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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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Wie soll sich die schöne Häuslichkeit in uns ent-
wickeln, wenn wir früh zum Gasthof-Leben, und,
was von selbst daraus folgt, zur höchsten Ordnungs-
losigkeit gewöhnt sind? Nicht wahr, meine Emma,
Du bringst der französischen Sprache kein solches
Opfer? Du gehst mit Jda nicht nach Frankreich?

"Soll ich aber überall mit ihr gar nicht reisen?"
O ja, liebste Emma! Wenn ihr Charakter hin-
länglich ausgebildet und gegründet ist, wenn sie
sich an soliden Kenntnissen erst einen Schatz er-
worben hat, und Du kannst zur Vollendung ihrer
ästhetischen Bildung eine Reise mit ihr nach Rom
oder Paris machen; (leider ist jetzt die Frage,
ob man den heiligen Boden ohne die Schätze der
Kunst, die ihm sonst eigen waren, oder die Kunst-
schätze auf dem fremden Boden besuchen soll?)
dann magst Du jenen Vorsatz ausführen! Was
könnte auch dann Deine Freundin, die selbst so
gern reis't, dagegen haben, wenn nämlich Deine
Verhältnisse Dir so eine Reise gestatten, oder sie
vielleicht gar fodern! Aber vor allem laß Jda erst
in dem heimischen Boden recht wurzeln, und be-



Wie ſoll ſich die ſchöne Häuslichkeit in uns ent-
wickeln, wenn wir früh zum Gaſthof-Leben, und,
was von ſelbſt daraus folgt, zur höchſten Ordnungs-
loſigkeit gewöhnt ſind? Nicht wahr, meine Emma,
Du bringſt der franzöſiſchen Sprache kein ſolches
Opfer? Du gehſt mit Jda nicht nach Frankreich?

„Soll ich aber überall mit ihr gar nicht reiſen?‟
O ja, liebſte Emma! Wenn ihr Charakter hin-
länglich ausgebildet und gegründet iſt, wenn ſie
ſich an ſoliden Kenntniſſen erſt einen Schatz er-
worben hat, und Du kannſt zur Vollendung ihrer
äſthetiſchen Bildung eine Reiſe mit ihr nach Rom
oder Paris machen; (leider iſt jetzt die Frage,
ob man den heiligen Boden ohne die Schätze der
Kunſt, die ihm ſonſt eigen waren, oder die Kunſt-
ſchätze auf dem fremden Boden beſuchen ſoll?)
dann magſt Du jenen Vorſatz ausführen! Was
könnte auch dann Deine Freundin, die ſelbſt ſo
gern reiſ’t, dagegen haben, wenn nämlich Deine
Verhältniſſe Dir ſo eine Reiſe geſtatten, oder ſie
vielleicht gar fodern! Aber vor allem laß Jda erſt
in dem heimiſchen Boden recht wurzeln, und be-

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[78/0092] Wie ſoll ſich die ſchöne Häuslichkeit in uns ent- wickeln, wenn wir früh zum Gaſthof-Leben, und, was von ſelbſt daraus folgt, zur höchſten Ordnungs- loſigkeit gewöhnt ſind? Nicht wahr, meine Emma, Du bringſt der franzöſiſchen Sprache kein ſolches Opfer? Du gehſt mit Jda nicht nach Frankreich? „Soll ich aber überall mit ihr gar nicht reiſen?‟ O ja, liebſte Emma! Wenn ihr Charakter hin- länglich ausgebildet und gegründet iſt, wenn ſie ſich an ſoliden Kenntniſſen erſt einen Schatz er- worben hat, und Du kannſt zur Vollendung ihrer äſthetiſchen Bildung eine Reiſe mit ihr nach Rom oder Paris machen; (leider iſt jetzt die Frage, ob man den heiligen Boden ohne die Schätze der Kunſt, die ihm ſonſt eigen waren, oder die Kunſt- ſchätze auf dem fremden Boden beſuchen ſoll?) dann magſt Du jenen Vorſatz ausführen! Was könnte auch dann Deine Freundin, die ſelbſt ſo gern reiſ’t, dagegen haben, wenn nämlich Deine Verhältniſſe Dir ſo eine Reiſe geſtatten, oder ſie vielleicht gar fodern! Aber vor allem laß Jda erſt in dem heimiſchen Boden recht wurzeln, und be-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/92>, abgerufen am 21.11.2024.