Hühner versammelt, und empfingen ihr Frühstück zum ersten Male aus unserer Hand. Darauf kam ein zahmes Reh, womit der Pfarrer Jda beschenk- te, auf einen Ton, dem es immer folgt, herbei, beroch und leckte der neuen Gebieterin die Hand. Sie reichte ihm Brot, und es that so vertraut mit ihr, als ob es sie schon lange gekannt. Auch Mathilde sollte nicht leer ausgehen; der Pfarrer schenkte ihr einen schneeweißen Pfau, an dessen stolzer Geberdung sie große Freude hatte.
Jda und ihr Reh, das sie Lüftchen nennt, sind seitdem fast unzertrennlich. Abends schließt sie das Lüftchen in seine Höhle, wie sie sagt. Morgens läßt sie es wieder heraus.
So wurden wir auf unserm Sommersitz empfan- gen. Der ganze erste Tag war ein Festtag. De- borah ist ganz Liebe, ganz Ergebenheit für mich. Jhr Clärchen findet sie so an Geist und Herzen verklärt, wie sie sagt, daß sie mich dringend gebe- ten, es ferner mit uns seyn zu lassen. Und wirklich entfaltet das Kind sich herrlich, und
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Hühner verſammelt, und empfingen ihr Frühſtück zum erſten Male aus unſerer Hand. Darauf kam ein zahmes Reh, womit der Pfarrer Jda beſchenk- te, auf einen Ton, dem es immer folgt, herbei, beroch und leckte der neuen Gebieterin die Hand. Sie reichte ihm Brot, und es that ſo vertraut mit ihr, als ob es ſie ſchon lange gekannt. Auch Mathilde ſollte nicht leer ausgehen; der Pfarrer ſchenkte ihr einen ſchneeweißen Pfau, an deſſen ſtolzer Geberdung ſie große Freude hatte.
Jda und ihr Reh, das ſie Lüftchen nennt, ſind ſeitdem faſt unzertrennlich. Abends ſchließt ſie das Lüftchen in ſeine Höhle, wie ſie ſagt. Morgens läßt ſie es wieder heraus.
So wurden wir auf unſerm Sommerſitz empfan- gen. Der ganze erſte Tag war ein Feſttag. De- borah iſt ganz Liebe, ganz Ergebenheit für mich. Jhr Clärchen findet ſie ſo an Geiſt und Herzen verklärt, wie ſie ſagt, daß ſie mich dringend gebe- ten, es ferner mit uns ſeyn zu laſſen. Und wirklich entfaltet das Kind ſich herrlich, und
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[9/0017]
Hühner verſammelt, und empfingen ihr Frühſtück
zum erſten Male aus unſerer Hand. Darauf kam
ein zahmes Reh, womit der Pfarrer Jda beſchenk-
te, auf einen Ton, dem es immer folgt, herbei,
beroch und leckte der neuen Gebieterin die Hand.
Sie reichte ihm Brot, und es that ſo vertraut
mit ihr, als ob es ſie ſchon lange gekannt. Auch
Mathilde ſollte nicht leer ausgehen; der Pfarrer
ſchenkte ihr einen ſchneeweißen Pfau, an deſſen
ſtolzer Geberdung ſie große Freude hatte.
Jda und ihr Reh, das ſie Lüftchen nennt, ſind
ſeitdem faſt unzertrennlich. Abends ſchließt ſie das
Lüftchen in ſeine Höhle, wie ſie ſagt. Morgens
läßt ſie es wieder heraus.
So wurden wir auf unſerm Sommerſitz empfan-
gen. Der ganze erſte Tag war ein Feſttag. De-
borah iſt ganz Liebe, ganz Ergebenheit für mich.
Jhr Clärchen findet ſie ſo an Geiſt und Herzen
verklärt, wie ſie ſagt, daß ſie mich dringend gebe-
ten, es ferner mit uns ſeyn zu laſſen. Und
wirklich entfaltet das Kind ſich herrlich, und
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/17>, abgerufen am 21.11.2024.
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