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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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durch unvorsichtigen Scherz) diese reine göttliche
Flamme im Kinde trübt, der versündigt sich an
der heiligen Unschuld: wer sie aber verlöschen
macht, wer eines von ihnen ärgert, über den er-
ging aus dem liebevollsten Munde der härteste
Fluch. -- Wie ich zu dieser Abschweifung komme?
das wirst Du nicht fragen, denn Du erinnerst
Dich ohne Zweifel noch dessen, was vor einigen
Jahren in einer uns wohl bekannten Familie
vorfiel. So oft ich dessen gedenken muß, schau-
dert mirs vor dem Schicksal eines so unglücklichen
Kindes.

Wer mir jetzt vor Jda's Ohren das Wort Stief-
mutter oder Stiefbruder ausspräche, könnte mich
schon beleidigen, selbst ohne irgend einen Akzent
auf die häßliche Vorsylbe. Was unsere Nach-
barn über dem Rheine auch immer mit der Sylbe
beau vor dem frere und pere wollten;
es muß wenigstens etwas Freundliches gemeynt
seyn, das dem Unterschied unter Bruder und
Bruder, Vater und Vater, wo er nun einmal
ausgesprochen werden mußte, seine Härte nehmen
sollte, oder sie wenigstens mildern. Und wir,

(10)

durch unvorſichtigen Scherz) dieſe reine göttliche
Flamme im Kinde trübt, der verſündigt ſich an
der heiligen Unſchuld: wer ſie aber verlöſchen
macht, wer eines von ihnen ärgert, über den er-
ging aus dem liebevollſten Munde der härteſte
Fluch. — Wie ich zu dieſer Abſchweifung komme?
das wirſt Du nicht fragen, denn Du erinnerſt
Dich ohne Zweifel noch deſſen, was vor einigen
Jahren in einer uns wohl bekannten Familie
vorfiel. So oft ich deſſen gedenken muß, ſchau-
dert mirs vor dem Schickſal eines ſo unglücklichen
Kindes.

Wer mir jetzt vor Jda’s Ohren das Wort Stief-
mutter oder Stiefbruder ausſpräche, könnte mich
ſchon beleidigen, ſelbſt ohne irgend einen Akzent
auf die häßliche Vorſylbe. Was unſere Nach-
barn über dem Rheine auch immer mit der Sylbe
beau vor dem frere und pere wollten;
es muß wenigſtens etwas Freundliches gemeynt
ſeyn, das dem Unterſchied unter Bruder und
Bruder, Vater und Vater, wo er nun einmal
ausgeſprochen werden mußte, ſeine Härte nehmen
ſollte, oder ſie wenigſtens mildern. Und wir,

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[73/0081] durch unvorſichtigen Scherz) dieſe reine göttliche Flamme im Kinde trübt, der verſündigt ſich an der heiligen Unſchuld: wer ſie aber verlöſchen macht, wer eines von ihnen ärgert, über den er- ging aus dem liebevollſten Munde der härteſte Fluch. — Wie ich zu dieſer Abſchweifung komme? das wirſt Du nicht fragen, denn Du erinnerſt Dich ohne Zweifel noch deſſen, was vor einigen Jahren in einer uns wohl bekannten Familie vorfiel. So oft ich deſſen gedenken muß, ſchau- dert mirs vor dem Schickſal eines ſo unglücklichen Kindes. Wer mir jetzt vor Jda’s Ohren das Wort Stief- mutter oder Stiefbruder ausſpräche, könnte mich ſchon beleidigen, ſelbſt ohne irgend einen Akzent auf die häßliche Vorſylbe. Was unſere Nach- barn über dem Rheine auch immer mit der Sylbe beau vor dem frere und pere wollten; es muß wenigſtens etwas Freundliches gemeynt ſeyn, das dem Unterſchied unter Bruder und Bruder, Vater und Vater, wo er nun einmal ausgeſprochen werden mußte, ſeine Härte nehmen ſollte, oder ſie wenigſtens mildern. Und wir, (10)

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/81>, abgerufen am 27.11.2024.