Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

lings täglich stieg, hielten sie bei uns aus, und
ließen sich von uns und der Willigschen Familie
liebend hegen, so lange sie konnten -- bald aber
drängte die frische Kraft zu sehr, sie mußten wie-
der hinaus mit den Zugvögeln ins Weite. Alle
liebende Bitten der Schwester Jda, nur noch
eine einzige Woche zu bleiben, vermochten über den
unruhigen, vom Reiseweh geplagten Woldemar
nichts mehr.

Laß mich, laß mich fort, du englische Schwester,
war alles, was er ihren Bitten entgegen setzte.
Platov hatte die Zeit der Abreise von ihm ab-
hängen lassen, um zu sehen, wie er in dem
Kampf bestehen würde, vielleicht auch, um sich
den eignen gegen Willich zu erleichtern. Bis der
Tag festgesetzt war, überließ ich auch Jda sich
selbst, und ließ sie versuchen, wie weit die Gewalt
ihrer Bitten reichte. Jetzt, da es entschieden
war, foderte ich sie auf, stark zu seyn, und dem
Bruder keine saure Minute mehr zu machen. Jch
bedeutete ihr, wie wichtig das Reisen jungen
Männern sey, und wie nothwendig für sie ein

lings täglich ſtieg, hielten ſie bei uns aus, und
ließen ſich von uns und der Willigſchen Familie
liebend hegen, ſo lange ſie konnten — bald aber
drängte die friſche Kraft zu ſehr, ſie mußten wie-
der hinaus mit den Zugvögeln ins Weite. Alle
liebende Bitten der Schweſter Jda, nur noch
eine einzige Woche zu bleiben, vermochten über den
unruhigen, vom Reiſeweh geplagten Woldemar
nichts mehr.

Laß mich, laß mich fort, du engliſche Schweſter,
war alles, was er ihren Bitten entgegen ſetzte.
Platov hatte die Zeit der Abreiſe von ihm ab-
hängen laſſen, um zu ſehen, wie er in dem
Kampf beſtehen würde, vielleicht auch, um ſich
den eignen gegen Willich zu erleichtern. Bis der
Tag feſtgeſetzt war, überließ ich auch Jda ſich
ſelbſt, und ließ ſie verſuchen, wie weit die Gewalt
ihrer Bitten reichte. Jetzt, da es entſchieden
war, foderte ich ſie auf, ſtark zu ſeyn, und dem
Bruder keine ſaure Minute mehr zu machen. Jch
bedeutete ihr, wie wichtig das Reiſen jungen
Männern ſey, und wie nothwendig für ſie ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0075" n="67"/>
lings täglich &#x017F;tieg, hielten &#x017F;ie bei uns aus, und<lb/>
ließen &#x017F;ich von uns und der Willig&#x017F;chen Familie<lb/>
liebend hegen, &#x017F;o lange &#x017F;ie konnten &#x2014; bald aber<lb/>
drängte die fri&#x017F;che Kraft zu &#x017F;ehr, &#x017F;ie mußten wie-<lb/>
der hinaus mit den Zugvögeln ins Weite. Alle<lb/>
liebende Bitten der Schwe&#x017F;ter Jda, nur noch<lb/>
eine einzige Woche zu bleiben, vermochten über den<lb/>
unruhigen, vom Rei&#x017F;eweh geplagten Woldemar<lb/>
nichts mehr.</p><lb/>
          <p>Laß mich, laß mich fort, du engli&#x017F;che Schwe&#x017F;ter,<lb/>
war alles, was er ihren Bitten entgegen &#x017F;etzte.<lb/>
Platov hatte die Zeit der Abrei&#x017F;e von ihm ab-<lb/>
hängen la&#x017F;&#x017F;en, um zu &#x017F;ehen, wie er in dem<lb/>
Kampf be&#x017F;tehen würde, vielleicht auch, um &#x017F;ich<lb/>
den eignen gegen Willich zu erleichtern. Bis der<lb/>
Tag fe&#x017F;tge&#x017F;etzt war, überließ ich auch Jda &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, und ließ &#x017F;ie ver&#x017F;uchen, wie weit die Gewalt<lb/>
ihrer Bitten reichte. Jetzt, da es ent&#x017F;chieden<lb/>
war, foderte ich &#x017F;ie auf, &#x017F;tark zu &#x017F;eyn, und dem<lb/>
Bruder keine &#x017F;aure Minute mehr zu machen. Jch<lb/>
bedeutete ihr, wie wichtig das Rei&#x017F;en jungen<lb/>
Männern &#x017F;ey, und wie nothwendig für &#x017F;ie ein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0075] lings täglich ſtieg, hielten ſie bei uns aus, und ließen ſich von uns und der Willigſchen Familie liebend hegen, ſo lange ſie konnten — bald aber drängte die friſche Kraft zu ſehr, ſie mußten wie- der hinaus mit den Zugvögeln ins Weite. Alle liebende Bitten der Schweſter Jda, nur noch eine einzige Woche zu bleiben, vermochten über den unruhigen, vom Reiſeweh geplagten Woldemar nichts mehr. Laß mich, laß mich fort, du engliſche Schweſter, war alles, was er ihren Bitten entgegen ſetzte. Platov hatte die Zeit der Abreiſe von ihm ab- hängen laſſen, um zu ſehen, wie er in dem Kampf beſtehen würde, vielleicht auch, um ſich den eignen gegen Willich zu erleichtern. Bis der Tag feſtgeſetzt war, überließ ich auch Jda ſich ſelbſt, und ließ ſie verſuchen, wie weit die Gewalt ihrer Bitten reichte. Jetzt, da es entſchieden war, foderte ich ſie auf, ſtark zu ſeyn, und dem Bruder keine ſaure Minute mehr zu machen. Jch bedeutete ihr, wie wichtig das Reiſen jungen Männern ſey, und wie nothwendig für ſie ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/75
Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/75>, abgerufen am 23.11.2024.