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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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rief sie: Mutter, Mutter, Jda zwei kleine Püppchen
in den Augen! Sie hatte ihr eigen Bild darin ge-
sehen. Jhre größte Freude sind Blumen. Jda
geht oft nach meiner Anleitung im Garten mit ihr
botanisiren. Und zwar für jetzt so, daß sie erst
alle rothe Blumen aufsuchen, die findet sie nun
schon fast allein heraus, dann lassen wir sie die gel-
ben oder blauen wieder eben so aufsuchen. Sie
unterscheidet sehr fein für ihr Alter. O wann wer-
den wir uns endlich vereinigen, und nur eine Fa-
milie ausmachen! die glücklichste auf Erden. Wie
wirst Du dies himmlische Kind lieben! Hertha
ist schon viel milder geworden, seit Seraphine mit
uns ist, es ist als ob des Kindes Natur sich uns
allen anbildete. Jda sagte gestern als wir beide
mit dem Kinde allein waren: jetzt erst fühle ich es
recht, warum unser himmlischer Freund als er auf
Erden wandelte, den Kindern so hold gewesen.
Ja, Jda, es gibt schon für ein rein menschliches
Herz nichts rührenderes als den Ausdruck reiner
Kindlichkeit in einem zarten sich uns ganz hinge-
benden Wesen. Und wer von uns könnte dies
Kind ärgern, wer möchte durch Neckereien es zum



rief ſie: Mutter, Mutter, Jda zwei kleine Püppchen
in den Augen! Sie hatte ihr eigen Bild darin ge-
ſehen. Jhre größte Freude ſind Blumen. Jda
geht oft nach meiner Anleitung im Garten mit ihr
botaniſiren. Und zwar für jetzt ſo, daß ſie erſt
alle rothe Blumen aufſuchen, die findet ſie nun
ſchon faſt allein heraus, dann laſſen wir ſie die gel-
ben oder blauen wieder eben ſo aufſuchen. Sie
unterſcheidet ſehr fein für ihr Alter. O wann wer-
den wir uns endlich vereinigen, und nur eine Fa-
milie ausmachen! die glücklichſte auf Erden. Wie
wirſt Du dies himmliſche Kind lieben! Hertha
iſt ſchon viel milder geworden, ſeit Seraphine mit
uns iſt, es iſt als ob des Kindes Natur ſich uns
allen anbildete. Jda ſagte geſtern als wir beide
mit dem Kinde allein waren: jetzt erſt fühle ich es
recht, warum unſer himmliſcher Freund als er auf
Erden wandelte, den Kindern ſo hold geweſen.
Ja, Jda, es gibt ſchon für ein rein menſchliches
Herz nichts rührenderes als den Ausdruck reiner
Kindlichkeit in einem zarten ſich uns ganz hinge-
benden Weſen. Und wer von uns könnte dies
Kind ärgern, wer möchte durch Neckereien es zum

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[210/0218] rief ſie: Mutter, Mutter, Jda zwei kleine Püppchen in den Augen! Sie hatte ihr eigen Bild darin ge- ſehen. Jhre größte Freude ſind Blumen. Jda geht oft nach meiner Anleitung im Garten mit ihr botaniſiren. Und zwar für jetzt ſo, daß ſie erſt alle rothe Blumen aufſuchen, die findet ſie nun ſchon faſt allein heraus, dann laſſen wir ſie die gel- ben oder blauen wieder eben ſo aufſuchen. Sie unterſcheidet ſehr fein für ihr Alter. O wann wer- den wir uns endlich vereinigen, und nur eine Fa- milie ausmachen! die glücklichſte auf Erden. Wie wirſt Du dies himmliſche Kind lieben! Hertha iſt ſchon viel milder geworden, ſeit Seraphine mit uns iſt, es iſt als ob des Kindes Natur ſich uns allen anbildete. Jda ſagte geſtern als wir beide mit dem Kinde allein waren: jetzt erſt fühle ich es recht, warum unſer himmliſcher Freund als er auf Erden wandelte, den Kindern ſo hold geweſen. Ja, Jda, es gibt ſchon für ein rein menſchliches Herz nichts rührenderes als den Ausdruck reiner Kindlichkeit in einem zarten ſich uns ganz hinge- benden Weſen. Und wer von uns könnte dies Kind ärgern, wer möchte durch Neckereien es zum

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/218>, abgerufen am 21.11.2024.