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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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sehr erleichtern. So läßt sich manches andere
Spiel als Grundlage des Unterrichts gebrauchen.
Vor allem aber sollen diese jungen Mädchen
frühe zu weiblichen Handarbeiten angehalten wer-
den; doch ohne Zwang und durch immer frisch er-
regten Trieb. Wollen sie z. B. sich an Geburts-
tagen oder am Weihnachtsfeste einander oder ihre
Lehrer beschenken, so sey es mit kleinen Arbeiten
von ihrer Hand. Nichts feuert so sehr zur weib-
lichen Geschicklichkeit an, und hiebei werden zwei
schöne Zwecke auf einmal erreicht. Jst der Thä-
tigkeitstrieb auf so gutem Boden gepflanzt, so
wurzelt er tief, und wird zur frohen Gewohnheit.
Es versteht sich, daß bei diesen Geschenken aller
Luxus vermieden wird, so wie auch jene Groß-
muth und Liberalität des Gebens denen nicht ein-
geimpft werden darf, denen das Schicksal die
Mittel dazu versagt. Denn da wirkt sie nur Un-
ordnung und Unglück. Edel und über das Ge-
meine erhaben kann man dennoch auch in der Dürf-
tigkeit seyn; nur auf eine andere Weise, als der
begüterte Mensch.

Dies soll die Bildnerin armer Kinder nie aus



ſehr erleichtern. So läßt ſich manches andere
Spiel als Grundlage des Unterrichts gebrauchen.
Vor allem aber ſollen dieſe jungen Mädchen
frühe zu weiblichen Handarbeiten angehalten wer-
den; doch ohne Zwang und durch immer friſch er-
regten Trieb. Wollen ſie z. B. ſich an Geburts-
tagen oder am Weihnachtsfeſte einander oder ihre
Lehrer beſchenken, ſo ſey es mit kleinen Arbeiten
von ihrer Hand. Nichts feuert ſo ſehr zur weib-
lichen Geſchicklichkeit an, und hiebei werden zwei
ſchöne Zwecke auf einmal erreicht. Jſt der Thä-
tigkeitstrieb auf ſo gutem Boden gepflanzt, ſo
wurzelt er tief, und wird zur frohen Gewohnheit.
Es verſteht ſich, daß bei dieſen Geſchenken aller
Luxus vermieden wird, ſo wie auch jene Groß-
muth und Liberalität des Gebens denen nicht ein-
geimpft werden darf, denen das Schickſal die
Mittel dazu verſagt. Denn da wirkt ſie nur Un-
ordnung und Unglück. Edel und über das Ge-
meine erhaben kann man dennoch auch in der Dürf-
tigkeit ſeyn; nur auf eine andere Weiſe, als der
begüterte Menſch.

Dies ſoll die Bildnerin armer Kinder nie aus

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[392/0400] ſehr erleichtern. So läßt ſich manches andere Spiel als Grundlage des Unterrichts gebrauchen. Vor allem aber ſollen dieſe jungen Mädchen frühe zu weiblichen Handarbeiten angehalten wer- den; doch ohne Zwang und durch immer friſch er- regten Trieb. Wollen ſie z. B. ſich an Geburts- tagen oder am Weihnachtsfeſte einander oder ihre Lehrer beſchenken, ſo ſey es mit kleinen Arbeiten von ihrer Hand. Nichts feuert ſo ſehr zur weib- lichen Geſchicklichkeit an, und hiebei werden zwei ſchöne Zwecke auf einmal erreicht. Jſt der Thä- tigkeitstrieb auf ſo gutem Boden gepflanzt, ſo wurzelt er tief, und wird zur frohen Gewohnheit. Es verſteht ſich, daß bei dieſen Geſchenken aller Luxus vermieden wird, ſo wie auch jene Groß- muth und Liberalität des Gebens denen nicht ein- geimpft werden darf, denen das Schickſal die Mittel dazu verſagt. Denn da wirkt ſie nur Un- ordnung und Unglück. Edel und über das Ge- meine erhaben kann man dennoch auch in der Dürf- tigkeit ſeyn; nur auf eine andere Weiſe, als der begüterte Menſch. Dies ſoll die Bildnerin armer Kinder nie aus

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/400>, abgerufen am 21.11.2024.