Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.109. Zu Gottes Angesicht wie steigt sichs schwer empor! Denn sieben Himmel sind, und jeder hat ein Thor. Und ist durchs eine Thor gegeben frei der Lauf, So thun deswegen sich noch nicht die andern auf. Was gültig ist als Paß, durch dieses Thor zu kommen, Wird nicht gleich ebenso bei jenem angenommen. Vielmehr wird Reineres von Thor zu Thor begehrt, Daß Reinstes droben sei von Gottes Blick verklärt. Die Engel, die aufs Werk des Menschen merken, tragen Heut eins von ihm empor zum ersten Thor, und sagen: Thorhüter, laß uns ein! dis Werk ist schön und rein; Zu Gottes Angesicht soll es getragen seyn. Der Hüter aber spricht: Wie? ist es fleckenfrei? O nein, das ist es nicht, es ist voll Heuchelei. Vor Gottes Angesicht kommt ihr mit diesem nicht; Nehmt es und werft es dort dem Menschen ins Gesicht. 109. Zu Gottes Angeſicht wie ſteigt ſichs ſchwer empor! Denn ſieben Himmel ſind, und jeder hat ein Thor. Und iſt durchs eine Thor gegeben frei der Lauf, So thun deswegen ſich noch nicht die andern auf. Was guͤltig iſt als Paß, durch dieſes Thor zu kommen, Wird nicht gleich ebenſo bei jenem angenommen. Vielmehr wird Reineres von Thor zu Thor begehrt, Daß Reinſtes droben ſei von Gottes Blick verklaͤrt. Die Engel, die aufs Werk des Menſchen merken, tragen Heut eins von ihm empor zum erſten Thor, und ſagen: Thorhuͤter, laß uns ein! dis Werk iſt ſchoͤn und rein; Zu Gottes Angeſicht ſoll es getragen ſeyn. Der Huͤter aber ſpricht: Wie? iſt es fleckenfrei? O nein, das iſt es nicht, es iſt voll Heuchelei. Vor Gottes Angeſicht kommt ihr mit dieſem nicht; Nehmt es und werft es dort dem Menſchen ins Geſicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0212" n="202"/> <div n="2"> <head>109.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Zu Gottes Angeſicht wie ſteigt ſichs ſchwer empor!</l><lb/> <l>Denn ſieben Himmel ſind, und jeder hat ein Thor.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Und iſt durchs eine Thor gegeben frei der Lauf,</l><lb/> <l>So thun deswegen ſich noch nicht die andern auf.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Was guͤltig iſt als Paß, durch dieſes Thor zu kommen,</l><lb/> <l>Wird nicht gleich ebenſo bei jenem angenommen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Vielmehr wird Reineres von Thor zu Thor begehrt,</l><lb/> <l>Daß Reinſtes droben ſei von Gottes Blick verklaͤrt.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Die Engel, die aufs Werk des Menſchen merken, tragen</l><lb/> <l>Heut eins von ihm empor zum erſten Thor, und ſagen:</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Thorhuͤter, laß uns ein! dis Werk iſt ſchoͤn und rein;</l><lb/> <l>Zu Gottes Angeſicht ſoll es getragen ſeyn.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Der Huͤter aber ſpricht: Wie? iſt es fleckenfrei?</l><lb/> <l>O nein, das iſt es nicht, es iſt voll Heuchelei.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Vor Gottes Angeſicht kommt ihr mit dieſem nicht;</l><lb/> <l>Nehmt es und werft es dort dem Menſchen ins Geſicht.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [202/0212]
109.
Zu Gottes Angeſicht wie ſteigt ſichs ſchwer empor!
Denn ſieben Himmel ſind, und jeder hat ein Thor.
Und iſt durchs eine Thor gegeben frei der Lauf,
So thun deswegen ſich noch nicht die andern auf.
Was guͤltig iſt als Paß, durch dieſes Thor zu kommen,
Wird nicht gleich ebenſo bei jenem angenommen.
Vielmehr wird Reineres von Thor zu Thor begehrt,
Daß Reinſtes droben ſei von Gottes Blick verklaͤrt.
Die Engel, die aufs Werk des Menſchen merken, tragen
Heut eins von ihm empor zum erſten Thor, und ſagen:
Thorhuͤter, laß uns ein! dis Werk iſt ſchoͤn und rein;
Zu Gottes Angeſicht ſoll es getragen ſeyn.
Der Huͤter aber ſpricht: Wie? iſt es fleckenfrei?
O nein, das iſt es nicht, es iſt voll Heuchelei.
Vor Gottes Angeſicht kommt ihr mit dieſem nicht;
Nehmt es und werft es dort dem Menſchen ins Geſicht.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/212>, abgerufen am 16.02.2025. |