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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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ganz verschwunden scheint, so daß nichts wachsen,
nichts aus der starren Erde hervorgehen kann,
und die sich im Frühlinge zuerst wieder mit leisem
Leben regt, und die Natur tief durchschauert und
durchzuckt, und eine Knospe nach der andern
aufschwellt, und ein Blümchen noch nach dem
andern hervorlockt, bis sie endlich mit der ganzen
Fülle des neuen Lebens allmählig herausbricht?
Gesehen, erfahren, empfunden hast du das oft --
aber kannst du es begreifen?" -- "O nein!
Wohl hat man mir gesagt, wie die Jahrszeiten
von den Richtungen herkommen, die unsere Erde
viermal in zwölf Monaten nach der Sonne
nimmt; ich habe das auch alles verstanden; aber
ich begreife darum doch den lebendigen Geist des
Frühlings nicht; ich kann nur empfinden, wie er
mich, und alles was da ist, durchschauert." "Seit
gestern, liebe Jda, ist es aber wieder sehr rauh
und freudenlos in der Natur, glaubst du dennoch,
daß der Frühling wiederkommt?" -- "O gewiß,
gewiß!" --

"Es ist doch noch kein Blümchen da, es regt sich
noch nichts vom neuen Leben. Der Wind ist

ganz verſchwunden ſcheint, ſo daß nichts wachſen,
nichts aus der ſtarren Erde hervorgehen kann,
und die ſich im Frühlinge zuerſt wieder mit leiſem
Leben regt, und die Natur tief durchſchauert und
durchzuckt, und eine Knospe nach der andern
aufſchwellt, und ein Blümchen noch nach dem
andern hervorlockt, bis ſie endlich mit der ganzen
Fülle des neuen Lebens allmählig herausbricht?
Geſehen, erfahren, empfunden haſt du das oft —
aber kannſt du es begreifen?‟ — „O nein!
Wohl hat man mir geſagt, wie die Jahrszeiten
von den Richtungen herkommen, die unſere Erde
viermal in zwölf Monaten nach der Sonne
nimmt; ich habe das auch alles verſtanden; aber
ich begreife darum doch den lebendigen Geiſt des
Frühlings nicht; ich kann nur empfinden, wie er
mich, und alles was da iſt, durchſchauert.‟ „Seit
geſtern, liebe Jda, iſt es aber wieder ſehr rauh
und freudenlos in der Natur, glaubſt du dennoch,
daß der Frühling wiederkommt?‟ — „O gewiß,
gewiß!‟ —

„Es iſt doch noch kein Blümchen da, es regt ſich
noch nichts vom neuen Leben. Der Wind iſt

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[110/0118] ganz verſchwunden ſcheint, ſo daß nichts wachſen, nichts aus der ſtarren Erde hervorgehen kann, und die ſich im Frühlinge zuerſt wieder mit leiſem Leben regt, und die Natur tief durchſchauert und durchzuckt, und eine Knospe nach der andern aufſchwellt, und ein Blümchen noch nach dem andern hervorlockt, bis ſie endlich mit der ganzen Fülle des neuen Lebens allmählig herausbricht? Geſehen, erfahren, empfunden haſt du das oft — aber kannſt du es begreifen?‟ — „O nein! Wohl hat man mir geſagt, wie die Jahrszeiten von den Richtungen herkommen, die unſere Erde viermal in zwölf Monaten nach der Sonne nimmt; ich habe das auch alles verſtanden; aber ich begreife darum doch den lebendigen Geiſt des Frühlings nicht; ich kann nur empfinden, wie er mich, und alles was da iſt, durchſchauert.‟ „Seit geſtern, liebe Jda, iſt es aber wieder ſehr rauh und freudenlos in der Natur, glaubſt du dennoch, daß der Frühling wiederkommt?‟ — „O gewiß, gewiß!‟ — „Es iſt doch noch kein Blümchen da, es regt ſich noch nichts vom neuen Leben. Der Wind iſt

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/118>, abgerufen am 21.11.2024.