Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.Denn wo nicht zugethan der Himmel ist der Erde, Alda verschmachten muß aller Lebend'gen Herde; Und also, wo der Fürst in Liebe nicht dem Land Ist zugethan, das ihm vertraut des Himmels Hand. Der Alte sprach: Was bleibt denn übrig, als zu wandern Aus einem Land, das Gott verlassen hat, zum andern? Geh, Hirte, gib dem Vieh hier seine letzte Rast! Und du, o Tochter, trag dein letztes auf dem Gast! Wir haben manchen hier gespeiset und getränket; Nun schaffe, daß mit Dank es dieser uns gedenket! Wir werden keinen Gast hier tränken mehr und speisen; Wer weiß, im fremden Land wer uns es wird erweisen? Da sah der Fürst sie an, die sich mit Anstand schürzte, Ein neues Mahl auftrug, und es mit Anmuth würzte. Das Mahl blieb unberührt; doch, wenn ers nicht genoß, Nicht war es weil er dacht' an sein vergoldet Schloß; Vielmehr weil er ans Wort, das sie gesprochen, dachte, Von dem zuerst die Lieb' in seiner Brust erwachte; Denn wo nicht zugethan der Himmel iſt der Erde, Alda verſchmachten muß aller Lebend'gen Herde; Und alſo, wo der Fuͤrſt in Liebe nicht dem Land Iſt zugethan, das ihm vertraut des Himmels Hand. Der Alte ſprach: Was bleibt denn uͤbrig, als zu wandern Aus einem Land, das Gott verlaſſen hat, zum andern? Geh, Hirte, gib dem Vieh hier ſeine letzte Raſt! Und du, o Tochter, trag dein letztes auf dem Gaſt! Wir haben manchen hier geſpeiſet und getraͤnket; Nun ſchaffe, daß mit Dank es dieſer uns gedenket! Wir werden keinen Gaſt hier traͤnken mehr und ſpeiſen; Wer weiß, im fremden Land wer uns es wird erweiſen? Da ſah der Fuͤrſt ſie an, die ſich mit Anſtand ſchuͤrzte, Ein neues Mahl auftrug, und es mit Anmuth wuͤrzte. Das Mahl blieb unberuͤhrt; doch, wenn ers nicht genoß, Nicht war es weil er dacht' an ſein vergoldet Schloß; Vielmehr weil er ans Wort, das ſie geſprochen, dachte, Von dem zuerſt die Lieb' in ſeiner Bruſt erwachte; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0103" n="93"/> <lg n="17"> <l>Denn wo nicht zugethan der Himmel iſt der Erde,</l><lb/> <l>Alda verſchmachten muß aller Lebend'gen Herde;</l> </lg><lb/> <lg n="18"> <l>Und alſo, wo der Fuͤrſt in Liebe nicht dem Land</l><lb/> <l>Iſt zugethan, das ihm vertraut des Himmels Hand.</l> </lg><lb/> <lg n="19"> <l>Der Alte ſprach: Was bleibt denn uͤbrig, als zu wandern</l><lb/> <l>Aus einem Land, das Gott verlaſſen hat, zum andern?</l> </lg><lb/> <lg n="20"> <l>Geh, Hirte, gib dem Vieh hier ſeine letzte Raſt!</l><lb/> <l>Und du, o Tochter, trag dein letztes auf dem Gaſt!</l> </lg><lb/> <lg n="21"> <l>Wir haben manchen hier geſpeiſet und getraͤnket;</l><lb/> <l>Nun ſchaffe, daß mit Dank es dieſer uns gedenket!</l> </lg><lb/> <lg n="22"> <l>Wir werden keinen Gaſt hier traͤnken mehr und ſpeiſen;</l><lb/> <l>Wer weiß, im fremden Land wer uns es wird erweiſen?</l> </lg><lb/> <lg n="23"> <l>Da ſah der Fuͤrſt ſie an, die ſich mit Anſtand ſchuͤrzte,</l><lb/> <l>Ein neues Mahl auftrug, und es mit Anmuth wuͤrzte.</l> </lg><lb/> <lg n="24"> <l>Das Mahl blieb unberuͤhrt; doch, wenn ers nicht genoß,</l><lb/> <l>Nicht war es weil er dacht' an ſein vergoldet Schloß;</l> </lg><lb/> <lg n="25"> <l>Vielmehr weil er ans Wort, das ſie geſprochen, dachte,</l><lb/> <l>Von dem zuerſt die Lieb' in ſeiner Bruſt erwachte;</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [93/0103]
Denn wo nicht zugethan der Himmel iſt der Erde,
Alda verſchmachten muß aller Lebend'gen Herde;
Und alſo, wo der Fuͤrſt in Liebe nicht dem Land
Iſt zugethan, das ihm vertraut des Himmels Hand.
Der Alte ſprach: Was bleibt denn uͤbrig, als zu wandern
Aus einem Land, das Gott verlaſſen hat, zum andern?
Geh, Hirte, gib dem Vieh hier ſeine letzte Raſt!
Und du, o Tochter, trag dein letztes auf dem Gaſt!
Wir haben manchen hier geſpeiſet und getraͤnket;
Nun ſchaffe, daß mit Dank es dieſer uns gedenket!
Wir werden keinen Gaſt hier traͤnken mehr und ſpeiſen;
Wer weiß, im fremden Land wer uns es wird erweiſen?
Da ſah der Fuͤrſt ſie an, die ſich mit Anſtand ſchuͤrzte,
Ein neues Mahl auftrug, und es mit Anmuth wuͤrzte.
Das Mahl blieb unberuͤhrt; doch, wenn ers nicht genoß,
Nicht war es weil er dacht' an ſein vergoldet Schloß;
Vielmehr weil er ans Wort, das ſie geſprochen, dachte,
Von dem zuerſt die Lieb' in ſeiner Bruſt erwachte;
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