Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.nein, kein Wort, blicke mich nur einmal an. Jch schlug die Augen zu ihm auf, sah ihn aber nicht, denn sie standen voll Wasser. Mein Gesicht sank an seine Schulter. Er umfaßte mich und Sera- phine. Das Kind küßte ihn und mich, und sagte: Bruno Clärchen auch küssen. Das feuerte den blöden Bruno an. Es war geschehen, und ich fühlte, daß mein ganzes Wesen sein sey, auf im- mer. Die Lisel kam zurück. Wir stiegen in den Wagen, der mit den seligsten Menschen davon rollte. Und nicht eher, als bis wir Genf ganz nahe waren, fiel es mir ein, ob auch der Vater wohl nicht zürnen sollte, daß seine Clare sich so eilig verschenkt. Wir waren angelangt, ich weiß nicht wie! Bruno nahm Seraphine auf den Arm, und die überglückliche Clare flog ungestüm auf den besten der Väter zu, dann zu Betty, und ward von beiden tausendmal ihre liebste Clare ge- heißen. O kann man denn noch glücklicher seyn, als ich in diesem Moment des Empfanges? Und doch war ich es wenige Minuten nachher, als auch Bruno herzutrat, und vom Vater so liebend be- grüßt wurde, als ob er schon ahnete, was zwischen nein, kein Wort, blicke mich nur einmal an. Jch ſchlug die Augen zu ihm auf, ſah ihn aber nicht, denn ſie ſtanden voll Waſſer. Mein Geſicht ſank an ſeine Schulter. Er umfaßte mich und Sera- phine. Das Kind küßte ihn und mich, und ſagte: Bruno Clärchen auch küſſen. Das feuerte den blöden Bruno an. Es war geſchehen, und ich fühlte, daß mein ganzes Weſen ſein ſey, auf im- mer. Die Liſel kam zurück. Wir ſtiegen in den Wagen, der mit den ſeligſten Menſchen davon rollte. Und nicht eher, als bis wir Genf ganz nahe waren, fiel es mir ein, ob auch der Vater wohl nicht zürnen ſollte, daß ſeine Clare ſich ſo eilig verſchenkt. Wir waren angelangt, ich weiß nicht wie! Bruno nahm Seraphine auf den Arm, und die überglückliche Clare flog ungeſtüm auf den beſten der Väter zu, dann zu Betty, und ward von beiden tauſendmal ihre liebſte Clare ge- heißen. O kann man denn noch glücklicher ſeyn, als ich in dieſem Moment des Empfanges? Und doch war ich es wenige Minuten nachher, als auch Bruno herzutrat, und vom Vater ſo liebend be- grüßt wurde, als ob er ſchon ahnete, was zwiſchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0325" n="317"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> nein, kein Wort, blicke mich nur einmal an. Jch<lb/> ſchlug die Augen zu ihm auf, ſah ihn aber nicht,<lb/> denn ſie ſtanden voll Waſſer. Mein Geſicht ſank<lb/> an ſeine Schulter. Er umfaßte mich und Sera-<lb/> phine. Das Kind küßte ihn und mich, und ſagte:<lb/> Bruno Clärchen auch küſſen. Das feuerte den<lb/> blöden Bruno an. Es war geſchehen, und ich<lb/> fühlte, daß mein ganzes Weſen ſein ſey, auf im-<lb/> mer. Die Liſel kam zurück. Wir ſtiegen in den<lb/> Wagen, der mit den ſeligſten Menſchen davon<lb/> rollte. Und nicht eher, als bis wir Genf ganz<lb/> nahe waren, fiel es mir ein, ob auch der Vater<lb/> wohl nicht zürnen ſollte, daß ſeine Clare ſich ſo<lb/> eilig verſchenkt. Wir waren angelangt, ich weiß<lb/> nicht wie! Bruno nahm Seraphine auf den Arm,<lb/> und die überglückliche Clare flog ungeſtüm auf<lb/> den beſten der Väter zu, dann zu Betty, und<lb/> ward von beiden tauſendmal ihre liebſte Clare ge-<lb/> heißen. O kann man denn noch glücklicher ſeyn,<lb/> als ich in dieſem Moment des Empfanges? Und<lb/> doch war ich es wenige Minuten nachher, als auch<lb/> Bruno herzutrat, und vom Vater ſo liebend be-<lb/> grüßt wurde, als ob er ſchon ahnete, was zwiſchen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [317/0325]
nein, kein Wort, blicke mich nur einmal an. Jch
ſchlug die Augen zu ihm auf, ſah ihn aber nicht,
denn ſie ſtanden voll Waſſer. Mein Geſicht ſank
an ſeine Schulter. Er umfaßte mich und Sera-
phine. Das Kind küßte ihn und mich, und ſagte:
Bruno Clärchen auch küſſen. Das feuerte den
blöden Bruno an. Es war geſchehen, und ich
fühlte, daß mein ganzes Weſen ſein ſey, auf im-
mer. Die Liſel kam zurück. Wir ſtiegen in den
Wagen, der mit den ſeligſten Menſchen davon
rollte. Und nicht eher, als bis wir Genf ganz
nahe waren, fiel es mir ein, ob auch der Vater
wohl nicht zürnen ſollte, daß ſeine Clare ſich ſo
eilig verſchenkt. Wir waren angelangt, ich weiß
nicht wie! Bruno nahm Seraphine auf den Arm,
und die überglückliche Clare flog ungeſtüm auf
den beſten der Väter zu, dann zu Betty, und
ward von beiden tauſendmal ihre liebſte Clare ge-
heißen. O kann man denn noch glücklicher ſeyn,
als ich in dieſem Moment des Empfanges? Und
doch war ich es wenige Minuten nachher, als auch
Bruno herzutrat, und vom Vater ſo liebend be-
grüßt wurde, als ob er ſchon ahnete, was zwiſchen
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