dem allzuerweichenden Gespräch. Auch wird dies wenige hinlänglich seyn, dich tief in deines Kin- des Herz blicken zu lassen.
Auch Mathilde ist, seit wir hier sind, sehr viel anders. Mit großer Freude folgt sie mir, wenn ich sie Sonntags mit zur Kirche nehme; und der gute Pfarrer nimmt nicht selten Rücksicht auf un- sere Kinder.
Alle drei freuen sich, wenn sie Sonntag Mor- gen läuten hören. Gewöhnlich gehen wir zuvor in den großen Tempel, den der Spätsommer oft so hell und herrlich über uns wölbt. Wer Kin- derseelen bilden will, wer ihnen die schönste Ent- wickelung geben will: o der versäume nicht, so oft es ihm gestattet wird, die schöne Jahreszeit wenigstens mit ihnen im Angesicht der großen freien Natur zu verleben.
Freilich ist die schöne Entwickelung daran nicht gebunden: aber wem dieses Mittel vergönnt wird, der verschmähe es nicht.
Laßt eure Kinder, wenn sie euch werth sind,
dem allzuerweichenden Geſpräch. Auch wird dies wenige hinlänglich ſeyn, dich tief in deines Kin- des Herz blicken zu laſſen.
Auch Mathilde iſt, ſeit wir hier ſind, ſehr viel anders. Mit großer Freude folgt ſie mir, wenn ich ſie Sonntags mit zur Kirche nehme; und der gute Pfarrer nimmt nicht ſelten Rückſicht auf un- ſere Kinder.
Alle drei freuen ſich, wenn ſie Sonntag Mor- gen läuten hören. Gewöhnlich gehen wir zuvor in den großen Tempel, den der Spätſommer oft ſo hell und herrlich über uns wölbt. Wer Kin- derſeelen bilden will, wer ihnen die ſchönſte Ent- wickelung geben will: o der verſäume nicht, ſo oft es ihm geſtattet wird, die ſchöne Jahreszeit wenigſtens mit ihnen im Angeſicht der großen freien Natur zu verleben.
Freilich iſt die ſchöne Entwickelung daran nicht gebunden: aber wem dieſes Mittel vergönnt wird, der verſchmähe es nicht.
Laßt eure Kinder, wenn ſie euch werth ſind,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0030"n="22"/>
dem allzuerweichenden Geſpräch. Auch wird dies<lb/>
wenige hinlänglich ſeyn, dich tief in deines Kin-<lb/>
des Herz blicken zu laſſen.</p><lb/><p>Auch Mathilde iſt, ſeit wir hier ſind, ſehr viel<lb/>
anders. Mit großer Freude folgt ſie mir, wenn<lb/>
ich ſie Sonntags mit zur Kirche nehme; und der<lb/>
gute Pfarrer nimmt nicht ſelten Rückſicht auf un-<lb/>ſere Kinder.</p><lb/><p>Alle drei freuen ſich, wenn ſie Sonntag Mor-<lb/>
gen läuten hören. Gewöhnlich gehen wir zuvor<lb/>
in den großen Tempel, den der Spätſommer oft<lb/>ſo hell und herrlich über uns wölbt. Wer Kin-<lb/>
derſeelen bilden will, wer ihnen die ſchönſte Ent-<lb/>
wickelung geben will: o der verſäume nicht, ſo<lb/>
oft es ihm geſtattet wird, die ſchöne Jahreszeit<lb/>
wenigſtens mit ihnen im Angeſicht der großen<lb/>
freien Natur zu verleben.</p><lb/><p>Freilich iſt die ſchöne Entwickelung daran nicht<lb/>
gebunden: aber wem dieſes Mittel vergönnt wird,<lb/>
der verſchmähe es nicht.</p><lb/><p>Laßt eure Kinder, wenn ſie euch werth ſind,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[22/0030]
dem allzuerweichenden Geſpräch. Auch wird dies
wenige hinlänglich ſeyn, dich tief in deines Kin-
des Herz blicken zu laſſen.
Auch Mathilde iſt, ſeit wir hier ſind, ſehr viel
anders. Mit großer Freude folgt ſie mir, wenn
ich ſie Sonntags mit zur Kirche nehme; und der
gute Pfarrer nimmt nicht ſelten Rückſicht auf un-
ſere Kinder.
Alle drei freuen ſich, wenn ſie Sonntag Mor-
gen läuten hören. Gewöhnlich gehen wir zuvor
in den großen Tempel, den der Spätſommer oft
ſo hell und herrlich über uns wölbt. Wer Kin-
derſeelen bilden will, wer ihnen die ſchönſte Ent-
wickelung geben will: o der verſäume nicht, ſo
oft es ihm geſtattet wird, die ſchöne Jahreszeit
wenigſtens mit ihnen im Angeſicht der großen
freien Natur zu verleben.
Freilich iſt die ſchöne Entwickelung daran nicht
gebunden: aber wem dieſes Mittel vergönnt wird,
der verſchmähe es nicht.
Laßt eure Kinder, wenn ſie euch werth ſind,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/30>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.