Das Körnchen kommt im Fall hier oder dort zu kleben An einen Zweig, und wird nicht lang unschlüssig schweben.
Da wo es anklebt, wird's geschwind ein Würzlein schlagen, Dann treiben einen Sproß, und wieder Beeren tragen.
Viel anders aber treibt es untenher und oben Als andre Pflanzen, die sich frei vom Boden hoben.
Denn senkrecht senken sie die Wurzel all nach unten, Und gradauf oben steigt ihr grünes Blatt zum bunten.
Die Mistel aber muß sich fremdem Stamm bequemen, Wie er gewachsen ist, danach ihr Wachsthum nehmen.
Ob oben, unten, ob sie hüben sitzt ob drüben Am Stamm, danach muß sie verschiedne Künste üben.
Bald abwerts, bald hinauf, bald mehr und minder schief Weiß sie die Wurzel einzuschieben stark und tief,
In jeder Richtung dann den Stengel zu entfalten, Und auch kopfuntersich die Schwebe wol zu halten.
Das Koͤrnchen kommt im Fall hier oder dort zu kleben An einen Zweig, und wird nicht lang unſchluͤſſig ſchweben.
Da wo es anklebt, wird's geſchwind ein Wuͤrzlein ſchlagen, Dann treiben einen Sproß, und wieder Beeren tragen.
Viel anders aber treibt es untenher und oben Als andre Pflanzen, die ſich frei vom Boden hoben.
Denn ſenkrecht ſenken ſie die Wurzel all nach unten, Und gradauf oben ſteigt ihr gruͤnes Blatt zum bunten.
Die Miſtel aber muß ſich fremdem Stamm bequemen, Wie er gewachſen iſt, danach ihr Wachsthum nehmen.
Ob oben, unten, ob ſie huͤben ſitzt ob druͤben Am Stamm, danach muß ſie verſchiedne Kuͤnſte uͤben.
Bald abwerts, bald hinauf, bald mehr und minder ſchief Weiß ſie die Wurzel einzuſchieben ſtark und tief,
In jeder Richtung dann den Stengel zu entfalten, Und auch kopfunterſich die Schwebe wol zu halten.
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Das Koͤrnchen kommt im Fall hier oder dort zu kleben
An einen Zweig, und wird nicht lang unſchluͤſſig ſchweben.
Da wo es anklebt, wird's geſchwind ein Wuͤrzlein ſchlagen,
Dann treiben einen Sproß, und wieder Beeren tragen.
Viel anders aber treibt es untenher und oben
Als andre Pflanzen, die ſich frei vom Boden hoben.
Denn ſenkrecht ſenken ſie die Wurzel all nach unten,
Und gradauf oben ſteigt ihr gruͤnes Blatt zum bunten.
Die Miſtel aber muß ſich fremdem Stamm bequemen,
Wie er gewachſen iſt, danach ihr Wachsthum nehmen.
Ob oben, unten, ob ſie huͤben ſitzt ob druͤben
Am Stamm, danach muß ſie verſchiedne Kuͤnſte uͤben.
Bald abwerts, bald hinauf, bald mehr und minder ſchief
Weiß ſie die Wurzel einzuſchieben ſtark und tief,
In jeder Richtung dann den Stengel zu entfalten,
Und auch kopfunterſich die Schwebe wol zu halten.
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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/75>, abgerufen am 19.02.2025.
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