Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
90.
Horch, das Gewitter braust, des Donners Scheltwort rollt
Dem rothen Blitz nach, der ein Blick des Zornes grollt.
So früh im Jahr, eh neu zum Leben sich verbündet
Der Elemente Kraft, ist schon ihr Kampf entzündet.
Was in der Gährung sonst der Sommerglut erwacht,
Ist nun im schwellenden Lenzäther angefacht.
Vorüber fahren sie vor deinem Aug' und Ohr,
Das sie erschreckt vernahm, dann spurlos sie verlor.
Und also meinst du wol, daß sie auch ohne Spur
Vorüberfahren der erwachenden Natur.
Doch eine Spur davon, und ich will sie dir deuten,
Wird bleiben, die bemerkt nicht wird von vielen Leuten.
Der Kukuk, der den Sang jetzt rüstet, um zu locken
Die Blätter aus dem Wald, hört und verstummt erschrocken.
Und der Verstörung wird er diesen Lenz nicht frei,
Und seines vollen Klangs entbehrt der blüh'nde Mai.
90.
Horch, das Gewitter brauſt, des Donners Scheltwort rollt
Dem rothen Blitz nach, der ein Blick des Zornes grollt.
So fruͤh im Jahr, eh neu zum Leben ſich verbuͤndet
Der Elemente Kraft, iſt ſchon ihr Kampf entzuͤndet.
Was in der Gaͤhrung ſonſt der Sommerglut erwacht,
Iſt nun im ſchwellenden Lenzaͤther angefacht.
Voruͤber fahren ſie vor deinem Aug' und Ohr,
Das ſie erſchreckt vernahm, dann ſpurlos ſie verlor.
Und alſo meinſt du wol, daß ſie auch ohne Spur
Voruͤberfahren der erwachenden Natur.
Doch eine Spur davon, und ich will ſie dir deuten,
Wird bleiben, die bemerkt nicht wird von vielen Leuten.
Der Kukuk, der den Sang jetzt ruͤſtet, um zu locken
Die Blaͤtter aus dem Wald, hoͤrt und verſtummt erſchrocken.
Und der Verſtoͤrung wird er dieſen Lenz nicht frei,
Und ſeines vollen Klangs entbehrt der bluͤh'nde Mai.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0200" n="190"/>
        <div n="2">
          <head>90.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Horch, das Gewitter brau&#x017F;t, des Donners Scheltwort rollt</l><lb/>
              <l>Dem rothen Blitz nach, der ein Blick des Zornes grollt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>So fru&#x0364;h im Jahr, eh neu zum Leben &#x017F;ich verbu&#x0364;ndet</l><lb/>
              <l>Der Elemente Kraft, i&#x017F;t &#x017F;chon ihr Kampf entzu&#x0364;ndet.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Was in der Ga&#x0364;hrung &#x017F;on&#x017F;t der Sommerglut erwacht,</l><lb/>
              <l>I&#x017F;t nun im &#x017F;chwellenden Lenza&#x0364;ther angefacht.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Voru&#x0364;ber fahren &#x017F;ie vor deinem Aug' und Ohr,</l><lb/>
              <l>Das &#x017F;ie er&#x017F;chreckt vernahm, dann &#x017F;purlos &#x017F;ie verlor.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Und al&#x017F;o mein&#x017F;t du wol, daß &#x017F;ie auch ohne Spur</l><lb/>
              <l>Voru&#x0364;berfahren der erwachenden Natur.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Doch eine Spur davon, und ich will &#x017F;ie dir deuten,</l><lb/>
              <l>Wird bleiben, die bemerkt nicht wird von vielen Leuten.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Der Kukuk, der den Sang jetzt ru&#x0364;&#x017F;tet, um zu locken</l><lb/>
              <l>Die Bla&#x0364;tter aus dem Wald, ho&#x0364;rt und ver&#x017F;tummt er&#x017F;chrocken.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>Und der Ver&#x017F;to&#x0364;rung wird er die&#x017F;en Lenz nicht frei,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;eines vollen Klangs entbehrt der blu&#x0364;h'nde Mai.</l>
            </lg><lb/>
            <l/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0200] 90. Horch, das Gewitter brauſt, des Donners Scheltwort rollt Dem rothen Blitz nach, der ein Blick des Zornes grollt. So fruͤh im Jahr, eh neu zum Leben ſich verbuͤndet Der Elemente Kraft, iſt ſchon ihr Kampf entzuͤndet. Was in der Gaͤhrung ſonſt der Sommerglut erwacht, Iſt nun im ſchwellenden Lenzaͤther angefacht. Voruͤber fahren ſie vor deinem Aug' und Ohr, Das ſie erſchreckt vernahm, dann ſpurlos ſie verlor. Und alſo meinſt du wol, daß ſie auch ohne Spur Voruͤberfahren der erwachenden Natur. Doch eine Spur davon, und ich will ſie dir deuten, Wird bleiben, die bemerkt nicht wird von vielen Leuten. Der Kukuk, der den Sang jetzt ruͤſtet, um zu locken Die Blaͤtter aus dem Wald, hoͤrt und verſtummt erſchrocken. Und der Verſtoͤrung wird er dieſen Lenz nicht frei, Und ſeines vollen Klangs entbehrt der bluͤh'nde Mai.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/200
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/200>, abgerufen am 23.11.2024.