und
war ſie als Kind ſchon widrig, ſo iſt es jetzt eine
wahre Strafe, mit ihr zu ſeyn. Und woher dieſe
erbärmliche Geiſtesverkrüppelung? Daher, weil
die armen Eltern ſich an den erſten naſeweiſen

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[62/0076] ihren Fehlgriff bereuen! Dina iſt keine von den tiefen Seelen, die um des Gewißwerdens willen zweifeln, um der Ueberzeugung willen fragen, und aus Geiſtesbedürfniß nicht eher ruhen, als bis ſie den Dingen, ſo weit nur möglich, auf den Grund kommen. Die flachen Geſchöpfe, zu denen Dina gehört, fragen nicht um der Antwort willen; ſie fragen, um nicht hören zu dürfen, was geſagt wird, oft auch nur, um ihre eigene Stimme zu hören. Dina hat ſich einen ſolchen Frag- und Einwendungs-Mechanismus eigen gemacht, daß es einem verſtändigen Menſchen faſt unmöglich iſt, es länger als ein Paar Minuten mit ihr auszu- halten, und daß auch die Geduldigſten ſich bald unwillig von ihr wegwenden, weil ſie bei aller Gutmüthigkeit ſich der Bemerkung nicht enthalten können, daß Dina’s Fragen und Einwürfe mit der Sache, von der die Rede iſt, faſt gar nicht zuſammenhängen. Jetzt iſt ſie erwachſen: und war ſie als Kind ſchon widrig, ſo iſt es jetzt eine wahre Strafe, mit ihr zu ſeyn. Und woher dieſe erbärmliche Geiſtesverkrüppelung? Daher, weil die armen Eltern ſich an den erſten naſeweiſen

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/76>, abgerufen am 21.11.2024.