Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.Doch meinen kann sie's nie recht ungestört und still, Und meint stets, daß die Welt nicht recht es meinen will. Straft ihr die Heuchlerinn? sie straft die Heuchelei; Sie selbst nur weiß, wie schwer die hole Maske sei. 132. Warum die Wahrheit wird so schwer an Mann gebracht? Weil sie den Menschen vor sich selbst zu Schanden macht. Die Selbsucht, die dir schließt vor unserm Rath das Ohr, Verschließt auch selbst den Mund des Rathes uns zuvor. Wenn du zu spenden hast und zu verweigern Gnaden, Wie sollten wir, um dir zu nützen, selbst uns schaden? Wir werden wenigstens die Bitterkeit der Sachen Durch möglichst süßes Wort dir halb erträglich machen. Nur wenn von dir nichts ist zu fürchten noch zu hoffen, Erwarte, daß du hörst die Wahrheit frei und offen. Drum ist am weitesten von ihr ein Fürst entfernt, Da leicht ein Bettler sie auch wider Willen lernt. Doch meinen kann ſie's nie recht ungeſtoͤrt und ſtill, Und meint ſtets, daß die Welt nicht recht es meinen will. Straft ihr die Heuchlerinn? ſie ſtraft die Heuchelei; Sie ſelbſt nur weiß, wie ſchwer die hole Maſke ſei. 132. Warum die Wahrheit wird ſo ſchwer an Mann gebracht? Weil ſie den Menſchen vor ſich ſelbſt zu Schanden macht. Die Selbſucht, die dir ſchließt vor unſerm Rath das Ohr, Verſchließt auch ſelbſt den Mund des Rathes uns zuvor. Wenn du zu ſpenden haſt und zu verweigern Gnaden, Wie ſollten wir, um dir zu nuͤtzen, ſelbſt uns ſchaden? Wir werden wenigſtens die Bitterkeit der Sachen Durch moͤglichſt ſuͤßes Wort dir halb ertraͤglich machen. Nur wenn von dir nichts iſt zu fuͤrchten noch zu hoffen, Erwarte, daß du hoͤrſt die Wahrheit frei und offen. Drum iſt am weiteſten von ihr ein Fuͤrſt entfernt, Da leicht ein Bettler ſie auch wider Willen lernt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0234" n="224"/> <lg n="5"> <l>Doch meinen kann ſie's nie recht ungeſtoͤrt und ſtill,</l><lb/> <l>Und meint ſtets, daß die Welt nicht recht es meinen will.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Straft ihr die Heuchlerinn? ſie ſtraft die Heuchelei;</l><lb/> <l>Sie ſelbſt nur weiß, wie ſchwer die hole Maſke ſei.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>132.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Warum die Wahrheit wird ſo ſchwer an Mann gebracht?</l><lb/> <l>Weil ſie den Menſchen vor ſich ſelbſt zu Schanden macht.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Die Selbſucht, die dir ſchließt vor unſerm Rath das Ohr,</l><lb/> <l>Verſchließt auch ſelbſt den Mund des Rathes uns zuvor.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Wenn du zu ſpenden haſt und zu verweigern Gnaden,</l><lb/> <l>Wie ſollten wir, um dir zu nuͤtzen, ſelbſt uns ſchaden?</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wir werden wenigſtens die Bitterkeit der Sachen</l><lb/> <l>Durch moͤglichſt ſuͤßes Wort dir halb ertraͤglich machen.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Nur wenn von dir nichts iſt zu fuͤrchten noch zu hoffen,</l><lb/> <l>Erwarte, daß du hoͤrſt die Wahrheit frei und offen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Drum iſt am weiteſten von ihr ein Fuͤrſt entfernt,</l><lb/> <l>Da leicht ein Bettler ſie auch wider Willen lernt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [224/0234]
Doch meinen kann ſie's nie recht ungeſtoͤrt und ſtill,
Und meint ſtets, daß die Welt nicht recht es meinen will.
Straft ihr die Heuchlerinn? ſie ſtraft die Heuchelei;
Sie ſelbſt nur weiß, wie ſchwer die hole Maſke ſei.
132.
Warum die Wahrheit wird ſo ſchwer an Mann gebracht?
Weil ſie den Menſchen vor ſich ſelbſt zu Schanden macht.
Die Selbſucht, die dir ſchließt vor unſerm Rath das Ohr,
Verſchließt auch ſelbſt den Mund des Rathes uns zuvor.
Wenn du zu ſpenden haſt und zu verweigern Gnaden,
Wie ſollten wir, um dir zu nuͤtzen, ſelbſt uns ſchaden?
Wir werden wenigſtens die Bitterkeit der Sachen
Durch moͤglichſt ſuͤßes Wort dir halb ertraͤglich machen.
Nur wenn von dir nichts iſt zu fuͤrchten noch zu hoffen,
Erwarte, daß du hoͤrſt die Wahrheit frei und offen.
Drum iſt am weiteſten von ihr ein Fuͤrſt entfernt,
Da leicht ein Bettler ſie auch wider Willen lernt.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/234>, abgerufen am 16.02.2025. |