Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 4. Leipzig, 1838.Drum lieber lasset uns von fern des Mondes Nachen Beschauen in der Nacht, wann wir gerade wachen, Und wann wir schlafen, uns, gefittiget vom Traum, Schwingen empor zu ihm und jedem höhern Raum. 50. Anschauung, wo sie fehlt, mag etwa Geist ersetzen; Bei Geistes Mangel wird Anschauung nie dich letzen. Doch nur wo Geist sich hält zusammen mit Anschauung, Entsteht vor dir die Welt in glänzender Erbauung. 51. Sag': Ich bin Ich! Und wie du sagest, fühl' es auch: In deinem kleinen Ich des großen Iches Hauch. Sag': Ich bin Ich! und dich in den Gedanken senke: Ich denke was ich bin, und bin das was ich denke. Ich von mir selber kann nicht unterschieden seyn, Mein Seyn vom Denken nicht, mein Denken nicht vom Seyn. Drum lieber laſſet uns von fern des Mondes Nachen Beſchauen in der Nacht, wann wir gerade wachen, Und wann wir ſchlafen, uns, gefittiget vom Traum, Schwingen empor zu ihm und jedem hoͤhern Raum. 50. Anſchauung, wo ſie fehlt, mag etwa Geiſt erſetzen; Bei Geiſtes Mangel wird Anſchauung nie dich letzen. Doch nur wo Geiſt ſich haͤlt zuſammen mit Anſchauung, Entſteht vor dir die Welt in glaͤnzender Erbauung. 51. Sag': Ich bin Ich! Und wie du ſageſt, fuͤhl' es auch: In deinem kleinen Ich des großen Iches Hauch. Sag': Ich bin Ich! und dich in den Gedanken ſenke: Ich denke was ich bin, und bin das was ich denke. Ich von mir ſelber kann nicht unterſchieden ſeyn, Mein Seyn vom Denken nicht, mein Denken nicht vom Seyn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0163" n="153"/> <lg n="8"> <l>Drum lieber laſſet uns von fern des Mondes Nachen</l><lb/> <l>Beſchauen in der Nacht, wann wir gerade wachen,</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Und wann wir ſchlafen, uns, gefittiget vom Traum,</l><lb/> <l>Schwingen empor zu ihm und jedem hoͤhern Raum.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>50.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Anſchauung, wo ſie fehlt, mag etwa Geiſt erſetzen;</l><lb/> <l>Bei Geiſtes Mangel wird Anſchauung nie dich letzen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch nur wo Geiſt ſich haͤlt zuſammen mit Anſchauung,</l><lb/> <l>Entſteht vor dir die Welt in glaͤnzender Erbauung.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>51.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Sag': Ich bin Ich! Und wie du ſageſt, fuͤhl' es auch:</l><lb/> <l>In deinem kleinen Ich des großen Iches Hauch.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Sag': Ich bin Ich! und dich in den Gedanken ſenke:</l><lb/> <l>Ich denke was ich bin, und bin das was ich denke.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ich von mir ſelber kann nicht unterſchieden ſeyn,</l><lb/> <l>Mein Seyn vom Denken nicht, mein Denken nicht vom Seyn.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [153/0163]
Drum lieber laſſet uns von fern des Mondes Nachen
Beſchauen in der Nacht, wann wir gerade wachen,
Und wann wir ſchlafen, uns, gefittiget vom Traum,
Schwingen empor zu ihm und jedem hoͤhern Raum.
50.
Anſchauung, wo ſie fehlt, mag etwa Geiſt erſetzen;
Bei Geiſtes Mangel wird Anſchauung nie dich letzen.
Doch nur wo Geiſt ſich haͤlt zuſammen mit Anſchauung,
Entſteht vor dir die Welt in glaͤnzender Erbauung.
51.
Sag': Ich bin Ich! Und wie du ſageſt, fuͤhl' es auch:
In deinem kleinen Ich des großen Iches Hauch.
Sag': Ich bin Ich! und dich in den Gedanken ſenke:
Ich denke was ich bin, und bin das was ich denke.
Ich von mir ſelber kann nicht unterſchieden ſeyn,
Mein Seyn vom Denken nicht, mein Denken nicht vom Seyn.
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