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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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als er Woldemar's glühendes Herz und die hohe
Reinheit des köstlichen Jungen sah. Sein eignes
großes Gemüth erschien ohne alle Hülle in der
heiligen Vaterfreude. Und wie ihn Jda's Fröm-
migkeit rührte -- und wie ihn Mathildens schein-
bare stolze Kälte zurückstieß! -- O sag ihm, daß
ich ihn beschwöre, die Naturanlagen zu einem
ähnlichen Charakter in Kathinka nicht selbst so zu
erhöhen. Gerade weil sie so viel Entschiedenes
hat, lasse ich ihn bitten, sie durch seine Art sie zu
nehmen, nicht gar eigenwillig, selbstsüchtig und
scharf zu machen. Gerade sie muß gehorchen
lernen;
ihr muß ein kindlicher Sinn gegeben
werden: und wär es auch durch Strenge. Laß
sie lieber fürchtend lieben, als eigenwil-
lig widerstreben
. O wie würde es mich be-
trüben, wenn ich bei unserer endlichen Vereini-
gung eins Deiner Kinder sehen müßte, das kalt,
stolz, selbstsüchtig, hochfahrend, allem Zarten und
aller Jnnigkeit widerstrebend wäre, das, jene
fromme Hingabe des Herzens an Vater und Mut-
ter nicht kennend, nur im Genuß wirklicher
oder erträumter Verstandesüberlegenheit froh seyn

als er Woldemar’s glühendes Herz und die hohe
Reinheit des köſtlichen Jungen ſah. Sein eignes
großes Gemüth erſchien ohne alle Hülle in der
heiligen Vaterfreude. Und wie ihn Jda’s Fröm-
migkeit rührte — und wie ihn Mathildens ſchein-
bare ſtolze Kälte zurückſtieß! — O ſag ihm, daß
ich ihn beſchwöre, die Naturanlagen zu einem
ähnlichen Charakter in Kathinka nicht ſelbſt ſo zu
erhöhen. Gerade weil ſie ſo viel Entſchiedenes
hat, laſſe ich ihn bitten, ſie durch ſeine Art ſie zu
nehmen, nicht gar eigenwillig, ſelbſtſüchtig und
ſcharf zu machen. Gerade ſie muß gehorchen
lernen;
ihr muß ein kindlicher Sinn gegeben
werden: und wär es auch durch Strenge. Laß
ſie lieber fürchtend lieben, als eigenwil-
lig widerſtreben
. O wie würde es mich be-
trüben, wenn ich bei unſerer endlichen Vereini-
gung eins Deiner Kinder ſehen müßte, das kalt,
ſtolz, ſelbſtſüchtig, hochfahrend, allem Zarten und
aller Jnnigkeit widerſtrebend wäre, das, jene
fromme Hingabe des Herzens an Vater und Mut-
ter nicht kennend, nur im Genuß wirklicher
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[54/0062] als er Woldemar’s glühendes Herz und die hohe Reinheit des köſtlichen Jungen ſah. Sein eignes großes Gemüth erſchien ohne alle Hülle in der heiligen Vaterfreude. Und wie ihn Jda’s Fröm- migkeit rührte — und wie ihn Mathildens ſchein- bare ſtolze Kälte zurückſtieß! — O ſag ihm, daß ich ihn beſchwöre, die Naturanlagen zu einem ähnlichen Charakter in Kathinka nicht ſelbſt ſo zu erhöhen. Gerade weil ſie ſo viel Entſchiedenes hat, laſſe ich ihn bitten, ſie durch ſeine Art ſie zu nehmen, nicht gar eigenwillig, ſelbſtſüchtig und ſcharf zu machen. Gerade ſie muß gehorchen lernen; ihr muß ein kindlicher Sinn gegeben werden: und wär es auch durch Strenge. Laß ſie lieber fürchtend lieben, als eigenwil- lig widerſtreben. O wie würde es mich be- trüben, wenn ich bei unſerer endlichen Vereini- gung eins Deiner Kinder ſehen müßte, das kalt, ſtolz, ſelbſtſüchtig, hochfahrend, allem Zarten und aller Jnnigkeit widerſtrebend wäre, das, jene fromme Hingabe des Herzens an Vater und Mut- ter nicht kennend, nur im Genuß wirklicher oder erträumter Verſtandesüberlegenheit froh ſeyn

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/62>, abgerufen am 27.11.2024.