Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.56. Ein alter Weiser sprach: Den Mann mag's auch erbauen, Mit rechtem Sinne sich im Spiegel zu beschauen. Sieht er sein Antlitz schön, so denk' er, etwas fehle, Wo nicht ein schöner Geist die schöne Form beseele. Und wo Unlieblichkeit er sieht in seinen Zügen, So hüt' er sich, hinzu unholden Sinn zu fügen. 57. Aus vier Grundstoffen ist gemischt die Körperwelt, Die als Grundstimmungen dein Innres auch enthält. Der Zorn ist eine Glut, dem heißen Feuer gleich, Die Traurigkeit wie Flut des Wassers feucht und weich. Die Lust ist wie die Luft, leicht, licht und wandelreich, Die Furcht wie Erdengruft, schwer, dumpf und todtenbleich. Laß deines Zornes Glut nie werden wilde Wuth;
Sie sei ein steter Muth im Kampf fürs höchste Gut. 56. Ein alter Weiſer ſprach: Den Mann mag's auch erbauen, Mit rechtem Sinne ſich im Spiegel zu beſchauen. Sieht er ſein Antlitz ſchoͤn, ſo denk' er, etwas fehle, Wo nicht ein ſchoͤner Geiſt die ſchoͤne Form beſeele. Und wo Unlieblichkeit er ſieht in ſeinen Zuͤgen, So huͤt' er ſich, hinzu unholden Sinn zu fuͤgen. 57. Aus vier Grundſtoffen iſt gemiſcht die Koͤrperwelt, Die als Grundſtimmungen dein Innres auch enthaͤlt. Der Zorn iſt eine Glut, dem heißen Feuer gleich, Die Traurigkeit wie Flut des Waſſers feucht und weich. Die Luſt iſt wie die Luft, leicht, licht und wandelreich, Die Furcht wie Erdengruft, ſchwer, dumpf und todtenbleich. Laß deines Zornes Glut nie werden wilde Wuth;
Sie ſei ein ſteter Muth im Kampf fuͤrs hoͤchſte Gut. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0046" n="36"/> <div n="2"> <head>56.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ein alter Weiſer ſprach: Den Mann mag's auch erbauen,</l><lb/> <l>Mit rechtem Sinne ſich im Spiegel zu beſchauen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Sieht er ſein Antlitz ſchoͤn, ſo denk' er, etwas fehle,</l><lb/> <l>Wo nicht ein ſchoͤner Geiſt die ſchoͤne Form beſeele.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Und wo Unlieblichkeit er ſieht in ſeinen Zuͤgen,</l><lb/> <l>So huͤt' er ſich, hinzu unholden Sinn zu fuͤgen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>57.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Aus vier Grundſtoffen iſt gemiſcht die Koͤrperwelt,</l><lb/> <l>Die als Grundſtimmungen dein Innres auch enthaͤlt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Der Zorn iſt eine Glut, dem heißen Feuer gleich,</l><lb/> <l>Die Traurigkeit wie Flut des Waſſers feucht und weich.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Die Luſt iſt wie die Luft, leicht, licht und wandelreich,</l><lb/> <l>Die Furcht wie Erdengruft, ſchwer, dumpf und todtenbleich.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Laß deines Zornes Glut nie werden wilde Wuth;</l><lb/> <l>Sie ſei ein ſteter Muth im Kampf fuͤrs hoͤchſte Gut.</l> </lg><lb/> <l> </l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [36/0046]
56.
Ein alter Weiſer ſprach: Den Mann mag's auch erbauen,
Mit rechtem Sinne ſich im Spiegel zu beſchauen.
Sieht er ſein Antlitz ſchoͤn, ſo denk' er, etwas fehle,
Wo nicht ein ſchoͤner Geiſt die ſchoͤne Form beſeele.
Und wo Unlieblichkeit er ſieht in ſeinen Zuͤgen,
So huͤt' er ſich, hinzu unholden Sinn zu fuͤgen.
57.
Aus vier Grundſtoffen iſt gemiſcht die Koͤrperwelt,
Die als Grundſtimmungen dein Innres auch enthaͤlt.
Der Zorn iſt eine Glut, dem heißen Feuer gleich,
Die Traurigkeit wie Flut des Waſſers feucht und weich.
Die Luſt iſt wie die Luft, leicht, licht und wandelreich,
Die Furcht wie Erdengruft, ſchwer, dumpf und todtenbleich.
Laß deines Zornes Glut nie werden wilde Wuth;
Sie ſei ein ſteter Muth im Kampf fuͤrs hoͤchſte Gut.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |