Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.
lich, dieses Vaters Tochter zu seyn! -- mein Vater brennt von Verlangen, die Eltern dieses Sohnes zu sehen, der nun auch sein Sohn ist, und den er als Knaben schon väterlich geliebt. Mein Vater brennt von Sehnsucht, sich -- wie soll ich das nun ausdrücken? -- sich zu rechtferti- gen? -- nein, das ist nicht das rechte Wort; aber woher nehme ich ein anderes? -- sich und die ganze Sache Jhnen zu zeigen wie sie wirklich ist, und daß es nicht bei ihm stand, eine Liebe zu hindern, die uns allen unbewußt, schon in früher Jugend entglomm, und mächtig geworden war, zur Treue bis in den Tod, ehe wir sie uns selbst nur gestan- den. Ohne Jhre Zustimmung, das weiß ich, hätte mein stolzer herrlicher Vater die seinige nie ge- geben. Sterben konnte er sein Kind sehen, aber nicht verschmäht noch verachtet. -- Verzeihung, theuerste Eltern, daß ich eines Falles nur erwäh- nen konnte, der bei Jhnen nicht möglich war; aber wir kannten Sie damals nicht so, wie Sie uns jetzt bei dieser neuen Eröffnung erschienen, und wie ich Sie besonders jetzt durch Jhren Sohn er- kenne. Mein ganzes künftiges Leben soll nun auch lich, dieſes Vaters Tochter zu ſeyn! — mein Vater brennt von Verlangen, die Eltern dieſes Sohnes zu ſehen, der nun auch ſein Sohn iſt, und den er als Knaben ſchon väterlich geliebt. Mein Vater brennt von Sehnſucht, ſich — wie ſoll ich das nun ausdrücken? — ſich zu rechtferti- gen? — nein, das iſt nicht das rechte Wort; aber woher nehme ich ein anderes? — ſich und die ganze Sache Jhnen zu zeigen wie ſie wirklich iſt, und daß es nicht bei ihm ſtand, eine Liebe zu hindern, die uns allen unbewußt, ſchon in früher Jugend entglomm, und mächtig geworden war, zur Treue bis in den Tod, ehe wir ſie uns ſelbſt nur geſtan- den. Ohne Jhre Zuſtimmung, das weiß ich, hätte mein ſtolzer herrlicher Vater die ſeinige nie ge- geben. Sterben konnte er ſein Kind ſehen, aber nicht verſchmäht noch verachtet. — Verzeihung, theuerſte Eltern, daß ich eines Falles nur erwäh- nen konnte, der bei Jhnen nicht möglich war; aber wir kannten Sie damals nicht ſo, wie Sie uns jetzt bei dieſer neuen Eröffnung erſchienen, und wie ich Sie beſonders jetzt durch Jhren Sohn er- kenne. Mein ganzes künftiges Leben ſoll nun auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0350" n="342"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> lich, dieſes Vaters Tochter zu ſeyn! — mein<lb/> Vater brennt von Verlangen, die Eltern dieſes<lb/> Sohnes zu ſehen, der nun auch <hi rendition="#g">ſein</hi> Sohn iſt,<lb/> und den er als Knaben ſchon väterlich geliebt.<lb/> Mein Vater brennt von Sehnſucht, ſich — wie<lb/> ſoll ich das nun ausdrücken? — ſich zu rechtferti-<lb/> gen? — nein, das iſt nicht das rechte Wort; aber<lb/> woher nehme ich ein anderes? — ſich und die ganze<lb/> Sache Jhnen zu zeigen wie ſie wirklich iſt, und<lb/> daß es nicht bei ihm ſtand, eine Liebe zu hindern,<lb/> die uns allen unbewußt, ſchon in früher Jugend<lb/> entglomm, und mächtig geworden war, zur Treue<lb/> bis in den Tod, ehe wir ſie uns ſelbſt nur geſtan-<lb/> den. Ohne Jhre Zuſtimmung, das weiß ich, hätte<lb/> mein ſtolzer herrlicher Vater die <hi rendition="#g">ſeinige</hi> nie ge-<lb/> geben. Sterben konnte er ſein Kind ſehen, aber<lb/> nicht verſchmäht noch verachtet. — Verzeihung,<lb/> theuerſte Eltern, daß ich eines Falles nur erwäh-<lb/> nen konnte, der bei Jhnen nicht möglich war; aber<lb/> wir kannten Sie damals nicht ſo, wie Sie uns<lb/> jetzt bei dieſer neuen Eröffnung erſchienen, und<lb/> wie ich Sie beſonders jetzt durch Jhren Sohn er-<lb/> kenne. Mein ganzes künftiges Leben ſoll nun auch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [342/0350]
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Vater brennt von Verlangen, die Eltern dieſes
Sohnes zu ſehen, der nun auch ſein Sohn iſt,
und den er als Knaben ſchon väterlich geliebt.
Mein Vater brennt von Sehnſucht, ſich — wie
ſoll ich das nun ausdrücken? — ſich zu rechtferti-
gen? — nein, das iſt nicht das rechte Wort; aber
woher nehme ich ein anderes? — ſich und die ganze
Sache Jhnen zu zeigen wie ſie wirklich iſt, und
daß es nicht bei ihm ſtand, eine Liebe zu hindern,
die uns allen unbewußt, ſchon in früher Jugend
entglomm, und mächtig geworden war, zur Treue
bis in den Tod, ehe wir ſie uns ſelbſt nur geſtan-
den. Ohne Jhre Zuſtimmung, das weiß ich, hätte
mein ſtolzer herrlicher Vater die ſeinige nie ge-
geben. Sterben konnte er ſein Kind ſehen, aber
nicht verſchmäht noch verachtet. — Verzeihung,
theuerſte Eltern, daß ich eines Falles nur erwäh-
nen konnte, der bei Jhnen nicht möglich war; aber
wir kannten Sie damals nicht ſo, wie Sie uns
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wie ich Sie beſonders jetzt durch Jhren Sohn er-
kenne. Mein ganzes künftiges Leben ſoll nun auch
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| Zitationshilfe: | Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/350>, abgerufen am 24.11.2024. |
