seine Kernnatur gibt einen herzerfreuenden An- blick.
Das Wiedersehen am ersten Abend zwischen El- tern und Tochter, Schwester und Schwester war herzinnig. Sie konnten sich gar nicht erst satt an einander freuen. O bist du denn wirklich meine Tochter, mein Herzblättchen? Wie du so groß geworden, und so gar hold! -- Und o! meine himmlische Mutter, mein goldener Vater, laß dich nur noch einmal küssen, und noch einmal, und noch einmal! O ich werde noch närrisch vor Freude! -- So ging das in einem fort. Und wie die Schwestern sich dann in die Arme sanken, und Clärchen laut schluchzte: Nein, es ist ja nicht auszuhalten, wie lieb ich euch alle habe, und dich, du stille süße Betty, am meisten, nur den Vater doch noch mehr, und die Mutter wie- der noch mehr -- o ich weiß gar nicht was ich schwatze -- wenn ich mich nur recht ausfreuen könnte! -- Jda weinte vor froher Theilnahme, auch dachte sie wohl an Dich, meine Emma, und an den Vater, an Woldemar und die kleinen un-
ſeine Kernnatur gibt einen herzerfreuenden An- blick.
Das Wiederſehen am erſten Abend zwiſchen El- tern und Tochter, Schweſter und Schweſter war herzinnig. Sie konnten ſich gar nicht erſt ſatt an einander freuen. O biſt du denn wirklich meine Tochter, mein Herzblättchen? Wie du ſo groß geworden, und ſo gar hold! — Und o! meine himmliſche Mutter, mein goldener Vater, laß dich nur noch einmal küſſen, und noch einmal, und noch einmal! O ich werde noch närriſch vor Freude! — So ging das in einem fort. Und wie die Schweſtern ſich dann in die Arme ſanken, und Clärchen laut ſchluchzte: Nein, es iſt ja nicht auszuhalten, wie lieb ich euch alle habe, und dich, du ſtille ſüße Betty, am meiſten, nur den Vater doch noch mehr, und die Mutter wie- der noch mehr — o ich weiß gar nicht was ich ſchwatze — wenn ich mich nur recht ausfreuen könnte! — Jda weinte vor froher Theilnahme, auch dachte ſie wohl an Dich, meine Emma, und an den Vater, an Woldemar und die kleinen un-
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ſeine Kernnatur gibt einen herzerfreuenden An-
blick.
Das Wiederſehen am erſten Abend zwiſchen El-
tern und Tochter, Schweſter und Schweſter war
herzinnig. Sie konnten ſich gar nicht erſt ſatt an
einander freuen. O biſt du denn wirklich meine
Tochter, mein Herzblättchen? Wie du ſo groß
geworden, und ſo gar hold! — Und o! meine
himmliſche Mutter, mein goldener Vater, laß
dich nur noch einmal küſſen, und noch einmal,
und noch einmal! O ich werde noch närriſch vor
Freude! — So ging das in einem fort. Und
wie die Schweſtern ſich dann in die Arme ſanken,
und Clärchen laut ſchluchzte: Nein, es iſt ja
nicht auszuhalten, wie lieb ich euch alle habe,
und dich, du ſtille ſüße Betty, am meiſten, nur
den Vater doch noch mehr, und die Mutter wie-
der noch mehr — o ich weiß gar nicht was ich
ſchwatze — wenn ich mich nur recht ausfreuen
könnte! — Jda weinte vor froher Theilnahme,
auch dachte ſie wohl an Dich, meine Emma, und
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/18>, abgerufen am 23.11.2024.
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