morgen nicht zu Tische komme. Jch. Wo willst Du denn essen? M. Jch wollte gern auf dem Schlafzimmer bleiben, und während ihr andere speiset, Klavier spielen. Jch. Aber wann willst Du denn essen? M. Beste Tante! ich wollte gar nicht essen. Jch. Aber warum, mein Kind? M. Jch schäme mich, gegen Clärchen ein so armes Ge- schöpf zu seyn, das noch fast gar nichts kann, und gar nichts ist. Jch. Und da wolltest Du Dich im Fasten üben, und durch Fasten auszeichnen? M. Du weißt, liebe Tante, wie gern ich esse, und da dacht' ich, wenn ich mich einmal einige Tage ohne Essen behelfen gelernt, würde ich auch sonst mehr Gewalt über mich gewinnen, und auch wohl den Ekel überwinden, der mich so unbehülflich macht, aber ich habe auch noch eine Bitte dabei. Jch. Und welche, mein gutes Kind? M. Du sollst mir nemlich alles was ich in diesen 3 Tagen gebraucht haben würde, für die arme Frau geben, die zur völligen Genesung noch viel braucht. Jch. Aber was wollen wir denn den andern sagen, war- um Du nicht zu Tische kommst? M. Ja, das ist's eben, warum ich zu Dir komme. Wenn man
morgen nicht zu Tiſche komme. Jch. Wo willſt Du denn eſſen? M. Jch wollte gern auf dem Schlafzimmer bleiben, und während ihr andere ſpeiſet, Klavier ſpielen. Jch. Aber wann willſt Du denn eſſen? M. Beſte Tante! ich wollte gar nicht eſſen. Jch. Aber warum, mein Kind? M. Jch ſchäme mich, gegen Clärchen ein ſo armes Ge- ſchöpf zu ſeyn, das noch faſt gar nichts kann, und gar nichts iſt. Jch. Und da wollteſt Du Dich im Faſten üben, und durch Faſten auszeichnen? M. Du weißt, liebe Tante, wie gern ich eſſe, und da dacht’ ich, wenn ich mich einmal einige Tage ohne Eſſen behelfen gelernt, würde ich auch ſonſt mehr Gewalt über mich gewinnen, und auch wohl den Ekel überwinden, der mich ſo unbehülflich macht, aber ich habe auch noch eine Bitte dabei. Jch. Und welche, mein gutes Kind? M. Du ſollſt mir nemlich alles was ich in dieſen 3 Tagen gebraucht haben würde, für die arme Frau geben, die zur völligen Geneſung noch viel braucht. Jch. Aber was wollen wir denn den andern ſagen, war- um Du nicht zu Tiſche kommſt? M. Ja, das iſt’s eben, warum ich zu Dir komme. Wenn man
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morgen nicht zu Tiſche komme. Jch. Wo willſt
Du denn eſſen? M. Jch wollte gern auf dem
Schlafzimmer bleiben, und während ihr andere
ſpeiſet, Klavier ſpielen. Jch. Aber wann willſt
Du denn eſſen? M. Beſte Tante! ich wollte gar
nicht eſſen. Jch. Aber warum, mein Kind? M.
Jch ſchäme mich, gegen Clärchen ein ſo armes Ge-
ſchöpf zu ſeyn, das noch faſt gar nichts kann, und
gar nichts iſt. Jch. Und da wollteſt Du Dich im
Faſten üben, und durch Faſten auszeichnen? M.
Du weißt, liebe Tante, wie gern ich eſſe, und
da dacht’ ich, wenn ich mich einmal einige Tage
ohne Eſſen behelfen gelernt, würde ich auch ſonſt
mehr Gewalt über mich gewinnen, und auch wohl
den Ekel überwinden, der mich ſo unbehülflich
macht, aber ich habe auch noch eine Bitte dabei.
Jch. Und welche, mein gutes Kind? M. Du
ſollſt mir nemlich alles was ich in dieſen 3 Tagen
gebraucht haben würde, für die arme Frau geben,
die zur völligen Geneſung noch viel braucht. Jch.
Aber was wollen wir denn den andern ſagen, war-
um Du nicht zu Tiſche kommſt? M. Ja, das iſt’s
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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/195>, abgerufen am 21.11.2024.
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