hören. Jch nehme sie alle mit ins selige Land, diese Blicke, diese Worte der Liebe. Nicht wahr, Herrmann, beim Orion, oder wo Gott sonst will, finden wir uns wieder? -- Sage es mir noch ein- mal, daß wir uns alle wieder haben werden, wenn auch ihr von der irdischen Morgenröthe scheidet. -- Aber noch dürft ihr nicht zu mir kom- men! Die Erde bedarf solcher Menschen noch, wie ihr seyd, -- und die Erde -- ist sie nicht auch ein Tempel Gottes? -- Nein, ihr dürft noch nicht zu mir kommen." -- "Aber ich darf es, Mutter, ich habe hier nichts mehr zu schaffen, wenn du hinweg geeilt bist." -- Jch winkte Betty flehend, ihres Vaters zu schonen. -- "Wie habt ihr mich alle so himmlisch geliebt! -- Betty, du mußt noch lange bei dem Vater bleiben, denn der Vater darf noch nicht von seinen Pfarrkindern scheiden; -- alle wissen den Weg noch nicht recht, den sie gehen sol- len. O wie hätte ich dich so gern noch einmal zu Allen reden gehört von dem Wege, der zum Leben führt -- zum Leben, dem ich so ganz nahe bin. -- Jch kann nur nicht reden, sonst würde ich euch wohl sagen, wie es um dieses Leben stehe; -- ich
hören. Jch nehme ſie alle mit ins ſelige Land, dieſe Blicke, dieſe Worte der Liebe. Nicht wahr, Herrmann, beim Orion, oder wo Gott ſonſt will, finden wir uns wieder? — Sage es mir noch ein- mal, daß wir uns alle wieder haben werden, wenn auch ihr von der irdiſchen Morgenröthe ſcheidet. — Aber noch dürft ihr nicht zu mir kom- men! Die Erde bedarf ſolcher Menſchen noch, wie ihr ſeyd, — und die Erde — iſt ſie nicht auch ein Tempel Gottes? — Nein, ihr dürft noch nicht zu mir kommen.‟ — „Aber ich darf es, Mutter, ich habe hier nichts mehr zu ſchaffen, wenn du hinweg geeilt biſt.‟ — Jch winkte Betty flehend, ihres Vaters zu ſchonen. — „Wie habt ihr mich alle ſo himmliſch geliebt! — Betty, du mußt noch lange bei dem Vater bleiben, denn der Vater darf noch nicht von ſeinen Pfarrkindern ſcheiden; — alle wiſſen den Weg noch nicht recht, den ſie gehen ſol- len. O wie hätte ich dich ſo gern noch einmal zu Allen reden gehört von dem Wege, der zum Leben führt — zum Leben, dem ich ſo ganz nahe bin. — Jch kann nur nicht reden, ſonſt würde ich euch wohl ſagen, wie es um dieſes Leben ſtehe; — ich
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hören. Jch nehme ſie alle mit ins ſelige Land,
dieſe Blicke, dieſe Worte der Liebe. Nicht wahr,
Herrmann, beim Orion, oder wo Gott ſonſt will,
finden wir uns wieder? — Sage es mir noch ein-
mal, daß wir uns alle wieder haben werden,
wenn auch ihr von der irdiſchen Morgenröthe
ſcheidet. — Aber noch dürft ihr nicht zu mir kom-
men! Die Erde bedarf ſolcher Menſchen noch,
wie ihr ſeyd, — und die Erde — iſt ſie nicht auch
ein Tempel Gottes? — Nein, ihr dürft noch nicht
zu mir kommen.‟ — „Aber ich darf es, Mutter,
ich habe hier nichts mehr zu ſchaffen, wenn du
hinweg geeilt biſt.‟ — Jch winkte Betty flehend,
ihres Vaters zu ſchonen. — „Wie habt ihr mich
alle ſo himmliſch geliebt! — Betty, du mußt noch
lange bei dem Vater bleiben, denn der Vater darf
noch nicht von ſeinen Pfarrkindern ſcheiden; — alle
wiſſen den Weg noch nicht recht, den ſie gehen ſol-
len. O wie hätte ich dich ſo gern noch einmal zu
Allen reden gehört von dem Wege, der zum Leben
führt — zum Leben, dem ich ſo ganz nahe bin. —
Jch kann nur nicht reden, ſonſt würde ich euch
wohl ſagen, wie es um dieſes Leben ſtehe; — ich
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/114>, abgerufen am 24.11.2024.
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