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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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Lazarus, und sein Freund gewesen wäre?
Jch weiß nicht, warum ich viel lieber Maria
seyn möchte, als Martha. Martha war doch so
brav, und hatte ihn gewiß auch recht lieb. Wa-
rum muß ich denn die Maria so viel lieber haben?

Jch. Die besten Frauen vereinen Maria und
Martha in sich. Der Mensch ist nicht ganz Geist
und Seele, er ist auch Körper, und soll für beide
sorgen. Aber die geschäftige Martha soll die stille
horchende Maria in uns mit ihrer Geschäftigkeit
nicht übertäuben, noch weniger den frommen
Sinn strafen, wie das auch ihr Herr und Mei-
ster jener Martha sagt. -- Jetzt waren wir Marien,
nun gehen wir nach Haus zur Frau Deborah
und sehen, ob wir auch helfen können; auch du,
mein bestes Kind, mußt häuslich werden, wie es
die gute Clara und Betty sind.

Jda. O du liebe Tante, bist so gütig: ich
darf doch recht oft fragen, wenn mir so etwas
in den Sinn kommt, das ich niemand sagen mag,
außer dir? Jch möchte dich so manches fragen;
aber mir fehlen oft die Worte dazu.

Jch. Gewiß, du darfst. Jch will dir alles be-

Lazarus, und ſein Freund geweſen wäre?
Jch weiß nicht, warum ich viel lieber Maria
ſeyn möchte, als Martha. Martha war doch ſo
brav, und hatte ihn gewiß auch recht lieb. Wa-
rum muß ich denn die Maria ſo viel lieber haben?

Jch. Die beſten Frauen vereinen Maria und
Martha in ſich. Der Menſch iſt nicht ganz Geiſt
und Seele, er iſt auch Körper, und ſoll für beide
ſorgen. Aber die geſchäftige Martha ſoll die ſtille
horchende Maria in uns mit ihrer Geſchäftigkeit
nicht übertäuben, noch weniger den frommen
Sinn ſtrafen, wie das auch ihr Herr und Mei-
ſter jener Martha ſagt. — Jetzt waren wir Marien,
nun gehen wir nach Haus zur Frau Deborah
und ſehen, ob wir auch helfen können; auch du,
mein beſtes Kind, mußt häuslich werden, wie es
die gute Clara und Betty ſind.

Jda. O du liebe Tante, biſt ſo gütig: ich
darf doch recht oft fragen, wenn mir ſo etwas
in den Sinn kommt, das ich niemand ſagen mag,
außer dir? Jch möchte dich ſo manches fragen;
aber mir fehlen oft die Worte dazu.

Jch. Gewiß, du darfſt. Jch will dir alles be-

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[19/0027] Lazarus, und ſein Freund geweſen wäre? Jch weiß nicht, warum ich viel lieber Maria ſeyn möchte, als Martha. Martha war doch ſo brav, und hatte ihn gewiß auch recht lieb. Wa- rum muß ich denn die Maria ſo viel lieber haben? Jch. Die beſten Frauen vereinen Maria und Martha in ſich. Der Menſch iſt nicht ganz Geiſt und Seele, er iſt auch Körper, und ſoll für beide ſorgen. Aber die geſchäftige Martha ſoll die ſtille horchende Maria in uns mit ihrer Geſchäftigkeit nicht übertäuben, noch weniger den frommen Sinn ſtrafen, wie das auch ihr Herr und Mei- ſter jener Martha ſagt. — Jetzt waren wir Marien, nun gehen wir nach Haus zur Frau Deborah und ſehen, ob wir auch helfen können; auch du, mein beſtes Kind, mußt häuslich werden, wie es die gute Clara und Betty ſind. Jda. O du liebe Tante, biſt ſo gütig: ich darf doch recht oft fragen, wenn mir ſo etwas in den Sinn kommt, das ich niemand ſagen mag, außer dir? Jch möchte dich ſo manches fragen; aber mir fehlen oft die Worte dazu. Jch. Gewiß, du darfſt. Jch will dir alles be-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/27>, abgerufen am 03.12.2024.