Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite
Woldemar an Betty.
Süße Freundin, zag' o zage nicht;
Dir verlischt des schönen Lebens Licht.
Zagen und verzagen,
Heißt die Mächte des Himmels verklagen.
Soll die fromme Lieb' im Schmerz vergehn,
Wer mag dann im Leben noch bestehn!
Die dein schwimmend Auge bangend sucht,
Sehen wir auf ihrer schnellen Flucht
Ueber Sternen eilen,
Aber dir winkt sie noch zu verweilen.
Soll die stille Lieb' im Schmerz vergehn;
Wer mag noch den Frühling glänzen sehn!
Rosen streuest' du im Mondenlicht? --
O nur eine Rose pflanze nicht,
An dem heilgen stillen Muttergrabe.
Allzutheuer wäre solche Gabe --
Streu die zarte Lebensblüthe nicht hinab,
Jn der Mutter allzufrühes Grab. --


Woldemar an Betty.
Süße Freundin, zag’ o zage nicht;
Dir verliſcht des ſchönen Lebens Licht.
Zagen und verzagen,
Heißt die Mächte des Himmels verklagen.
Soll die fromme Lieb’ im Schmerz vergehn,
Wer mag dann im Leben noch beſtehn!
Die dein ſchwimmend Auge bangend ſucht,
Sehen wir auf ihrer ſchnellen Flucht
Ueber Sternen eilen,
Aber dir winkt ſie noch zu verweilen.
Soll die ſtille Lieb’ im Schmerz vergehn;
Wer mag noch den Frühling glänzen ſehn!
Roſen ſtreueſt’ du im Mondenlicht? —
O nur eine Roſe pflanze nicht,
An dem heilgen ſtillen Muttergrabe.
Allzutheuer wäre ſolche Gabe —
Streu die zarte Lebensblüthe nicht hinab,
Jn der Mutter allzufrühes Grab. —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0131" n="123"/>
          <lg type="poem">
            <head><hi rendition="#g">Woldemar an Betty</hi>.</head><lb/>
            <lg n="1">
              <l>Süße Freundin, zag&#x2019; o zage nicht;</l><lb/>
              <l>Dir verli&#x017F;cht des &#x017F;chönen Lebens Licht.</l><lb/>
              <l>Zagen und verzagen,</l><lb/>
              <l>Heißt die Mächte des Himmels verklagen.</l><lb/>
              <l>Soll die fromme Lieb&#x2019; im Schmerz vergehn,</l><lb/>
              <l>Wer mag dann im Leben noch be&#x017F;tehn!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Die dein &#x017F;chwimmend Auge bangend &#x017F;ucht,</l><lb/>
              <l>Sehen wir auf ihrer &#x017F;chnellen Flucht</l><lb/>
              <l>Ueber Sternen eilen,</l><lb/>
              <l>Aber dir winkt &#x017F;ie noch zu verweilen.</l><lb/>
              <l>Soll die &#x017F;tille Lieb&#x2019; im Schmerz vergehn;</l><lb/>
              <l>Wer mag noch den Frühling glänzen &#x017F;ehn!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Ro&#x017F;en &#x017F;treue&#x017F;t&#x2019; du im Mondenlicht? &#x2014;</l><lb/>
              <l>O nur eine Ro&#x017F;e pflanze nicht,</l><lb/>
              <l>An dem heilgen &#x017F;tillen Muttergrabe.</l><lb/>
              <l>Allzutheuer wäre &#x017F;olche Gabe &#x2014;</l><lb/>
              <l>Streu die zarte Lebensblüthe nicht hinab,</l><lb/>
              <l>Jn der Mutter allzufrühes Grab. &#x2014;</l>
            </lg>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0131] Woldemar an Betty. Süße Freundin, zag’ o zage nicht; Dir verliſcht des ſchönen Lebens Licht. Zagen und verzagen, Heißt die Mächte des Himmels verklagen. Soll die fromme Lieb’ im Schmerz vergehn, Wer mag dann im Leben noch beſtehn! Die dein ſchwimmend Auge bangend ſucht, Sehen wir auf ihrer ſchnellen Flucht Ueber Sternen eilen, Aber dir winkt ſie noch zu verweilen. Soll die ſtille Lieb’ im Schmerz vergehn; Wer mag noch den Frühling glänzen ſehn! Roſen ſtreueſt’ du im Mondenlicht? — O nur eine Roſe pflanze nicht, An dem heilgen ſtillen Muttergrabe. Allzutheuer wäre ſolche Gabe — Streu die zarte Lebensblüthe nicht hinab, Jn der Mutter allzufrühes Grab. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/131
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/131>, abgerufen am 24.11.2024.