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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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Brief eilig, gab ihn zur Besorgung, und gebot
der Lisel mit Seraphine in den Hof zu gehen, und
nicht eher wieder zu kommen, als bis fie ganz still
und artig sey. Die Kleine schrie noch heftiger,
aber es blieb bei dem gesagten. Erst nach einer
Viertelstunde kam die Lisel mit ihr wieder, und
nun war das Kind zwar still und freundlich, aber
ein wenig scheu vor mir. O wie mich das schmerzte!
Es versteht sich, daß ich vom Fenster die Lisel
und das Kind genau beobachtete. Entschlossen war
ich von diesem Augenblicke an, fester als je, was ich
an Geistes- und Gemüthskraft habe, ganz dem
Kinde zu widmen, und fast ausschließend dafür zu
leben. Aber sich von dieser Liebe nicht bestechen zu
lassen, dies Kind nicht zu verziehen. -- Wahrlich
es ist kein Leichtes, wenigstens für mich nicht.

Vom Schreiben, so wie von allen Beschäftigun-
gen, wobei ich Seraphine entfernt von mir halten
muß, werde ich mich einstweilen lossagen, bis die
Kleine so weit ist, daß sie sich an meiner Seite
selbst beschäftigen kann. Gern nähme ich auch für
dies Kind noch eine Gespielin gleichen Alters,



Brief eilig, gab ihn zur Beſorgung, und gebot
der Liſel mit Seraphine in den Hof zu gehen, und
nicht eher wieder zu kommen, als bis fie ganz ſtill
und artig ſey. Die Kleine ſchrie noch heftiger,
aber es blieb bei dem geſagten. Erſt nach einer
Viertelſtunde kam die Liſel mit ihr wieder, und
nun war das Kind zwar ſtill und freundlich, aber
ein wenig ſcheu vor mir. O wie mich das ſchmerzte!
Es verſteht ſich, daß ich vom Fenſter die Liſel
und das Kind genau beobachtete. Entſchloſſen war
ich von dieſem Augenblicke an, feſter als je, was ich
an Geiſtes- und Gemüthskraft habe, ganz dem
Kinde zu widmen, und faſt ausſchließend dafür zu
leben. Aber ſich von dieſer Liebe nicht beſtechen zu
laſſen, dies Kind nicht zu verziehen. — Wahrlich
es iſt kein Leichtes, wenigſtens für mich nicht.

Vom Schreiben, ſo wie von allen Beſchäftigun-
gen, wobei ich Seraphine entfernt von mir halten
muß, werde ich mich einſtweilen losſagen, bis die
Kleine ſo weit iſt, daß ſie ſich an meiner Seite
ſelbſt beſchäftigen kann. Gern nähme ich auch für
dies Kind noch eine Geſpielin gleichen Alters,

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[354/0362] Brief eilig, gab ihn zur Beſorgung, und gebot der Liſel mit Seraphine in den Hof zu gehen, und nicht eher wieder zu kommen, als bis fie ganz ſtill und artig ſey. Die Kleine ſchrie noch heftiger, aber es blieb bei dem geſagten. Erſt nach einer Viertelſtunde kam die Liſel mit ihr wieder, und nun war das Kind zwar ſtill und freundlich, aber ein wenig ſcheu vor mir. O wie mich das ſchmerzte! Es verſteht ſich, daß ich vom Fenſter die Liſel und das Kind genau beobachtete. Entſchloſſen war ich von dieſem Augenblicke an, feſter als je, was ich an Geiſtes- und Gemüthskraft habe, ganz dem Kinde zu widmen, und faſt ausſchließend dafür zu leben. Aber ſich von dieſer Liebe nicht beſtechen zu laſſen, dies Kind nicht zu verziehen. — Wahrlich es iſt kein Leichtes, wenigſtens für mich nicht. Vom Schreiben, ſo wie von allen Beſchäftigun- gen, wobei ich Seraphine entfernt von mir halten muß, werde ich mich einſtweilen losſagen, bis die Kleine ſo weit iſt, daß ſie ſich an meiner Seite ſelbſt beſchäftigen kann. Gern nähme ich auch für dies Kind noch eine Geſpielin gleichen Alters,

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/362>, abgerufen am 21.11.2024.