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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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ihr alles nachräumten. Das stille Beispiel unse-
rer Kinder wirkt noch gar nicht auf sie. Sie
macht alle Zimmer, wo sie ein Weilchen hauset,
zu Polterkammer, wo alles durch einander liegt.

"Komm, Hertha, ich will dir deine Sachen in
Ordnung bringen helfen" -- sagte Mathilde gar
liebreich zu ihr. "Jch will nicht" -- war ihre rauhe
Antwort. "Aber Tante leidet eine solche Unord-
nung im Hause nicht; wie wird das werden,
wenn sie sieht, wie alles bei uns herumfährt?" --
Jch will nicht, gab sie noch einmal zurück. Jetzt
trat ich aus dem Kabinett, aus welchem ich den
Kindern zugehört. Komm jetzt gleich, Hertha,
und mache Ordnung, sagte ich ruhig, aber fest:
Sie sah mich forschend an, ob sich wohl etwas
gegen mein Wort thun ließe. Endlich sagte sie:
Mathilde muß mir aber helfen. Mathilde hat es
dir angeboten, du hast es ausgeschlagen; diesmal
wird sie dir nicht helfen. Jch gab den dreien ein
Geschäft, welches sie entfernte. Jch werde hier
oben bleiben, sagt' ich, um dir zu Hülfe zu kom-
men, wo es nöthig thut. Jch setzte mich an den
Stickrahmen, und sahe ihr aus der Ferne zu.

ihr alles nachräumten. Das ſtille Beiſpiel unſe-
rer Kinder wirkt noch gar nicht auf ſie. Sie
macht alle Zimmer, wo ſie ein Weilchen hauſet,
zu Polterkammer, wo alles durch einander liegt.

„Komm, Hertha, ich will dir deine Sachen in
Ordnung bringen helfen‟ — ſagte Mathilde gar
liebreich zu ihr. „Jch will nicht‟ — war ihre rauhe
Antwort. „Aber Tante leidet eine ſolche Unord-
nung im Hauſe nicht; wie wird das werden,
wenn ſie ſieht, wie alles bei uns herumfährt?‟ —
Jch will nicht, gab ſie noch einmal zurück. Jetzt
trat ich aus dem Kabinett, aus welchem ich den
Kindern zugehört. Komm jetzt gleich, Hertha,
und mache Ordnung, ſagte ich ruhig, aber feſt:
Sie ſah mich forſchend an, ob ſich wohl etwas
gegen mein Wort thun ließe. Endlich ſagte ſie:
Mathilde muß mir aber helfen. Mathilde hat es
dir angeboten, du haſt es ausgeſchlagen; diesmal
wird ſie dir nicht helfen. Jch gab den dreien ein
Geſchäft, welches ſie entfernte. Jch werde hier
oben bleiben, ſagt’ ich, um dir zu Hülfe zu kom-
men, wo es nöthig thut. Jch ſetzte mich an den
Stickrahmen, und ſahe ihr aus der Ferne zu.

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[92/0100] ihr alles nachräumten. Das ſtille Beiſpiel unſe- rer Kinder wirkt noch gar nicht auf ſie. Sie macht alle Zimmer, wo ſie ein Weilchen hauſet, zu Polterkammer, wo alles durch einander liegt. „Komm, Hertha, ich will dir deine Sachen in Ordnung bringen helfen‟ — ſagte Mathilde gar liebreich zu ihr. „Jch will nicht‟ — war ihre rauhe Antwort. „Aber Tante leidet eine ſolche Unord- nung im Hauſe nicht; wie wird das werden, wenn ſie ſieht, wie alles bei uns herumfährt?‟ — Jch will nicht, gab ſie noch einmal zurück. Jetzt trat ich aus dem Kabinett, aus welchem ich den Kindern zugehört. Komm jetzt gleich, Hertha, und mache Ordnung, ſagte ich ruhig, aber feſt: Sie ſah mich forſchend an, ob ſich wohl etwas gegen mein Wort thun ließe. Endlich ſagte ſie: Mathilde muß mir aber helfen. Mathilde hat es dir angeboten, du haſt es ausgeſchlagen; diesmal wird ſie dir nicht helfen. Jch gab den dreien ein Geſchäft, welches ſie entfernte. Jch werde hier oben bleiben, ſagt’ ich, um dir zu Hülfe zu kom- men, wo es nöthig thut. Jch ſetzte mich an den Stickrahmen, und ſahe ihr aus der Ferne zu.

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/100>, abgerufen am 22.11.2024.